Umgang mit der AfD: Schluss mit Verständnis

von Tina Soliman

"Später ist es zu spät", sagte einmal Erich Kästner. 

Nach dem jahrelangen Credo, "man müsse besorgte Bürger ernst nehmen", gibt es seit einiger Zeit vermehrt auch andere Stimmen, die in Richtung AfD sagen: Klare Kante zeigen! Nicht einladen! Abgrenzen!

Umgang mit der AfD: Schluss mit Verständnis
Jahrelang hieß es, "man müsse besorgte Bürger ernst nehmen". Doch prominente Vertreter von Vereinen und Verbänden fordern nun: Klare Kante zeigen! Nicht einladen! Abgrenzen!

Peter Fischer, Präsident der Eintracht Frankfurt (80.000 Mitglieder), hat sich als einer der ersten öffentlich klar gegen Antisemitismus und Rassismus bei der Eintracht positioniert. "Es kann niemand bei uns Mitglied sein, der diese Partei (AfD) wählt, in der es rassistische und menschenverachtende Tendenzen gibt", entschied die Führung der Eintracht Frankfurt und auch deren Mitglieder. Peter Fischer wurde kurz nach der deutlichen Positionierung mit 99 Prozent der Stimmen erneut zum Präsidenten der Frankfurter Eintracht gewählt. Wenn jemand dem Verein beitrete, gebe er auch die Selbstverpflichtung ab, die Werte der Frankfurter Eintracht zu beachten und zu leben: Keine Diskriminierung, kein Rassismus und kein Antisemitismus, so Fischer. Das sei unvereinbar mit der von Spitzenfunktionären der AfD propagierten Gesinnung, zu menschenverachtenden und antisemitischen Parolen. "Es gibt für die braune Brut keinen Platz. Solange ich da bin, wird es keine Nazis bei Eintracht Frankfurt geben."

Im Visier der Rechten

Zwei Landessprecher der AfD Hessen stellten Strafanzeige gegen Fischer wegen Beleidigung, übler Nachrede und Verleumdung. Das Verfahren wurde eingestellt. Fischer habe das "Recht auf freie Meinungsäußerung". Er bleibt aber im Visier der Rechten, wird massiv bedroht und beschimpft. Auch die gerichtlichen Auseinandersetzungen gehen weiter.

Peter Fischer © NDR Foto: Screenshot

Der Präsident von Eintracht Frankfurt, Peter Fischer, will keine AfD-Wähler bei seinem Verein. Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus hätten bei der Eintracht keinen Platz.

Doch Peter Fischer bleibt dabei. Er will mit Rechten nichts zu tun haben: "Ich bin ein Mensch, der von der Kommunikation kommt, den Dialog und die Streitkultur liebt. Aber ich habe für mich eine Entscheidung getroffen: Die Gräben müssen tiefer sein. Die Gräben müssen unüberwindbar sein. Es muss eine klare Ausgrenzung geben: Ich will nichts mit Dir zu tun haben! Ich will auch nicht mit Dir sprechen, weil ich gelernt habe, dass Diskussion und Dialog null Komma null Chancen haben. Ich würde gerne sagen: Ich hole euch zurück. Aber: Ich sehe keine Chance", so Fischer. Denn, was immer er sage, es gelte als Angriff. Allein, dass er anderer Meinung ist, macht ihn zum Feind. Die schöne Vorstellung von einem Gespräch, das auf Austausch von rationalen Argumenten basiert, gar davon, überzeugen zu können, sei eine Illusion.

Panorama gegenüber bekräftigt Fischer: "Das einzig wirksame Mittel gegen Demokratie- und Menschenfeindlichkeit sei ein Nicht-Mitmachen und ein Sich-Verweigern." Und so will er die Rechten mit ihren eigenen Waffen schlagen: der Abgrenzung - durch ein klar definiertes Signal der Zugehörigkeit.

Kirchentag - warum die Rechten mit Dialogangeboten hoffähig machen?

Hans Leyendecker © NDR Foto: Screenshot

Der ehemalige Journalist und heutige Präsident des evangelischen Kirchentages Hans Leyendecker will den Rechten keine Bühne bieten.

