Interview
"Das Silicon Valley hat ein Arschlochproblem"

Hält nicht viel von den Versprechen der Unternehmen: Blogger Sascha Lobo.
Die Umwälzung ganzer Branchen durch die sogenannte Share Economy hat gerade erst begonnen. Ausgestattet mit Milliarden von Dollar von Risikokapitalgebern breiten sich Konzerne wie der Fahrtenvermittler Uber oder die Wohnungsvermittler Airbnb in rasanter Geschwindigkeit global aus. Vordergründig stellen sie das Teilen vor das Anhäufen von Besitztümern - das ist das Motto der neuen Ökonomie des Teilens. Doch tatsächlich drohe mit ihnen ein Rückfall in den späten Manchester-Kapitalismus, warnt der Autor Sascha Lobo, Deutschlands bekanntester Digitalexperte. Die Plattformen veränderten fundamental, wie wir arbeiten.
Herr Lobo, der Fahrtenvermittler Uber und die Wohnungsplattform Airbnb sehen sich als Teil der Share Economy, die das Teilen über das Anhäufen von Besitztümern stellt. Wenden sich die Menschen vom Eigentum ab?
Der Begriff Share Economy ist ein sehr cleverer PR-Begriff, weil er etwas sehr gutes und freundliches, das Teilen, mit der Wirtschaft verbindet. Man hat den Eindruck, da würde eine Art Menschenfreundlichkeit verarbeitet. Tatsächlich geht es aber um einer sehr viel größeren Veränderung der ganzen Ökonomie. Ich nenne das Plattformkapitalismus, weil ich glaube, dass dieser Begriff der Entwicklung gerechter wird - mit Teilen hat sie nur eingeschränkt zu tun.
Wie kommen Sie auf den Begriff Plattformkapitalismus?
Es bilden sich neue Marktplätze auf Speed heraus. Diese Plattformen haben viele größere Potenziale als gewöhnliche Marktplätze: Sie funktionieren fast immer nach dem Muster, dass es nicht darum, geht der Beste in einem Spiel zu sein, sondern der Einzige. Das heißt: den Markt selbst kontrollieren zu können, um genau festlegen zu können, wer kriegt wann wo was. Airbnb und Uber mögen da die Vorzeige-Start-ups sein - tatsächlich ist es keine neue Entwicklung.
An welche Plattformen denken Sie da?
Schon Google hat mit der Suchmaschine zugleich eine Plattform geschaffen, und zwar für Werbung im Internet. Da Google den Standard für eine bestimmte Form der Internet-Werbung geschaffen hat, ist es sehr, sehr schwer neben Google zu bestehen. Man braucht ein Quasi-Monopol oder eine sehr marktbeherrschende Stellung, um einen solchen Standard zu schaffen. Davon profitiert in der Regel das Marktplatz-Unternehmen am meisten. Eine ganze Reihe anderer Leute profitieren auch. Aber die Plattform kontrolliert, wie die Geschäfte auf dem Marktplatz stattfinden und kann am meisten Honig daraus saugen.
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Warum sollten wir nicht einfach alles miteinander teilen? Unsere Wohnung, unser Auto, unser Privatleben. Im Silicon Valley bei San Francisco setzt eine ganze neue Industrie auf dieses hehre Prinzip.
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Mit unseren Smartphones sollen wir alles bestellen, alles regeln, alles organisieren können - schnell und ressourcenschonend. Ein eigenes Auto? Braucht man nicht, es gibt ja Taxi-Apps. Hotels? Lieber ein Privatzimmer über eine Plattform gebucht. Und essen gehen tut man längst nicht mehr in Restaurants.
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Boris Lauser ist Rohkostchefkoch, gibt Seminare, berät Restaurants - und bietet zuhause Dinner an - über die Plattform "Eatwith". Dass er dabei Einblick in seiner Privatssphäre gibt, stört ihn nicht ...
