Raubzug: Wie der Mittelstand die Juden ausplünderte
Eine ganz typische "Arisierung"
![Der Historiker Götz Aly. Der Historiker Götz Aly. © NDR/ARD](/panorama/media/arisierung103_v-ardteaserwidescreen.jpg)
Der Historiker Götz Aly stellt fest, dass es sich bei den "Arisierungen" um Zwang und Gewalt handelte.
Für den renommierten Historiker Götz Aly eine typische Entwicklung: "In Wirklichkeit stehen Gewalt, Zwang, Morddrohungen, Boykott, staatliche Schikanen en Gros im Hintergrund, und es geht immer darum, nur dieser einen bestimmten, eben rassisch als Juden definierten Minderheit Nachteile über Nachteile zu verschaffen und den Druck so zu erhöhen, dass sie einfach sagen: Schluss jetzt. Wir gehen, egal, was mit unserem Eigentum hier passiert." Für die Herbsts ist dieser Punkt 1935 erreicht. Sie fliehen über Belgien nach Kanada. Familienmitglieder, die zurück bleiben, sterben später in Auschwitz.
Was sagen die heutigen Eigentümer?
![Tom Herbst, Nachfahre des Firmengründers. Tom Herbst, Nachfahre des Firmengründers. © NDR/ARD](/panorama/media/arisierung107_v-ardteaserwidescreen.jpg)
Urenkel Tom Herbst wünscht sich eine Korrektur der Darstellung der Firmengeschichte.
Heute gehört die von der Familie Herbst gegründete Firma Felina einer verschwiegenen Schweizer Investorengruppe. Die Unternehmensleitung wollte sich trotz mehrfacher Anfragen nicht vor der Kamera zur lückenhaften Darstellung der eigenen Geschichte äußern. Schriftlich teilt sie mit: "Die Tätigkeit von Frau Fritsche war uns ebenso wie ihr Buch bis zu Ihrer Anfrage unbekannt."
Eine Aussage, die verwundert: Schließlich hat Fritsches Studie in Mannheim für großen Wirbel gesorgt, die örtliche Zeitung, der Mannheimer Morgen, berichtete mehrfach, auch auf der ersten Seite. "Deswegen überrascht es mich sehr, wenn die Felina wirklich nichts mitbekommen haben sollte", so Fritsche. Immerhin teilt die Firma noch mit, man werde nun, "die Darstellung des Unternehmenserwerbs 1936 durch Richard Greiling auf unserer Homepage überprüfen".
Was diese Prüfung ergeben sollte, steht für Tom Herbst bereits fest. Für ihn ist es schwer zu akzeptieren, dass mit der Leistung seiner Angehörigen geworben, aber das ihnen zugefügte Unrecht ausgeblendet wird: "Es ist einfach, das korrekt darzustellen, und sie sollten es korrekt darstellen."
Neuer Abschnitt
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Die Anfänge der Firma Felina waren bescheiden: Etwa 1885 begann Eugen Herbst in einem kleinen Wohnhaus in Bad Rappenau bei Heilbronn mit der Produktion von Miederwaren. Höchstens 10 Frauen fanden hier Arbeit.
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Im Jahr 1889 zog Eugen Herbst mit Familie und Firma um nach Mannheim. Dort zog die Miederwarenfabrik Herbst schon zur Jahrhundertwende in ein erstes eigenes Gebäude - hier eine Aufnahme aus den 1930er Jahren.
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Die Firma wuchs schnell, schon zu Beginn des Ersten Weltkriegs arbeiteten mehrere Hundert Beschäftigte bei Herbst - meist Näherinnen wie hier auf einem Bild aus den 1930er Jahren.
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Die Firma Herbst wuchs weiter, 1933 war sie die zweitgrößte Korsettfabrik Deutschlands. Auf diesem Bild aus den späten 30er-Jahren arbeitet eine Näherin an der "Knopflochmaschine".
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Korsetts, Büstenhalter und Hüftgürtel aus den Produktionshallen der Firma Herbst fanden Abnehmer in Deutschland und im Ausland.
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Mit dem Nationalsozialismus kamen für die jüdische Firma Herbst massive Einschränkungen: Große Einkaufsverbände boykottierten "nichtarische" Korsetthersteller, die Behörden versagten der renommierten Firma Ausfuhrgenehmigungen.
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1936 gab Firmengründer Eugen Herbst auf und verkaufte seine Firma, die Gebäude und Grundstücke zu einem Bruchteil ihres tatsächlichen Wertes an Richard Greiling.
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Der produzierte weiter im großen Stil Miederwaren - und während des Weltkriegs auch kriegswichtige Waren wie Fallschirme.
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Doch in den späten 1930er Jahren - wie hier auf einem Foto aus dem Warenlager ...
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... und dem Versandzentrum der Firma, waren Miederwaren neben Schuhen noch das Hauptgeschäft.
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1943 prangte an der Fassade deutlich sichtbar der Name des Eigentümers Greiling. Den Eingang der "arisierten" Firma zierten im Krieg NS-Durchhalteparolen: "Unsere Parole: Sieg" oder ...
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... "Nur Feiglinge führen Krieg gegen Frauen und Kinder" lauteten die Sprüche, die sich so an vielen Wänden fanden.
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Im Sommer 1944 wurden große Teile der Fabrik ...
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... von einer Luftmine zerstört. Der größte Teil der Maschinen war zu dieser Zeit bereits aus der Stadt ausgelagert.
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Doch bereits 1949 war der Wiederaufbau vollzogen. Bis heute ist der Hauptsitz der Firma Felina Dessous in Mannheim.
- Teil 1: Wie der Mittelstand die Juden ausplünderte
- Teil 2: Eine ganz typische "Arisierung"