Die Bauern und ihr Minister

von Oda Lambrecht

Panorama v. 18.01.2024

Anmoderation Anja Reschke: "Herzlich willkommen bei Panorama. Ich bin für euch alle da. Das ist die Botschaft, die Cem Özdemir gerne aussendet. Alle Bauern, ob Öko ob konventionell, ob großer Hof oder kleiner, ob im Norden oder im Süden, ich kümmere mich um euch alle. Vor zwei Jahren ist Cem Özdemir als Landwirtschaftsminister angetreten. Ein Grüner! Gott sei Dank – haben die einen gesagt - Oh Gott - die anderen. Die, die grüner Politik und zu vielen schnellen Veränderungen grundsätzlich kritisch gegenüberstehen. Und dagegen die, die schon lange ungeduldig warten, dass die Politik endlich eine Agrarwende einleitet, auf Klima- und Tierschutz setzt. Das sind sie, die alle, für die der Landwirtschaftsminister gleichermaßen da sein will. Ziemlich schwierige Mission. Wie ist sie ihm gelungen in den letzten 2 Jahren? Die Wut ist ja groß. Was hat er denn nun gemacht? Oda Lambrecht." 

Das Bundeslandwirtschaftsministerium in Berlin. Hier sitzt der Mann der Bundesregierung, den die Bauern gerade ziemlich unter Druck setzen. Cem Özdemir vertritt eine Partei, die Klimaschutz und Ökologie verspricht und damit den Bauern viel abverlangt.

O-Ton Cem Özdemir, Bündnis 90/Die Grünen, Bundeslandwirtschaftsminister: "Der dramatische Artenverlust, den kann man ja jetzt nicht einfach wegdiskutieren. Die Klimakrise schreitet voran, und gleichzeitig ist klar, müssen wir die Landwirtschaft an diese Herausforderungen anpassen."

Doch was hat er tatsächlich erreicht? Und führt vielleicht auch seine Politik zu dem Frust der Landwirte? Schweineverladen auf dem Hof von Bernhard Barkmann. Hier im Westen Niedersachsens bewirtschaftet der Landwirt einen konventionellen Familienbetrieb.

O-Ton Bernhard Barkmann, Landwirt: "Wir haben eine intensive Tierhaltung auf unserem Hof, einmal Schweinemast und auch Bullenmast mit relativ wenig Acker."

Seine Tiere hält er im Stall - auf Betonboden ohne Auslauf, so wie die große Mehrheit der Schweinehalter in Deutschland. 

O-Ton Bernhard Barkmann, Landwirt: "Die Schweinehaltung, die ist natürlich auf Kosteneffizienz ausgelegt, dass man hier wirklich zu niedrigen Kosten Schweine erzeugen kann." 

Landwirt Barkmann ist Mitglied der CDU. Was denkt er über den grünen Landwirtschaftsminister Cem Özdemir?

O-Ton Bernhard Barkmann, Landwirt: "Ich wünsche mir von ihm, dass er die, den Nebel, der in der Zukunft liegt, dass er den lichtet und für mehr Klarheit sorgt, damit wir uns darauf einstellen können, wie es in der Zukunft weitergehen soll."

Der Landwirt verbindet mit dem grünen Minister vor allem Unsicherheit. Und er fürchtet, Özdemir unterstütze vor allem Bio-Höfe. So, wie etwa den Betrieb von Sophie Kraul. Die Bio-Landwirtin hält ihre Legehennen nach den strengen Regeln des Ökoverbandes Demeter. 

O-Ton Sophie Kraul, Landwirtin: "Was auf jeden Fall uns unterscheidet, was bei uns verpflichtend einfach ist, dass die Tiere rausgehen. Jedes Tier hat Auslauf vom ersten Tag."

Doch Bio heißt nicht nur, dass ihre Tiere raus können. Sophie Kraul baut das Getreide für ihr Futter selbst an. Den Dünger dafür liefern ihre Tiere.

O-Ton Sophie Kraul, Landwirtin: "Das zentrale Versprechen, wenn der Verbraucher ein Bio-Produkt kauft, ist, dass das, was er isst, aus dem natürlichen Kreislauf kommt, und dass alles, was wir einsetzen an Pflanzenschutz oder an Futtermitteln aus dem natürlichen Kreislauf auch kommt."

Sie hatte gehofft, ein grüner Minister mache die Bio-Landwirtschaft stark. Doch bisher vermisst sie klare Worte. 

O-Ton Sophie Kraul, Landwirtin: "Von nem grünen Landwirtschaftsminister erwarte ich ein klares Statement pro Biolandwirtschaft. Es ist die Methode, die wir haben, um nachhaltig und zukünftig diese Welt weiter bewirtschaften zu können als Landwirte."

Parteitag der Grünen im November. Auch Schweinemäster Bernhard Barkmann ist nach Karlsruhe gereist. Ausgerechnet hier bei den Grünen möchte er für die konventionelle Tierhaltung werben. Wird sich der Bundeslandwirtschaftsminister hier für Bio stark machen? Bernhard Barkmann hat Glück, trifft Cem Özdemir am Lobbystand des Deutschen Bauernverbandes. 

