Reise durch eine veränderte Republik: Teil 3

Radio: "Nach bisherigen Erkenntnissen sollen drei der Terroristen, die an den Attentaten in den USA beteiligt gewesen waren, zeitweilig in Hamburg gelebt haben. Sie stehen in Verdacht, die entführten Flugzeuge gesteuert zu haben."

Marienstraße in Hamburg-Harburg: kleinbürgerlich, langweilig. Das einzig Aufregende: Zwei der Terroristen hatten jahrelang im Haus Nr. 54 gewohnt, hier, erste Etage. Aufgesetzt wäre die Behauptung, das hätte die schon immer leere Straße und ihre Bewohner verändert, die Menschen hinter den Gardinen seien aufgewühlt. Nichts da.

Eine junge Frau: "Also ich hab' jetzt keine Veränderungen gemerkt bei den Leuten. Man hat drüber gesprochen, aber dass jetzt irgendwo jemand sagen würde: Da hat sich was verändert, oder das empfinden würde, wüsste ich jetzt nicht."

Ein anderer: "Drei Tage lang stand da so'n Fernsehauto mit laufendem Motor vor meinem Schlafzimmerfenster."

Ein paar Tage Aufregung wegen des Medienrummels vor Haus 54 - das war's. "Ja, bisschen genervt war ich schon", regt sich einer auf.

Ein anderer Anwohner: "Dieses angebliche näher Zusammenrücken, das empfinde ich nicht so. Das habe ich also bei der sogenannten Schneekatastrophe vor einigen Jahren deutlicher empfunden. Das ist doch etwas weiter weg für uns."

Der Tante-Emma-Laden an der Ecke, gegenüber von Haus 54. Letzte Woche hätten alle darüber geredet, aber jetzt sei alles wieder normal, meldet auch die resolute Besitzerin. Nur ein paar Alte, die machten sich noch Sorgen. Aber konstant geblieben sei der Umsatz mit Lotto, Magenbitter und Schokopralinen.

Die Ladenbesitzerin: "Es ist eigentlich wieder Alltag eingekehrt. Es sind noch mal so ein paar Neugierige, die kommen, die denn hier stehen und rübergucken und sagen: da. Und die Autofahrer, die schwenken denn auch so ein bisschen nach links, gucken. Mein Geschäft hat darunter nicht gelitten, muss ich dazu sagen."

Viele Ausländer leben in der Marienstraße, wie überall in Harburg. Dass unter denen nun auch zwei Terroristen waren - jeder nimmt es, wie er es nehmen will - eine Frage der Perspektive.

Der feinsinnige Arzt in der Marienstraße, Herr Dr. Michael Bock, sieht seine deutschen Patienten politisch sehr korrekt: "Es war für mich nicht erkennbar, dass sie sich durch zum Beispiel hier lebende Türken oder arabisch möglicherweise aussehende ausländische Mitbürger nun etwa bedroht fühlten. Das nicht, im Gegenteil."

Schuster Heinz Riek, drei Eingänge weiter, im Parterre des Hauses und der Gefühle. Er hatte hingegen schon immer so einen Verdacht. Doch, doch, in der Harburger Marienstraße habe sich jetzt was geändert: "Einige Ausländer, die immer ein bisschen sehr frech waren und erhaben waren, dass diese Ausländer ein bisschen schweigsamer sind und ein bisschen geduckter gehen. Nicht mehr dieses freche Auftreten, wie es vorher war. Sie halten sich zurück."

Das Marien-Eck, ganz unten, am Ende der Straße. Jeden Nachmittag kommen sie hier zusammen. Am Tresen Stammtisch-Strategie und Reiseerinnerungen. Ein Kneipenbesucher: "War ein bisschen zu hart, was da passiert ist. Und da muss man konkret und voll zuschlagen - und gezielt, sehr gezielt."

Ein anderer: "Es wäre Idiotie, wenn jetzt ein dritter Weltkrieg angefangen wird, wo nicht genau raus ist, wer das gewesen ist. Es muss jetzt erst mal bewiesen werden, wer das gewesen ist."

Ein weiterer Kneipenbesucher erinnert sich: "Ich war 1988 ja selber mal in New York, aber ich war nie auf diese Gebäude, weil ich - ich hab' mir das von unten mal angeguckt, und das Gedrängele da drin, da hab' ich gesagt: Nee, Dicker, bleib' man lieber hier unten. Und wie ich das jetzt, hab' ich zu Hause meine Postkarten und so - ich hab' ja auch 'ne Karte von New York, hab' ich mir das selber mal angeguckt. Und nun sind die Häuser wirklich weg, weg."