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"Die Leute kommen rein, sehen wo ich schlafe, sehen, was ich in meinem Badezimmer stehen habe. Für mich ist das überhaupt kein Problem, weil ich bin ein Mensch, der sehr offen, sehr freizügig ist. Es geht ums Teilen in die Richtung, dass ich z.B. einfach auch meine Privatsphäre teile", erzählt Lauser.
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Star-Ökonom Jeremy Rifkin ist von der Idee begeistert: "Wir teilen unsere Autos, unser Zuhause, unsere Kleidung, unsere Werkzeuge - mit allen Menschen und immer wieder. Das bedeutet, nichts wird mehr weggeschmissen. Mehr Menschen brauchen weniger Ressourcen. Wir schaffen einen Kreislauf. Dasist ein historischer Moment!"
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Auch Joe Gebbia, Gründer der Übernachtungsplattform Airbnb ist euphorisch: "Airbnb will dabei helfen, dass Menschen überall dazugehören. Wir meinen damit, dass Du - egal wo du in der Welt bist- hinreisen kannst und begrüßt wirst und dort jemand Dich willkommen heisst."
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Katharina Korbjuhn und Amelie Heimann betreuen in Berlin Ferienwohnungen, die über Sharing-Portale angeboten werden. Katharina erzählt: "Die Grundidee war ja, dass man andere Leute kennen lernt und privat wohnt ..."
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Mit der kurzfristigen Vermietung von Wohnungen lässt sich mehr Geld verdienen als mit langfristigen bindenden Mietverträgen. Fast ganze Häuserblöcke finden sich schon im Airbnb-Angebot wieder und werden zu Touristenhochburgen. Die Stadt Berlin hat deshalb die systematische Vermietung von ganzen Wohnungen auf Übernachtungsplattformen verboten.
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Engelbert Lütke-Daldrup vom Stadtbauamt Berlin begründet dies so: "Wir müssen als Städte verhindern, dass uns massiv Wohnraum entzogen wird. Wir reden über 10 000 Ferienwohnungen, die in aller Regel nicht zulässig sind."
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Über solche Gesetze ärgern sich die Unternehmen des Silicon Valley in ihren Luxusbüros. Die meisten Regelungen seien vorsintflutlich und kämen schlichtweg aus einer Zeit, in der es noch kein Internet gab.
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Politiker wie Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) werden geradezu erpresst: Wer in der schönen neuen Welt mitspielen will, müsse gefälligst Gesetze nach dem Gusto des neuen Marktes machen.
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Doch auch Insider wie die Datenanalystin Yvonne Hofstätter bezweifeln, dass man Regeln abschaffen muss. Sie arbeitete selbst im Silicon Valley. Ihr Eindruck: Es geht vor allem um die Abschaffung von Arbeitnehmerrechten.
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Jenn Guidry aus Boston verkauft sich über mehrere Sharing-Plattformen. Sie fährt für den Taxi-Konkurrenten Uber, erledigt für Task Rabbit Gelegenheitsjobs.
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Jenn erzählt: "Manchmal arbeite ich 30 Stunden in Zeitraum von 48 Stunden. Dann bin ich müde, aber nicht genervt - busy halt."
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Für den Digitalexperten und Blogger Sascha Lobo klingt das eher nach einer Horrorvision: "30 Stunden innerhalb von 48 Stunden zu arbeiten, das kann mal eine interessante Erfahrung sein. Es hört sich für mich aber eher an wie irgendwann im 19. Jahrhundert, im späten Manchester-Kapitalismus."
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Für Sigmar Gabriel ergibt sich daraus eine klare Aufgabe für die Politik: "Wie verhindere ich, dass Arbeit und Leben immer mehr miteinander so verwächst, dass die Arbeitszeit kein Ende mehr hat? Eigentlich ist das ein ganz erzkapitalistisches Modell, bei dem nichts anders passiert, als das der Mensch bis in seine letzte Regung verwertbar gemacht wird."