Auch der Präsident des Evangelischen Kirchentages, Hans Leyendecker will sich nicht mit den Wortführern der Rechten zum demokratischen Gespräch treffen. Auf keiner der 2.300 Veranstaltungen des in wenigen Tagen beginnenden Evangelischen Kirchentages in Dortmund wird ein Vertreter der AfD auf einem Podium sprechen, so haben es die Veranstalter des Kirchentages entschieden.

Es werden keine Repräsentanten der AfD eingeladen, weil sich die AfD radikalisiert habe, so Leyendecker. Deshalb müsse man ein Zeichen setzen. Eine rote Linie ziehen. "Wir laden jemanden ein, weil er etwas zu sagen hat, Herr Gauland, Frau Weidel oder Herr Höcke haben mir nichts zu sagen", so der ehemalige Journalist. "Das Wort von Herrn Gauland mit dem Vogelschiss in der deutschen Geschichte - das ist nicht irgendein Ausrutscher. Das ist so elementar. Das reißt uns wirklich den Boden weg." Außerdem gäbe es kein Recht auf Teilhabe. Niemand sei automatisch eingeladen. Und warum solle man die Rechten mit immer neuen Dialogangeboten hoffähig machen?

Nicht glaubwürdig, sich als Christ in der AfD zu engagieren

Leyendeckers Haltung steht ganz im Gegensatz zum Evangelischen Kirchentag vor zwei Jahren. Damals wollte man noch mit Rechten reden, streiten - widersprechen - sich demokratisch auseinandersetzen. Statt den anderen den Willen zur Demokratie abzusprechen, wollte man lieber eigene Demokratiefähigkeit beweisen, indem man den Gegner - der immer auch Mensch sei -  hart in der Sache, aber nicht unversöhnlich, sozusagen ins Gebet nimmt. So die damalige Position.

Markus Dröge © NDR Foto: Screenshot

Suchte auf dem Kirchentag 2017 noch den Dialog mit der AfD: Bischof Markus Dröge.

Also diskutierte auf dem Evangelischen Kirchentag vor zwei Jahren der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Markus Dröge, mit einer Christin von der AfD. "Die Meinungen sind aufeinander geprallt. Es waren Anklänge an völkisches Denken, dass jeder Mensch von Gott her berufen ist, in dem Land zu leben, in dem er geboren ist. Ich habe sehr deutlich gesagt, dass, wenn man den christlichen Glauben dazu einsetzt, um andere Menschen abzuwerten und ein bestimmtes Volk als wertvoller zu erachten als ein anderes, dass das ein Missbrauch des Namens Gottes ist für eine politische Position, und das ist letztlich Gotteslästerung", so Bischof Dröge.

Sein Ziel war es nachzuweisen, dass es für ihn nicht glaubwürdig ist, sich als Christ in der AfD zu engagieren. "Wenn ich sehe, wie Jesus die Nächstenliebe gepredigt hat, wenn ich sehe, wie das christliche Menschenbild immer Völkergrenzen überwunden hat. Wenn ich sehe, wie Christenheit im Europa sich schon 2001 eine Charta gegeben hat, um die Versöhnung in Europa voran zu treiben und aus der Geschichte zu lernen. Dann sind das alles Positionen, die ich in der AfD ganz anders vertreten sehe. Und wie möchte ich dann als Christ glaubwürdig in der AfD sein?" Bischof Dröge überzeugte die AfD-Abgeordnete - sachlich, allein mit Worten. Das wirkte nach. Die Frau trat aus der Partei aus und begründete ihren Austritt mit Dröges Worten. Für ihn der Beweis, dass man jemanden mit guten Argumenten zur Besinnung bringen könnte.

Kirchentag: Großen Fragen der Zeit

Daher hält Bischof Dröge die aktuelle Entscheidung des Evangelischen Kirchentages für "nicht produktiv". Der Evangelische Kirchentag habe bisher immer die großen Fragen der Zeit aufgegriffen. Und dazu gehöre eben der Rechtspopulismus. Kirche und Gesellschaft müssten lernen, den Rechtspopulismus mit den Werkzeugen der freiheitlichen Demokratie zu überwinden: dem offenen Wort. Man könne die geistige und geistliche Leere in den Programmen der Partei entlarven. Setze man sich nicht inhaltlich mit rechten Positionen auseinander, könne das den Rechten nur recht sein, denn täte man es, würde man entlarven, dass sie eher keine gehaltvollen Antworten oder Lösungen parat haben.