Info-Radio 93,1 - Nachrichten: "Berlin - Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Cem Özdemir, hat Vorschläge zum Abbau des Datenschutzes kritisiert. Özdemir warnte vor einem Pauschalverdacht gegenüber Asylsuchenden und forderte, die freiheitliche Grundordnung jetzt nicht aufs Spiel zu setzen."

Cem Özdemir hat im Plenarsaal von den Attentaten erfahren. Seitdem hat sich für den innenpolitischen Sprecher der Grünen vieles verändert. Ein muslimischer Pazifist muss sich neu orientieren:

"Ich glaube, dass wir aus dem 11.9. neben vielen, vielen Lektionen eine Lektion auch lernen müssen, dass man Schlangenbrut nicht kontrollieren kann. Schlangenbrut bleibt Schlangenbrut. Man kann sie nicht domestizieren. Dieser Versuch ist offensichtlich gescheitert. Das heißt, wir müssen künftig auch drauf achten, auch im Umgang mit der arabischen, mit der islamischen Welt, dass wir die Maßstäbe, die wir in unserer Gesellschaft ansetzen - Demokratie, Menschenrechte -, dass sie auch in anderen Ländern Gültigkeit haben."

Schöne grüne Visionen hören sich in der Theorie gut und vor allem friedlich an. Aber auch Cem Özdemir weiß: Rot-Grün hat den Amerikanern auch militärische Hilfe aus Deutschland zugesagt:

"Ich glaube, man wäre unehrlich, wenn man das zum gegenwärtigen Zeitpunkt ausschließt. Wir müssen allerdings gleichzeitig auch darauf hinweisen - und da bin ich froh, dass der Kanzler das gemacht hat -, Abenteurertum können wir nicht machen. Es geht jetzt darum, dass man den kühlen Kopf bewahrt und die Nerven nicht verliert."

Keine leichte Aufgabe in dieser aufgeheizten Stimmung. Denn auch Özdemir persönlich wird beschimpft und angefeindet. Täglich bekommt er Mails wie diese: Was in den USA passiert ist, dass bringen nur Muslime fertig - die miese türkische Ratte, deine Zeit ist abgelaufen - deine letzte Stunde ist angebrochen, fürchterlich wird auch für dich das Erwachen. Geschockt war er schon, aber das allein hilft nicht weiter.

Özdemir: "Nur wenn wir den bin Laden in uns selber auch besiegen, das heißt: die Pauschalisierung im Blick auf andere Religionen, auf andere Kulturen, die Generalisierung von dem einzelnen Erlebnis, das man möglicherweise gehabt hat oder von dem man gehört hat, auf alle zu schließen - nur wenn wir das abschaffen und begreifen, dass wir es mit Individuen zu tun haben, die gut oder böse sein können, die Schlechtes tun können oder Richtiges tun können, nur dann, glaube ich, haben wir einen zivilisatorischen Fortschritt errungen."

Hat er Angst vor Krieg?

"Ich hab' genauso Angst vor Krieg wie Sie und wie jeder andere auch", so Özdemir, "und hoffe, dass es keinen Krieg geben wird. Ich hoffe, dass wir in der Lage sein werden, diese Täter schnell zu finden und einer gerechten Strafe zuzuführen."

Radio: "Die zwei großen christlichen Kirchen in Deutschland haben davor gewarnt, den Islam pauschal für die Terroranschläge in den USA verantwortlich zu machen. Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Lehmann, erklärte in seiner Predigt, es gelte nun, nicht in Hass und Gegengewalt zu verharren, sondern sich weiter für den Frieden einzusetzen."

Frankfurt, mitten im Bankenviertel: Zwischen den Hochhaustürmen ruht die altehrwürdige Katharinen-Kirche. Auf den Terrorangriff reagiert man hier mit Andacht und Gebeten. Pfarrer Christoph Stoot hat seine Kirche bis tief in die Nacht geöffnet. Und es kommen viele Menschen dieser Tage, erzählt er. Am Anfang waren es sogar mehrere Hundert. Mit vielen hat er gesprochen, und einige Begegnungen haben ihn tief berührt.