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Shannon Bitzer hat genau das erlebt: Seit einem Jahr fährt er für den Fahrdienst-Vermittler Uber. Der 25jährige verdiente gut. Doch plötzlich halbierte Uber die Rate per Meile. Er sagt: "Sie nennen uns Partner, aber das ist eine Lüge."
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Die rüden Methoden von Uber haben Fahrer wie Bitzer inzwischen ihrer Illusionen beraubt. Er glaube nicht mehr so Recht an den freien Markt, meint der junge Fahrer.
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Mittlerweile wehrt sich Bitzer mit klassischen Methoden: Andere Fahrer und er haben sich gewerkschaftlich organisiert. Gewerkschafter Joseph DeWolf Sandoval meint, die Firmen missachteten die Rechte der Arbeiter und nutzten das Sharing System nur für sich.
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Der Publizist Evgeny Morozov, ist einer der profiliertesten Kritiker des naiven Fortschrittsglaubens. Er sagt: "Für Uber und Co ist staatliche Regulierung unnötig, etwa bestimmte Lizenzen. Gesetze werden durch den Markt ersetzt. Ich weiß aber nicht, warum es für Passagiere vorteilhaft sein soll, wenn sie ihrem Fahrer nur einen Stern anstelle von fünf geben können, wenn er übermüdet in eine Wand kracht."
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Der Milliardär Peter Thiel investiert in die Sharing Economy. Er spricht der Politik die Gestaltungsfähigkeit weitgehend ab: "Natürlich denken die Politiker, dass das was sie tun, wichtig ist - und dass die Politik all die wichtigen Fragen der Gesellschaft entscheidet. Ich bin eher der Meinung, dass wir eine bessere Welt bauen, viel mehr durch die Technologie, als durch die Politik."
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Jaron Lanier, Informatiker und Internet-Pionier, glaubt, wir erleben im Moment nicht den Beginn einer neuen Welt der Gemeinnützigkeit - sondern ihr Ende: "Das hier ist eine Fake Economy. Rechte, die über Generationen erkämpft wurden, werden durch Fake Rechte ersetzt - und die nützen nur ein paar Milliardären."
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Schöne neue Welt? Oder 18 Stunden arbeiten, für sich und andere einkaufen, das Auto teilen, die Wohnung untervermiten - und keine Privatssphäre mehr haben - um halbwegs über die Runden zu kommen? Wie die Geschichte weitergeht, hängt von uns allen ab.
Neue Plattformen wie Uber verändern auch, wie wir arbeiten. Ehemalige Angestellte werden zu Mikro-Unternehmern, Plattformen wie Uber nennen sie ihre "Partner"
Das ist für mich die zentrale Entwicklung, der Kern der sogenannten Share Economy. Die Plattformen haben die Angebotsabgabe extrem vereinfacht. Uber ist ein sehr gutes Beispiel. Bislang konnten nur Taxiunternehmen Transportdienstleistungen anbieten. Nun habe ich eine Plattform, bei der jeder, der zufällig irgendwo lang fährt, mit einem Knopfdruck auf seinem Smartphone ein Angebot abgeben kann. Das führt zu einer Flut von Angeboten. Plötzlich strömen Leute auf den Markt, die keinen wirtschaftlichen Druck haben. Menschen, die einfach zufällig von A nach B fahren und sagen, ob ich da jetzt fünf Euro nehme für jemanden, der mitfährt, oder sieben oder drei ist eigentlich gar nicht so wichtig. Doch wenn die in Massen auf den Markt strömen, dann drücken sie die Preise auch für diejenigen, die unter Druck stehen zu fahren, da sie das Fahren für Uber als ihren Beruf begreifen.
- Teil 1: Herr Lobo, der Fahrtenvermittler Uber und die Wohnungsplattform Airbnb sehen sich als Teil der Share Economy, die das Teilen über das Anhäufen von Besitztümern stellt. Wenden sich die Menschen vom Eigentum ab?
- Teil 2: Wie könnte die Politik eingreifen?