Die Bauern und ihr Minister

von Oda Lambrecht

Ob er aber den Einsatz neuer Gentechnik erleichtern will, bleibt weiter unklar. Auch sehr umstritten: Glyphosat. Kritiker sagen, das Mittel schade der Artenvielfalt. Doch die EU hat das umstrittene Pestizid gerade erst weiter erlaubt. Bei Landwirt Barkmann steht die Glyphosatspritze zwar Im Winter in der Scheune, doch grundsätzlich wünscht er sich, dass Mittel weiter einzusetzen.

O-Ton Bernhard Barkmann, Landwirt: "Glyphosat ist ein Herbizid, ein Totalherbizid. Das setze ich ein in der Regel nach der Getreideernte, um dann die Problemunkräuter – bei uns ist es dann die Quecke – zu bekämpfen."

Ohne Spritzmittel müsste er das Unkraut mit dem Pflug beseitigen. Doch das Bodenumgraben setze klimaschädliches CO2 frei. Für Bio-Landwirtin Sophie Kraul dagegen kommt Glyphosat nicht in Frage. Auch wenn das herausfordernd sei, nutze sie weder Pflug, noch Pestizide.

O-Ton Sophie Kraul, Landwirtin: "Für mich gehört zu einem gesunden Boden auch ein gesunder Bewuchs. Und ich glaube nicht, dass das übereinkommt, wenn ich die Pflanzen, die über der Erde wachsen, abtöte, um danach dort gesunde Pflanzen anzubauen. Das liegt außerhalb von dem, was ich für richtig halte."

Deutschland hatte sich bei der EU-Entscheidung zu Glyphosat enthalten. Denn die Grünen waren für ein Verbot, die FDP dagegen. Landwirtin Sophie Kraul ist enttäuscht. 

O-Ton Sophie Kraul, Landwirtin: "Ich kann verstehen, dass man in einer Koalition nicht immer nur seinen Willen durchsetzt, aber wenn man zumindest versucht, da klar Position zu beziehen, und ich finde, ein grüner Landwirtschaftsminister, der Glyphosat weiter zulässt, das ist ein Widerspruch in sich."

O-Ton Cem Özdemir, Bündnis 90/Die Grünen, Bundeslandwirtschaftsminister: "Ich habe Studien, die sagen, es schädigt die Artenvielfalt. Es ist ein Totalherbizid. Und es gibt andere, die von der FDP, die sagen, aber die europäische höchste Agentur, die EFSA, sieht das nicht so, also verstehen sie, beide haben recht, Es gibt manchmal solche Situationen und darum ist die Konsequenz, wenn man sich in der Koalition nicht einigen kann, eine Enthaltung."

Wissenschaftler halten den Streit um ein einzelnes Mittel wie Glyphosat für eine Scheindebatte und fordern eine langsame Reduktion aller chemischen Pflanzenschutzmittel. Nächstes Streitthema: Tierhaltung und Fleischverzehr. Aus Sicht der Wissenschaft ist klar, die Zahl der Nutztiere muss reduziert werden.

O-Ton Prof. Dr. Matin Qaim, Agrarforscher Universität Bonn: "Weil die Tierhaltung einfach für supergroße Emissionen von Treibhausgasen verantwortlich ist, aber auch für hohen Landverbrauch aufgrund der Futterproduktion auf, also verantwortlich auch für hohe Überdüngung, Nährstoffüberschüsse durch das Futter. Also müssten wir die Tierhaltung reduzieren."

Dafür sei es nötig, weniger tierische Produkte zu essen und deshalb zum Beispiel die Mehrwertsteuer auf Fleisch nicht weiter niedrig zu halten.

O-Ton Panorama: "Zu viel Fleisch ist klimaschädlich. Warum macht die Politik Fleisch immer noch künstlich günstiger durch den reduzierten Mehrwertsteuersatz?"