Leyendecker jedoch will den Kirchentag nicht dafür benutzen die "Rechten zu entzaubern" oder ihnen gar die Möglichkeit bieten, den Diskurs zu kapern. "Der Kirchentag ist keine Inszenierungsbühne", so der Präsident des Kirchenfestes. Er wolle die AfD durch die Einladung vor kirchliche Mikrofone nicht gesellschaftlich und politisch aufwerten. Keine Aufmerksamkeit. Weniger Beachtung hält der Präsident des Evangelischen Kirchentages für die bessere Strategie. Um die Zustände ins Wanken zu bringen, genügt eine entschlossene Minderheit. Um sie zu stabilisieren braucht es eine entschlossene Mehrheit. Die Zeit der taktischen Manöver scheint vorbei.

ASB: Drohbriefe nach Ausschluss der AfD

Ulrich Bauch © NDR Foto: Screenshot

Ulrich Bauch ist Geschäftsführer des Arbeiter-Samariter-Bundes und lehnt Geschäftsbeziehungen mit der AfD ab.

Obwohl klar ist, dass jeder Ausschluss die Opferrolle nährt, scheint immer mehr Organisationen und Vereinen die Verweigerung dennoch unvermeidlich zu sein. Beispiel: der Arbeiter-Samariter-Bund. Die AfD-Fraktion wollte dort einen Erste-Hilfe-Kurs buchen. Der ASB lehnte aufgrund der eigenen Geschichte ab. Denn er wurde 1933 von den Nazis enteignet und zerschlagen. "Menschlichkeit, eine offene Gesellschaft und ein solidarisches Miteinander sowie eine klare Haltung gegen rechtspopulistische und rechtsextreme Politik", sei Grundlage der Arbeit des ASB.

Der ASB erhielt nach der Ablehnung Drohbriefe von rechts und einen heftigen Shitstorm. Die AfD sprach in ihrer Reaktion von einer zutiefst menschenfeindlichen Logik. "Menschenfeindliche Logik erkenne ich in den Äußerungen der AfD, die unsere Gesellschaft spalten wollen, die unsolidarisch sind und die auf Verfolgung von Minderheiten abzielen", kontert ASB-Geschäftsführer Ulrich Bauch.

Hilfe in Not ja, Geschäftsbeziehung nein

Der ASB, Anbieter von Rettungs-, Sozial, und Pflegediensten, ist als Wohlfahrtsverband und Hilfsorganisation "politisch und konfessionell ungebunden. Wir helfen allen Menschen - unabhängig von ihrer politischen, ethnischen, nationalen und religiösen Zugehörigkeit. Er bietet seine Hilfe ohne Ansehen der politischen, ethnischen, nationalen oder religiösen Zugehörigkeit an", so steht es im Leitbild des ASB. Das bekräftigt auch der Geschäftsführer. Selbstverständlich würden die Helfer des ASB auch einen Herr Gauland aus dem Wasser ziehen, sollte er in Not geraten. Man wolle nur keine Geschäftsbeziehung mit der AfD. Und das habe eben auch mit der Geschichte des ASB zu tun.

Viele Mitglieder wurden während der NS-Herrschaft verfolgt, ins KZ gebracht und ermordet. "Vor diesem Hintergrund ist es uns unmöglich, eine Bundestagsfraktion in erste Hilfe auszubilden, die diese Zeit als Vogelschiss der Geschichte bezeichnet", erklärt Bauch. "Wir gehen sogar soweit zu sagen, dass manche Äußerungen führender AfD-Leute eine neue Form des Antisemitismus sind! Das Mahnmal im Herzen Berlins als 'Mahnmal der Schande' zu bezeichnen ist inakzeptabel, die Rede von Richard von Weizäckers zum 8. Mai als eine gegen das deutsche Volk gewandte Rede zu bezeichnen ist inakzeptabel."

Die Gleichheit von Menschen - die Menschenrechte-, das ist eben keine Frage der Meinung, keine Frage, über die man diskutieren kann. Man muss sie durchsetzen - auch mit Verweigerung. Nach vielen erfolglosen Versuchen des Gesprächs und des Verständnisses haben einige nun entschieden, den Weg der klaren Abgrenzung zu gehen.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 13.06.2019 | 21:45 Uhr