"Eine alte verwirrte Frau, die mich bei der Hand nahm, und wir sind dann zusammen durch den Mittelgang zurückgegangen", erzählt Pfarrer Christoph Stoot. "Dort ist ein Bild der Katharinen-Kirche aus dem Jahr 1945 in zerstörtem Zustand - unsere Kirche war damals stark zerstört. Dann guckte sie mich an, und die Tränen liefen ihr runter, und sie sagte: Das hätte ich nie gedacht, dass so etwas Schlimmes wiederkommt."

Andere kommen, um Angst und Trauer aufzuschreiben. Schon hunderte Eintragungen, auch auf Arabisch, stehen im Kondolenzbuch. Gottesdienst in St. Katharinen, zur Zeit jeden Tag um kurz vor 6. Es kommen Menschen, die in Ruhe trauern wollen, erzählt Pfarrer Stoot - auch Banker, die den Tod von Freunden in Amerika beklagen, oder andere, die einfach Trost in der Gemeinschaft suchen.

Die Frauen der Gemeinde erzählen von ihren Gefühlen:

"Ich habe Angst um meine Kinder, ich hab' zwei Kinder. Ich hab' die nicht in die Welt gesetzt, damit das Leben für sie noch schwerer wird, als es im Moment schon ist."

"Es ist ganz fürchterlich, ein ganz fürchterliches Gefühl, das ich nicht beschreiben kann."

"Also ich hab' auch mal ein Jahr in Amerika gewohnt, in Albany, und - also ich bin im Moment auch ein bisschen durcheinander: Also mein Freund ist in der Army, und er ist natürlich völlig davon überzeugt, dass sie den Terrorismus jetzt platt machen, da kann man mit ihm auch gar nicht reden. Und ich denke auch, dass die Demonstrationen nicht viel bringen, weil einfach Amerika davon überzeugt ist, dass .... - naja."

Hat sie Angst vor einem Krieg?

"Also ich will einfach meinen Freund nicht verlieren, nur weil die politisch nicht taktvoll sind." Aus Traurigkeit wird langsam Trotz. In den nächsten Tagen wird die Kirchengemeinde auf die Straße gehen, demonstrieren gegen den Krieg.

Radio: "Nach bisherigen Erkenntnissen sollen drei der Terroristen, die an den Attentaten in den USA beteiligt gewesen waren, zeitweilig in Hamburg gelebt haben. Sie stehen in Verdacht, die entführten Flugzeuge gesteuert zu haben."

Marienstraße in Hamburg-Harburg: kleinbürgerlich, langweilig. Das einzig Aufregende: Zwei der Terroristen hatten jahrelang im Haus Nr. 54 gewohnt, hier, erste Etage. Aufgesetzt wäre die Behauptung, das hätte die schon immer leere Straße und ihre Bewohner verändert, die Menschen hinter den Gardinen seien aufgewühlt. Nichts da.

Eine junge Frau: "Also ich hab' jetzt keine Veränderungen gemerkt bei den Leuten. Man hat drüber gesprochen, aber dass jetzt irgendwo jemand sagen würde: Da hat sich was verändert, oder das empfinden würde, wüsste ich jetzt nicht."

Ein anderer: "Drei Tage lang stand da so'n Fernsehauto mit laufendem Motor vor meinem Schlafzimmerfenster."

Ein paar Tage Aufregung wegen des Medienrummels vor Haus 54 - das war's. "Ja, bisschen genervt war ich schon", regt sich einer auf.

Ein anderer Anwohner: "Dieses angebliche näher Zusammenrücken, das empfinde ich nicht so. Das habe ich also bei der sogenannten Schneekatastrophe vor einigen Jahren deutlicher empfunden. Das ist doch etwas weiter weg für uns."

Der Tante-Emma-Laden an der Ecke, gegenüber von Haus 54. Letzte Woche hätten alle darüber geredet, aber jetzt sei alles wieder normal, meldet auch die resolute Besitzerin. Nur ein paar Alte, die machten sich noch Sorgen. Aber konstant geblieben sei der Umsatz mit Lotto, Magenbitter und Schokopralinen.

Die Ladenbesitzerin: "Es ist eigentlich wieder Alltag eingekehrt. Es sind noch mal so ein paar Neugierige, die kommen, die denn hier stehen und rübergucken und sagen: da. Und die Autofahrer, die schwenken denn auch so ein bisschen nach links, gucken. Mein Geschäft hat darunter nicht gelitten, muss ich dazu sagen."