O-Ton Cem Özdemir, Bündnis 90/Die Grünen, Bundeslandwirtschaftsminister: "Weil es keine politische Mehrheit dafür gibt, das zu ändern. Also ich wäre auch dagegen, dass man es einfach nur erhöht. Oder den regulären Mehrwertsteuersatz ohne Lenkungswirkung. Aber wenn wir das Geld einnehmen, würde man das Reinvestieren in den Umbau der Tierhaltung, also in andere Ställe, Außenklimaställe, Ställe, wo die Tiere raus können, mit weniger Tieren mehr Platz geben, dann wäre es ein sehr sinnvolles Investment."

Nicht ausgeschlossen, dass in diese Debatte durch die Proteste noch einmal Bewegung kommt. Der Fleischkonsum ist zwar etwas zurückgegangen, doch wie bei vielen in Deutschland steht auch bei Familie Barkmann meistens Fleisch auf dem Tisch. Auch für den Klimaschutz möchte der Schweinemäster nicht darauf verzichten.

O-Ton Bernhard Barkmann, Landwirt: "Da geh ich jetzt nicht unbedingt so mit, ein übermäßigen Fleischkonsum dafür steh ich jetzt auch nicht unbedingt. Es ist aber schon so, dass von sieben Tagen in der Woche an sechs Tagen Fleisch bei uns beim Mittag auf den Tisch kommt. Das muss ja nicht immer der Sonntagsbraten sein jeden Tag, da ist dann sonntags der Braten da oder das Filet und an den anderen Tagen kann man andere Fleischstück essen."

Ein Politiker, der die Klimaschutz-Empfehlungen zum Fleisch umsetzt, hätte es bei diesem Thema wohl tatsächlich schwer. Sicher steht der Bundeslandwirtschaftsminister von vielen Seiten unter Druck. Und die Rahmenbedingungen sind nicht einfach.

O-Ton Cem Özdemir, Bündnis 90/Die Grünen, Bundeslandwirtschaftsminister: "Die größte Herausforderung gerade ist, mit wenig Geld, mit dem Krieg in der Ukraine und mit einer Veränderungsmüdigkeit in der Gesellschaft und mit einer Polarisierung Stadt gegen Land, Ost, West, trotzdem Veränderung zu machen, weil die Notwendigkeit nimmt ja nicht ab."

O-Ton Prof. Dr. Matin Qaim, Agrarforscher Universität Bonn: "Nicht alles wird populär sein. Aber das Wichtigste ist ja nicht, dass es populär ist, sondern dass man auch eine Planungssicherheit hat."

"Nicht populär." Ob das für den Minister verlockend klingt? Die Landwirtschaft jedenfalls, wartet auf klare Worte und Planungssicherheit.

Bericht: Oda Lambrecht
Kamera: Andrzej Król
Schnitt: Carina Mai

Abmoderation Anja Reschke: "Im Prinzip steht Cem Özdemir für vieles, was gerade geschieht. Alle wissen, dass sich etwas ändern muss, wir haben zu lange gewartet mit dem Klimaschutz. Wenn aber versucht wird, etwas zu ändern, was wie jede Änderung erstmal zu Unmut, zu Wut führt, fischen das die Rechtspopulistischen Kräfte ab. Und das wird dann wieder benutzt wird, um den Handelnden vorzuwerfen, sie treibe die Wähler in die Arme der AfD. Und dann handelt eigentlich keiner mehr."

  • Teil 1:
  • Teil 2: O-Ton Cem Özdemir, Bündnis 90/Die Grünen, Bundeslandwirtschaftsminister: "Ich möchte erst mal Wahlfreiheit. Und ich habe ein bisschen ein Problem damit, wenn der Staat glaubt, die Bevölkerung erziehen zu müssen. Da haben wir ja gerade auch Diskussionen in der Politik gesehen, deshalb setze ich mich für eine Koexistenz ein. Wer bei uns sagt, er möchte gentechnikfrei oder sie möchte gentechnikfrei essen, hat auch das Recht dazu."

Dieses Thema im Programm:

Das Erste 18.01.2024 | 21:45 Uhr