O-Ton Bernhard Barkmann, Landwirt: "Ich bin konventioneller Landwirt möchte ich diese nicht favorisierte Form der Landwirtschaft den Grünen näherbringen, meine Perspektive hier reinzubringen."

O-Ton Cem Özdemir, Bündnis 90/Die Grünen, Bundeslandwirtschaftsminister: "Das würde ich nicht zwingend sagen, nicht favorisiert, ich mein, dass wir den Ökolandbau fördern, ist ja bekannt, aber das heißt ja nicht, dass wir die konventionelle Landwirtschaft nicht auch im Blick haben, Zukunftsperspektive und nachhaltiger aufgestellt wird. Das ist ja kein Widerspruch."

Ökolandbau fördern, gleichzeitig die konventionelle Landwirtschaft im Blick haben. Özdemir vermeidet den Konflikt, möchte offensichtlich niemanden vor den Kopf stoßen. Wofür steht der Bundeslandwirtschaftsminister nun? Konventionell oder Bio?

O-Ton Cem Özdemir, Bündnis 90/Die Grünen, Bundeslandwirtschaftsminister: "Ich bin nicht der Landwirtschaftsminister der Großen, der Kleinen, Ost, West, Nord, Süd, Konventionell, Bio, Tierhalter, Nicht-Tierhalter, sondern von allen erst Mal. Und natürlich ist klar, unser Leitbild ist Bio, aber das sehe ich nicht als Gegensatz. Es gibt ja viele Dinge aus Bio, die längst Eingang gefunden haben in die konventionelle Landwirtschaft."

Landwirtschaftsminister von allen also. Am liebsten scheint Cem Özdemir die Landwirtschaft sowieso einfach nur zu loben.

O-Ton Cem Özdemir, Bündnis 90/Die Grünen, Bundeslandwirtschaftsminister (08.11.2023): "Die Landwirtschaft ist systemrelevant. Sie ist existenzieller Sektor für uns alle. Das ist vielleicht auch mal eine gute Gelegenheit, dass nicht nur der Landwirtschaftsminister, sondern dass sich das gesamte Kabinett der Bundesregierung hinter die deutsche Landwirtschaft stellt und danke sagt an die Landwirtinnen und Landwirte."

Doch statt Lob fordern viele Landwirtinnen und Landwirte vor allem ein auskömmliches Einkommen. Kurz vor Weihnachten protestieren das erste Mal Hunderte gegen die Bundesregierung. Sie wollen nicht hinnehmen, dass ihnen Vergünstigen beim Agrardiesel und bei der KFZ-Steuer gestrichen werden. Die Kürzungen sollen das Klima schützen. Doch der grüne Minister stellt sich dennoch hinter die Bauern.

O-Ton Cem Özdemir, Bündnis 90/Die Grünen, Bundeslandwirtschaftsminister: "Ich halte nichts von den Streichungen in diesem Umfang, und ich habe auch früher nichts davon gehalten. Im Gegenteil: Ich habe in der Bundesregierung davor gewarnt, Agrardiesel und die Kfz-Steuerregeln abzuschaffen, und an dieser Auffassung hat sich bei mir nichts geändert."

Trotz dieser Solidaritätsbekundung kommt der grüne Minister hier nicht gut an.

O-Töne Demonstranten: "Wir sind heute hier, weil wir total unzufrieden sind mit der Politik." "Ich finde die Politik von Herrn Cem Özdemir ist ziemlich fehlgeleitet und nicht mehr praxisnah." "Das ist n grüner Minister, dass das nicht immer nur so harmonisiert mit der Landwirtschaft ist kein Geheimnis."

Auch Bernhard Barkmann ärgern die geplanten Kürzungen.

O-Ton Bernhard Barkmann, Landwirt: "Natürlich find ich das blöd, letztendlich sollen wir immer steigende gesellschaftliche und politische Anforderungen erfüllen, die schwer bezahlt werden, und jetzt wird auch noch unser Geld gekürzt, und irgendwo kneift es dann."

Wenn er also für mehr für Tier- und Umweltschutz sorgen soll, dann kostet das Geld. Und genau das fehle bisher. Doch Cem Özdemir argumentiert, gerade für die Schweinehalter habe er bereits Geld für bessere Ställe organisiert.

O-Ton Cem Özdemir, Bündnis 90/Die Grünen, Bundeslandwirtschaftsminister: "Da habe ich eine Milliarde und damit mehr Geld wie meine Vorgänger zusammen. Aber ich würde es gerne von der Schweinehaltung ausdehnen auf alle Nutztierarten. Da kämpfe ich gerade in der Koalition, dass es dafür Geld gibt."

Doch die Branche kritisiert, bisher sei das viel zu wenig, um die Tierhaltung ernsthaft nachhaltiger aufzustellen. Ein weiteres heikles Thema für Özdemir: der Streit um neue Gentechnik. Soll hier weiter streng reguliert werden, oder sollen die Vorschriften gelockert werden? Bio-Landwirtin Sophie Kraul für strenge Regulierung, denn sie setzt auf Gentechnik freies Futter für ihre Tiere. 