Viele Ausländer leben in der Marienstraße, wie überall in Harburg. Dass unter denen nun auch zwei Terroristen waren - jeder nimmt es, wie er es nehmen will - eine Frage der Perspektive.

Der feinsinnige Arzt in der Marienstraße, Herr Dr. Michael Bock, sieht seine deutschen Patienten politisch sehr korrekt: "Es war für mich nicht erkennbar, dass sie sich durch zum Beispiel hier lebende Türken oder arabisch möglicherweise aussehende ausländische Mitbürger nun etwa bedroht fühlten. Das nicht, im Gegenteil."

Schuster Heinz Riek, drei Eingänge weiter, im Parterre des Hauses und der Gefühle. Er hatte hingegen schon immer so einen Verdacht. Doch, doch, in der Harburger Marienstraße habe sich jetzt was geändert: "Einige Ausländer, die immer ein bisschen sehr frech waren und erhaben waren, dass diese Ausländer ein bisschen schweigsamer sind und ein bisschen geduckter gehen. Nicht mehr dieses freche Auftreten, wie es vorher war. Sie halten sich zurück."

Das Marien-Eck, ganz unten, am Ende der Straße. Jeden Nachmittag kommen sie hier zusammen. Am Tresen Stammtisch-Strategie und Reiseerinnerungen. Ein Kneipenbesucher: "War ein bisschen zu hart, was da passiert ist. Und da muss man konkret und voll zuschlagen - und gezielt, sehr gezielt."

Ein anderer: "Es wäre Idiotie, wenn jetzt ein dritter Weltkrieg angefangen wird, wo nicht genau raus ist, wer das gewesen ist. Es muss jetzt erst mal bewiesen werden, wer das gewesen ist."

Ein weiterer Kneipenbesucher erinnert sich: "Ich war 1988 ja selber mal in New York, aber ich war nie auf diese Gebäude, weil ich - ich hab' mir das von unten mal angeguckt, und das Gedrängele da drin, da hab' ich gesagt: Nee, Dicker, bleib' man lieber hier unten. Und wie ich das jetzt, hab' ich zu Hause meine Postkarten und so - ich hab' ja auch 'ne Karte von New York, hab' ich mir das selber mal angeguckt. Und nun sind die Häuser wirklich weg, weg."

Info-Radio 93,1 - Nachrichten: "Berlin - Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Cem Özdemir, hat Vorschläge zum Abbau des Datenschutzes kritisiert. Özdemir warnte vor einem Pauschalverdacht gegenüber Asylsuchenden und forderte, die freiheitliche Grundordnung jetzt nicht aufs Spiel zu setzen."

Cem Özdemir hat im Plenarsaal von den Attentaten erfahren. Seitdem hat sich für den innenpolitischen Sprecher der Grünen vieles verändert. Ein muslimischer Pazifist muss sich neu orientieren:

"Ich glaube, dass wir aus dem 11.9. neben vielen, vielen Lektionen eine Lektion auch lernen müssen, dass man Schlangenbrut nicht kontrollieren kann. Schlangenbrut bleibt Schlangenbrut. Man kann sie nicht domestizieren. Dieser Versuch ist offensichtlich gescheitert. Das heißt, wir müssen künftig auch drauf achten, auch im Umgang mit der arabischen, mit der islamischen Welt, dass wir die Maßstäbe, die wir in unserer Gesellschaft ansetzen - Demokratie, Menschenrechte -, dass sie auch in anderen Ländern Gültigkeit haben."

Schöne grüne Visionen hören sich in der Theorie gut und vor allem friedlich an. Aber auch Cem Özdemir weiß: Rot-Grün hat den Amerikanern auch militärische Hilfe aus Deutschland zugesagt:

"Ich glaube, man wäre unehrlich, wenn man das zum gegenwärtigen Zeitpunkt ausschließt. Wir müssen allerdings gleichzeitig auch darauf hinweisen - und da bin ich froh, dass der Kanzler das gemacht hat -, Abenteurertum können wir nicht machen. Es geht jetzt darum, dass man den kühlen Kopf bewahrt und die Nerven nicht verliert."

