Stand: 26.03.20 07:00 Uhr

Corona-Krise: Jung, aber nicht naiv - Berlins erster Patient

von Gesine Enwald

Ihr Mitbewohner ist Berlins erster Corona-Patient gewesen. Während er im Krankenhaus liegt, wohnen Rixa und Caro weiter in der gemeinsamen WG - seit 26 Tagen in Quarantäne. Inzwischen ist auch Rixa positiv getestet. Ein persönlicher Bericht.

Seit dem 1. März haben wir das Haus nicht mehr verlassen. An diesem Tag hatten wir erfahren, dass unser Mitbewohner sich mit dem Corona-Virus infiziert hatte. Er war damit der erste offizielle Corona-Fall in Berlin. Seitdem sind 26 Tage vergangen. Unsere Perspektive auf die Welt nur durch unsere fünf Fenster ist eine andere.

Corona-Krise: Jung, aber nicht naiv - Berlins erster Patient
Berlins erster Corona-Patient ist im Krankenhaus. Seine Mitbewohnerinnen Rixa und Caro leben weiter in der WG - in Quarantäne seit 26 Tagen. Und nun ist auch Rixa positiv getestet.

Ungewöhnliche Situationen erfordern Kreativität

Die Situation hat Deutschland, aber auch uns in unseren drei Zimmern, überwältigt. Die Lage in italienischen Krankenhäusern und Griechenlands Flüchtlingslagern hat uns gleichzeitig gezeigt, wie privilegiert wir sind - auch weil wir "nur" Studenten sind und eine Rezession wenig zu spüren bekommen. Wir reflektieren viel darüber, wie wir helfen können; der Zusammenhalt in der geteilten Einsamkeit macht uns Mut. Während die Nachrichten auf uns niederprasseln, haben wir unseren eigenen Weg gefunden, um mit der Situation umzugehen. Es ist surreal: Unsere Welt steht still, und draußen verändert sie sich im Sekundentakt. Wir haben einen eigenen Alltag; wir arbeiten, malen und kochen - vor allem aber sind wir froh, nicht allein zu sein. Es sind andere, kleinere Dinge, die uns jetzt Freude machen. Ungewöhnliche Situationen erfordern Kreativität. Das ist wohl auch einer der wenigen Ratschläge, den wir anderen geben können. Neben dem Appell, auf die Empfehlungen zu hören und - auch aus Solidarität - nicht das Haus zu verlassen, ist es wichtig, die Krise für sich zu nutzen und bestmöglich zu gestalten.

Testergebnis gibt Rätsel auf

Rixa und Caro sitzen am Fenster. Ein Banner mit der Aufschrift "Leave noone behind" ist zu sehen ©  Ingo Mende Foto:  Ingo Mende

Rixa und Caro engagieren sich in der Hilfskampagne für Flüchtlinge in Griechenland mit dem Slogan #leavenoonebehind.

Uns geht es gut. Auch wenn die Situation in unser Wohnung wohl eine außergewöhnliche ist. Nachdem unser Mitbewohner als erster Corona-Fall von Berlin in die Klinik gebracht wurde, war uns klar, dass auch wir uns infiziert haben mussten. Der Amtsarzt testete Rixa am 14. März positiv. Ihr Krankheitsverlauf war, wie bei vielen jungen Menschen, sehr mild. Nur Caros Testergebnis gibt allen Ärzten Rätsel auf. Sowohl ein Bluttest, der rückwirkend abbildet, ob sie bereits erkrankt war, als auch der einfache Rachenabstrich hatten dasselbe Ergebnis: Negativ. Nichtsdestotrotz müssen wir noch mindestens eine Woche in Quarantäne bleiben. Wir bewahren also die Fassung; und auch wenn die Lage weltweit alles andere als komisch ist, versuchen wir, unsere Situation mit Humor zu nehmen.

Angst ist kein guter Ratgeber

Und wir haben bis jetzt vor allem viel nachgedacht. Angst ist kein guter Ratgeber. Dadurch, dass wir während der kritischen Entwicklungen bereits unter Quarantäne standen, haben wir die wachsende Panik von außen deutlich zu spüren bekommen. Wir können uns dem nicht entziehen und es erinnert uns daran, wie wichtig es ist, in Krisen besonnen zu bleiben. Dass wir wenig helfen können und unsere Quarantäne gleichzeitig der größte Beitrag ist, den wir leisten, ist manchmal schwer zu begreifen.

Das Virus kennt keine Grenzen und unterscheidet nicht zwischen den Menschen. Die Krise sollte nicht zeigen, was uns als Nation, sondern, was uns als Gesellschaft ausmacht.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 26.03.2020 | 20:30 Uhr