Kommentar

Stand: 14.12.18 13:00 Uhr

Bundesrat: Weiter Ferkel kastrieren ohne Betäubung

von Oda Lambrecht
Ferkel in einer modernen Aufzuchtbucht © fotolia.com Foto: Countrypixel

Bereits 2013 war das Tierschutzgesetz geändert worden, Ferkel sollten eigentlich ab kommendem Jahr nicht mehr ohne Betäubung kastriert werden dürfen. Doch die Umsetzung verschiebt sich erneut.

Im Herbst 2008 hatte der Deutsche Bauernverband gemeinsam mit der Fleischwirtschaft und dem Einzelhandel erklärt, man wolle eine Alternative zur "traditionellen" Kastration von Ferkeln entwickeln, um den Tierschutz zu gewährleisten. "Traditionell" bedeutet: Etwa zwanzig Millionen Ferkeln werden pro Jahr in Deutschland ohne Betäubung die Hoden herausgeschnitten, damit das Fleisch später keinen unangenehmen Ebergeruch entwickelt.

Doch ganze zehn Jahre später hat sich an der schmerzhaften Prozedur in den Ställen rein gar nichts geändert. Schlimmer noch: Nachdem der Bauernverband es jahrelang nicht geschafft hat, seinen Absichtsbekundungen Taten folgen zu lassen, knickte die Politik nun erneut vor der Agrarlobby ein.

Bundestierärztekammer: Fristverlängerung verfassungswidrig

Die Große Koalition aus Union und SPD beschloss, dass Ferkel in Deutschland nun zwei weitere Jahre ohne Betäubung kastriert werden dürfen. Sie erfüllte damit den Wunsch der Bauern und missachtete den eindringlichen Appell der Bundestierärztekammer: Eine weitere Fristverlängerung sei mit dem Tierschutz nicht vereinbar und somit verfassungswidrig.

Anschließend hatte der Agrarausschuss der Länder nun einen letzten Versuch unternommen, diese Entscheidung noch in den Vermittlungsausschuss zu schicken. Doch das lehnte eine Mehrheit im Bundesrat heute ab.

Fünf Jahre Zeit: Tierschutzvorgaben trotzdem nicht umgesetzt

Warum sollte eigentlich irgendwer der Agrarbranche noch glauben, dass sie es mit dem Tierschutz ernst meint? Hier hätte sie doch zeigen können, dass sie bereit ist, die Wünsche der Gesellschaft nach einer besseren Tierhaltung umzusetzen. Zeit wäre genug gewesen.

Bereits 2013 war das Tierschutzgesetz geändert worden. Damals wurde entschieden, dass Ferkel ab 2017 nicht mehr ohne Betäubung kastriert werden dürfen. Doch diese Frist wurde um zwei Jahre verschoben, um den Landwirten mehr Zeit für eine Umstellung zu gewähren. Und nun also noch einmal um zwei weitere Jahre.

Alternativen zur betäubungslosen Kastration vorhanden

Oda Lambrecht, Autorin © Oda Lambrecht

Und wieder wurde die Frist verlängert, Ferkel weiter ohne Betäubung zu kastrieren. Warum sollte eigentlich irgendwer der Agrarbranche noch glauben, dass sie es mit dem Tierschutz ernst meint, meint Oda Lambrecht.

Statt die Gesetzesvorgaben zu erfüllen, wies der Bauernverband immer wieder auf mögliche ökonomische Nachteile hin und drängte auf die neue Fristverlängerung. Dabei stehen den Landwirten drei Alternativen zur betäubungslosen Kastration offen: Sie könnten die Ferkel gegen Ebergeruch impfen, sie unter Narkose kastrieren oder ganz darauf verzichten und die Tiere als Eber mästen.

Zugegeben: keine ganz banale Umstellung, alle Varianten haben so ihre Herausforderungen. Auch richtig: Fleischindustrie und Handel müssten hier mehr mitziehen. Und ja: mehr Tierschutz kostet mehr. Aber wie gesagt: Die Branche hatte nun wirklich ausreichend Zeit, sich damit auseinanderzusetzen.

Weiter ohne Betäubung: Bauernverband erleichert

Ich habe in den vergangenen Jahren jedenfalls nicht bemerkt, dass die Branche alles daran gesetzt hätte, Ferkeln die Schmerzen zu ersparen. Das Gegenteil ist der Fall: Immer wieder habe ich Bedenken gehört oder gleichgültiges Abwarten erlebt. Die aktuelle Reaktion des Bauernverbandes sagt eigentlich alles: Sein Präsident, Joachim Rukwied, bedauerte nicht etwa den mangelnden Tierschutz, sondern zeigte sich im Gegenteil erleichtert. Und Rukwied erklärte, man müsse die zwei Jahre jetzt unbedingt nutzen, um pragmatische Lösungen zu finden.

Wieder einmal.

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Das Erste 22.09.2016 | 21:45 Uhr