Keine leichte Aufgabe in dieser aufgeheizten Stimmung. Denn auch Özdemir persönlich wird beschimpft und angefeindet. Täglich bekommt er Mails wie diese: Was in den USA passiert ist, dass bringen nur Muslime fertig - die miese türkische Ratte, deine Zeit ist abgelaufen - deine letzte Stunde ist angebrochen, fürchterlich wird auch für dich das Erwachen. Geschockt war er schon, aber das allein hilft nicht weiter.

Özdemir: "Nur wenn wir den bin Laden in uns selber auch besiegen, das heißt: die Pauschalisierung im Blick auf andere Religionen, auf andere Kulturen, die Generalisierung von dem einzelnen Erlebnis, das man möglicherweise gehabt hat oder von dem man gehört hat, auf alle zu schließen - nur wenn wir das abschaffen und begreifen, dass wir es mit Individuen zu tun haben, die gut oder böse sein können, die Schlechtes tun können oder Richtiges tun können, nur dann, glaube ich, haben wir einen zivilisatorischen Fortschritt errungen."

Hat er Angst vor Krieg?

"Ich hab' genauso Angst vor Krieg wie Sie und wie jeder andere auch", so Özdemir, "und hoffe, dass es keinen Krieg geben wird. Ich hoffe, dass wir in der Lage sein werden, diese Täter schnell zu finden und einer gerechten Strafe zuzuführen."

Radio: "Die zwei großen christlichen Kirchen in Deutschland haben davor gewarnt, den Islam pauschal für die Terroranschläge in den USA verantwortlich zu machen. Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Lehmann, erklärte in seiner Predigt, es gelte nun, nicht in Hass und Gegengewalt zu verharren, sondern sich weiter für den Frieden einzusetzen."

Frankfurt, mitten im Bankenviertel: Zwischen den Hochhaustürmen ruht die altehrwürdige Katharinen-Kirche. Auf den Terrorangriff reagiert man hier mit Andacht und Gebeten. Pfarrer Christoph Stoot hat seine Kirche bis tief in die Nacht geöffnet. Und es kommen viele Menschen dieser Tage, erzählt er. Am Anfang waren es sogar mehrere Hundert. Mit vielen hat er gesprochen, und einige Begegnungen haben ihn tief berührt.

"Eine alte verwirrte Frau, die mich bei der Hand nahm, und wir sind dann zusammen durch den Mittelgang zurückgegangen", erzählt Pfarrer Christoph Stoot. "Dort ist ein Bild der Katharinen-Kirche aus dem Jahr 1945 in zerstörtem Zustand - unsere Kirche war damals stark zerstört. Dann guckte sie mich an, und die Tränen liefen ihr runter, und sie sagte: Das hätte ich nie gedacht, dass so etwas Schlimmes wiederkommt."

Andere kommen, um Angst und Trauer aufzuschreiben. Schon hunderte Eintragungen, auch auf Arabisch, stehen im Kondolenzbuch. Gottesdienst in St. Katharinen, zur Zeit jeden Tag um kurz vor 6. Es kommen Menschen, die in Ruhe trauern wollen, erzählt Pfarrer Stoot - auch Banker, die den Tod von Freunden in Amerika beklagen, oder andere, die einfach Trost in der Gemeinschaft suchen.

Die Frauen der Gemeinde erzählen von ihren Gefühlen:

"Ich habe Angst um meine Kinder, ich hab' zwei Kinder. Ich hab' die nicht in die Welt gesetzt, damit das Leben für sie noch schwerer wird, als es im Moment schon ist."

"Es ist ganz fürchterlich, ein ganz fürchterliches Gefühl, das ich nicht beschreiben kann."

"Also ich hab' auch mal ein Jahr in Amerika gewohnt, in Albany, und - also ich bin im Moment auch ein bisschen durcheinander: Also mein Freund ist in der Army, und er ist natürlich völlig davon überzeugt, dass sie den Terrorismus jetzt platt machen, da kann man mit ihm auch gar nicht reden. Und ich denke auch, dass die Demonstrationen nicht viel bringen, weil einfach Amerika davon überzeugt ist, dass .... - naja."

Hat sie Angst vor einem Krieg?

"Also ich will einfach meinen Freund nicht verlieren, nur weil die politisch nicht taktvoll sind." Aus Traurigkeit wird langsam Trotz. In den nächsten Tagen wird die Kirchengemeinde auf die Straße gehen, demonstrieren gegen den Krieg.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 20.09.2001 | 21:45 Uhr