Stand: 19.07.18 07:00 Uhr

"Combat 18": Maulhelden oder rechte Terroristen?

von Julian Feldmann, Reiko Pinkert & Patrizia Schlosser

Der Verdacht erhärtete sich, als am 24. September 2017 zwölf Rechtsextremisten von der Anti-Terror-Einheit GSG9 am Grenzübergang im bayerischen Schirnding gestoppt wurden. Die Gruppe wollte aus Tschechien zurück nach Deutschland. In einem Auto finden die Polizisten Munition - in einer Sporttasche und einem Toastbrotbeutel zwischen Fahrer- und Beifahrersitz. Insgesamt sind es 26 Patronen, teils auch für Sturmgewehre geeignet. Der Fahrer des Kleinbusses ist Tobias V. Er gibt noch vor Ort zu, dass die Munition im Toastbrotbeutel von ihm ist. Die Tasche kann Stanley R. zugeordnet werden.

"Combat 18": Maulhelden oder rechte Terroristen?
"Combat 18 Deutschland" ist eine neue Gruppe von Rechtsextremisten. Sie sieht sich in der Tradition des Neonazi-Netzwerks "Blood and Honour", das auch Vorbild des NSU war.

Waffentraining in Tschechien

Die Kontrolle an der Grenze war kein Zufall. Die Bundespolizei hatte einen Tipp vom Verfassungsschutz bekommen. Denn die zwölf Deutschen gehören mutmaßlich alle zur Neonazi-Gruppe "Combat 18 Deutschland". Sie kamen von einem Waffentraining im tschechischen Cheb zurück, wie die "Süddeutsche Zeitung" und NDR berichteten. Die Sicherheitsbehörden beobachten dieses Netzwerk sehr aufmerksam, halten es für potentiell gefährlich. Sogar bei einer Lagebesprechung im Bundeskanzleramt war das Aufgreifen dieser Gruppe Thema. Panorama und STRG_Fhaben den Schießstand, auf dem die Neonazis ihr Training laut Bayerischem Verfassungsschutz abgehalten haben sollen, besucht und stießen dort auf Nazi-Devotionalien. Eine Büste von Adolf Hitler und Symbolik der Waffen-SS wird dort zur Schau gestellt.

Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet

"Whatever it takes" - "Was auch immer nötig ist": Das Motto von "Combat 18" auf dem T-Shirt eines Anhängers der militanten Gruppierung. © NDR Foto: Julian Feldmann

"Whatever it takes" - "Was auch immer nötig ist": Das Motto von "Combat 18" auf dem T-Shirt eines Anhängers der militanten Gruppierung.

Panorama und STRG_F haben jetzt Unterlagen ausgewertet, die von der antifaschistischen Gruppe "Exif" veröffentlicht wurden: Eine Art Handbuch von "Combat 18 Deutschland" und Bankunterlagen des mutmaßlichen "Kassenwartes" der rechtsextremen Truppe. Auf Kontoauszügen, die die Kontobewegungen zwischen 2014 und 2017 zeigen, sind zahlreiche Namen von Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet verzeichnet.

"Combat 18" (C18) ist ein Code für den 1. und 8. Buchstaben des Alphabets, steht also für "Kampftruppe Adolf Hitler". Die Idee des militanten Neonazi-Netzwerks stammt aus England, wo sich C18 in den 1990er-Jahren zum "bewaffneten Arm" des rechtsextremen Musik-Netzwerks "Blood & Honour" entwickelte. Hinter dem Namen "Combat 18" steht das Konzept des "führerlosen Widerstands": Gewaltbereite Neonazis sollen sich in kleinen autonomen Zellen zusammenschließen, Waffendepots anlegen und ohne Befehl aus der "Führungsriege" Terroranschläge begehen. Und tatsächlich bekannte sich C18 bereits zu zahlreichen Attacken - etwa 1999 zu einer tödlichen Anschlagsserie in England.

Das Bundesinnenministerium verbot "Blood & Honour" in Deutschland im Jahr 2000. Die Verbotsverfügung umfasst aber nicht den "bewaffneten Arm" C18. In Deutschland haben gewaltbereite Neonazis immer wieder das Label "Combat 18" für Anschläge verwendet. Auch der NSU ging nach dem Konzept von C18 - "führerloser Widerstand" - vor. Seit dem Jahr 2013 ist nun "Combat 18 Deutschland" aktiv, eine Untergrundgruppe, die nicht öffentlich in Erscheinung tritt.

Schweigegelübde und Mitgliederbeitrag

Im "Richtlinien"-Heft von "Combat 18 Deutschland", das Panorama und STRG_F vorliegt, ist festgeschrieben, wie die Gruppe bundesweit strukturiert ist. "Jedes Bundesland/Gau bekommt seine Sektion (sofern ein Mitglied in diesem wohnt), mit einem Sektionsführer". Einmal monatlich müsse sich jede "Sektion" für sich treffen. "Der Sektionsführer hat die Pflicht, sich um eine Sektionsfahne zu kümmern". Alle drei Monate findet ein bundesweites Treffen statt. In den "Richtlinien" wird die Ausrichtung der Gruppe als "Bruderschaft" betont. Zu den "Bruderpflichten" gehört: "Ein Bruder darf dem anderen Bruder NIEMALS Schaden zufügen. Persönliche Sachen sind aus der Gruppe völlig fern zu halten". Zuwiderhandeln hat den Ausschluss zur Folge. Die Mitglieder werden als "Brüder" bezeichnet. Zu "Treffen/Auswärtsfahrten" ist das Tragen der schwarzen Uniform mit C18-Emblem Pflicht. "Zuwiderhandeln hat ein 'Strafgeld' zur Folge". Nur offizielle C18-Mitglieder dürfen die Jacken mit dem Drachen-Logo tragen - das erinnert an den Umgang von Rockerclubs mit ihren Kutten.

Das "Richtlinien"-Papier von "Combat 18 Deutschland". © NDR Foto: Julian Feldmann

Das "Richtlinien"-Papier von "Combat 18 Deutschland".

In einem Extrapunkt genannt wird ein Schweigegelübde, an das sich die Mitglieder laut dem internen Regelwerk halten müssen: "Alles Gruppeninterne darf NIEMALS mit Nichtmitgliedern besprochen werden. Absolute Verschwiegenheit". Die C18-Gruppe verfügt über Vollmitglieder und "Supporter". Letztere sind Anwärter auf eine Mitgliedschaft. "Anwärterzeit sind 6 Monate", heißt es in den "Richtlinien", danach entscheide die Gruppe über die feste Aufnahme der Person. Aus dem Papier geht auch hervor, dass Mitglieder einen "Beitrag in Höhe von 15 Euro" monatlich zu zahlen haben. "Wer 2 Monate nicht gezahlt hat, wird ermahnt, danach folgt der Austritt".

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 19.07.2018 | 21:45 Uhr