Stand: 13.01.22 06:00 Uhr

Das Ende des Schnitzels?

von Oda Lambrecht

Landwirtin Gesa Langenberg geht den Stallgang zwischen ihren Schweinen entlang. Die junge Mästerin hat den fast 500 Jahre alten Familienbetrieb im niedersächsischen Bockstedt von ihren Eltern übernommen. Bisher hält sie die Tiere in einem konventionellen Stall auf Betonboden ohne Stroh und ohne Auslauf ins Freie.

Das Ende des Schnitzels?
Die Nachfrage nach Schweinefleisch sinkt, die Preise sind niedrig. Wie sollen Landwirte ihre Tierhaltung verbessern?

Konventionelle Schweineställe in der Kritik

Doch genau diese Haltungsform steht zunehmend in der Kritik. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hält sie sogar für "tierschutzwidrig". Durch Tierschutzskandale, Umweltprobleme und die Klimakrise hat das Image der Branche generell in den vergangenen Jahren gelitten. Die Nachfrage nach Schweinefleisch ist stetig gesunken.

Özdemir: Situation produziere nur Verlierer

Auch der neue Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) beschreibt die Lage düster. Die gegenwärtige Situation produziere nur Verlierer, so Özdemir in Panorama, bei den Bäuerinnen und Bauern, bei den Konsumenten, aber vor allem auch bei den Tieren.

Landwirtin Gesa Langenberg steht in Ihrem Stall. © NDR/ARD

Investiert in einen Stall mit Auslauf: Gesa Langenberg.

Landwirtin Langenberg kann verstehen, dass sich viele Konsumenten wünschen, dass sie ihre Schweine anders halte. Deshalb hat sie entschieden, ihre Tierhaltung zu verändern. Die ersten Durchbrüche in den Wänden sind schon geschafft. Durch sie sollen die Schweine selbständig nach draußen laufen können. Außerdem möchte sie für mehr Platz und Stroh im Stall sorgen.

Bessere Haltung: hohe Investitionen nötig

Auch wenn sie erst einmal nur einen ihrer Ställe umbaut, ist ihr der Schritt nicht leicht gefallen. Sie habe die Pläne lange mit ihrer Familie besprochen, so Langenberg, denn der Umbau bedeute immense Investitionskosten. Sie rechnet mit mehr als einer halben Million Euro. Auch wenn sie eine Förderung vom Land bekomme, den größten Teil trage sie selbst, erklärt die Mästerin.

Ein Schweinestall, der für mehr Tierwohl umgebaut wird. © NDR/ARD

Mehr als eine halbe Million wird der Stallumbau geschätzt kosten.

Doch längst nicht alle Landwirtinnen und Landwirte sind in der Lage, so viel Geld investieren zu können. Nachdem nun auch verschiedene Handelsketten angekündigt haben, in Zukunft immer mehr Fleisch von Tieren aus besseren Haltungsformen anbieten zu wollen, steht die Branche gewaltig unter Druck.

Schweinehalterverband: entscheiden, wer die Zeche zahlt

Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) erklärte dazu in Panorama, der geforderte Umbau zu Ställen mit Außenklima oder Auslauf habe für die Schweinehalter eine "ähnliche Bedeutung wie die Abkehr vom Verbrennungsmotor für die Automobilindustrie".

"Denn weit über 90 Prozent der Schweine werden in Deutschland in geschlossenen Ställen gehalten", so der Verband. Für den einzelnen Schweinehalter bedeute dies, dass er seinen Schweinestall mit hohen Investitionskosten umbauen müsse. Dabei sie am Ende entscheidend, wer die Zeche zahle, erklärt die ISN.

Der Agrarwissenschaftler und Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats des Bundeslandwirtschaftsministeriums, Achim Spiller, sagt, die Landwirte seien "hochgradig verunsichert", ob sie millionenschwere Investitionen riskieren sollten. Es werde nur funktionieren, wenn die Politik Planungssicherheit ermögliche, so Spiller.