O-Ton Sophie Kraul, Landwirtin: "94% der Verbraucher in Deutschland wollen keine Gentechnik auf dem Teller haben, deswegen ist es mir wichtig, das auch liefern zu können und das auch sicherstellen zu können, deswegen möchten wir auch keine Gentechnik in unserem Futter haben."

Außerdem fragt sie sich, wer das gentechnisch veränderte Saatgut am Ende produziert.

O-Ton Sophie Kraul, Landwirtin: "Wo kommt unser Saatgut her? Wer züchtet es? Wer hat Rechte an diesem Saatgut? Das gehört eben auch in diesen ganzen Komplex Futter. Und da ist es für mich ganz wichtig, dass wir das in bäuerlicher Hand haben und nicht in Konzerneigentum."

Genau wie Bio-Höfe sprechen sich auch die Grünen in ihrem Parteiprogramm eindeutig gegen Gentechnik aus. Doch diese klare Haltung vermisst Sophie Kraul bei Minister Özdemir.

O-Ton Sophie Kraul, Landwirtin: "Aktuell, würde ich sagen, dass er sich um diese Gentechnik-Debatte ganz klar drückt. Es gibt einen Grundsatzbeschluss der Grünen. Und es gibt keinen Grund, sich da nicht deutlich zu positionieren und ein klares Signal zu zeigen."

Schweinemäster Barkmann hat kein Problem mit Gentechnik. Er ist sogar überzeugt, dass die neuen Zuchttechnologien helfen können, Pflanzen besser an die großen Herausforderungen anzupassen.

O-Ton Bernhard Barkmann, Landwirt: "Ich kann mir vorstellen, dass es ein gutes Instrument sein kann, um dann eben mehr Klimaschutz dann eben auch umzusetzen, um vielleicht auch Pflanzenschutzmittel einzusparen."

Und wie sieht das Cem Özdemir? Im Sommer besucht er das niedersächsische Saatgut-Unternehmen KWS. Hier wollen sie den Minister von den Chancen neuer Gentechnik überzeugen. Mit ihr könne man Pflanzen viel präziser und schneller verbessern als mit herkömmlicher Züchtung. Neue Gentechnik – auch Genome Editing genannt – könne gerade der Bio-Landwirtschaft helfen, bessere Erträge zu erzielen. Öko und Gentechnik verkauft das Unternehmen als Traumpaar.

O-Ton Stephan Krings, Saatgutunternehmen KWS: "Auf Tinder wären Ökolandwirtschaft und Genome Editing ein Supermatch, aber die Eltern können sich nicht leiden, um das mal zu veranschaulichen. Also eigentlich ist da unheimlich viel Potential, gerade um das auszuprobieren, sind auch keine rationalen Risiken, die man jetzt wirklich identifizieren könnte, aber da ist ganz viel, ich sag mal bei uns Babyboomern ganz viel verankerte Weltanschauung, die das erst mal sehr schwer macht."

O-Ton Cem Özdemir, Bündnis 90/Die Grünen, Bundeslandwirtschaftsminister: "Ich kann da nicht richtig mitreden, komm aus der Zeit wo man Gedichte aufgeschrieben hat und solche Vierzeiler vorgetragen hat, nicht so mit wischen, nach links wischen, nach rechts."

Charmantes Ausweichen. Doch was denkt der Minister nun?

O-Ton Panorama: "Wie stehen Sie denn zu Gentechnik?"

O-Ton Cem Özdemir, Bündnis 90/Die Grünen, Bundeslandwirtschaftsminister: "Ich hab die Position, dass ich mich erst mal informiere und dann ne Meinung hab, ich weiß, dass das viele anders machen, dass sie erst ne Meinung haben und sich dann möglicherweise informieren, ich bin immer noch in der Informationsphase."

Anderthalb Jahre nach Amtsantritt noch in der Informationsphase? In der Wissenschaft gibt es dagegen längst einen breiten Konsens. Agrarforscher Matin Qaim ist Mitglied der renommierten Nationalen Akademie der Wissenschaften. Er empfiehlt dringend, die Chancen neuer Gentechnik stärker zu nutzen.

O-Ton Prof. Dr. Matin Qaim, Agrarforscher Universität Bonn: "Hier wissen wir inzwischen seit Jahrzehnten Forschung, dass die gentechnischen Methoden nicht gefährlicher sind als konventionelle Züchtungsmethoden. Und insofern ist die Grundannahme, die unser momentaner Gentechnikansatz in Europa ist, nämlich dass das eine grundsätzlich gefährliche Technologie ist, wissenschaftlich nicht haltbar."

Folgt Cem Özdemir der Wissenschaft? Ist er dafür, die Vorschriften für neue Gentechnik zu lockern? 

Dieses Thema im Programm:

Das Erste 18.01.2024 | 21:45 Uhr