Agrarwissenschaftler fordert staatliche Finanzierung

Der Experte der Universität Göttingen fordert eine staatliche Absicherung der Tierschutz-Mehrkosten. "Das wäre der klarste Weg", findet Spiller. Eine Finanzierung könnte über eine neue Abgabe oder einen Abbau der bisher reduzierten Mehrwertsteuer auf Fleisch erfolgen, so der Forscher, aber natürlich auch aus dem Bundeshaushalt, wenn eine Steuererhöhung nicht gewollt sei.

Özdemir: öffentliches Geld für mehr Platz im Stall

Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen), Bundeslandwirtschaftsminister. © NDR/ARD

Agrarminister Özdemir will bessere Schweinehaltung fördern.

Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir verspricht im Panorama-Interview zwar öffentliches Geld und sagt, die Förderstruktur müsse umgebaut werden, so dass zum Beispiel mehr Platz für Tiere honoriert werde. Auf Nachfrage, wie genau - und ob er etwa den reduzierten Mehrwertsteuersatz für Fleisch abschaffen möchte - um mehr Geld für geforderte Veränderungen zur Verfügung zu haben, antwortet der Grünen-Politiker lediglich: "Alles zu seiner Zeit." Özdemir wies darauf hin, dass er schließlich erst wenige Wochen im Amt sei.

Schweinefleisch werde teurer werden müssen, so Özdemir

Grundsätzlich möchte er dafür sorgen, dass mehr Geld bei den Landwirten landet. "Der Handel verdient sehr stark", so Özdemir. Wie er das genau erreichen will, ließ er allerdings offen. Gleichzeitig fordert der neue Minister, die Menschen müssten mehr für Fleisch bezahlen. Mehr Klimaschutz, mehr Tierwohl und mehr Verdienst für die Bäuerinnen und Bauern, ohne dass es mehr koste, das werde nicht gehen, glaubt Özdemir.

Um das zu erleichtern, kündigt der neue Minister als ersten konkreten Schritt an, in diesem Jahr eine verbindliche Haltungskennzeichnung auf den Weg zu bringen. Die niedersächsische Landwirtin Gesa Langenberg wünscht sich schon lange solch eine Kennzeichnung.

Das Problem sei dabei aber, dass man immer nur über das Frischfleisch rede, und das sei ja neben Wurst und etwa der Salami auf der Pizza nur ein Teil des Fleisches, so die Schweinehalterin. Vor allem aber wünscht sie sich, dass eine Haltungskennzeichnung auch für die Gastronomie, für Kantinen und Mensen gelte.

Özdemir: Haltungskennzeichnung zunächst für Handel

Doch die geplante Haltungskennzeichnung soll offenbar zunächst nur im Handel kommen und nicht in der Gastronomie. Erst mal gelte das für das, was im Laden zu kaufen ist, für frisches und verarbeitetes Fleisch, so Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir.

Greenpeace fordert schärfere Gesetze und wirksame Kontrollen

Greenpeace möchte Verbesserungen in der Tierhaltung allerdings nicht allein der Branche und den Verbrauchern überlassen. Die Organisation fordert eine Verschärfung der Nutztierhaltungsverordnung, damit die Tiere deutlich mehr Platz bekommen und wirksame Kontrollen, die eine tierschutzwidrige Haltung unmöglich machen. Grundsätzlich wünscht sich Greenpeace auch Anreize, den Konsum tierischer Produkte zu vermindern, der nicht nur Umwelt und Klima, sondern auch der Gesundheit schade.

Landwirtin: Klimaschutz wird wichtiger

Auch Landwirtin Langenberg ist davon überzeugt, dass der Klimaschutz den Verbrauchern noch wichtiger werden wird. Deshalb baut sie ihren neuen Stall so, dass dort nicht wie in herkömmlichen Ställen Gülle entsteht, sondern dass Kot und Harn direkt voneinander getrennt werden. Ihr Ziel ist, dadurch in Zukunft weniger Emissionen zu erzeugen.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 13.01.2022 | 21:45 Uhr