Billigproduktion im Ausland: Staat fördert Firmen

von Tamara Anthony & Nils Casjens

Mehr als 1100 Menschen sind beim Einsturz des Fabrikhochhauses Rana Plaza in Bangladesch vor einigen Wochen gestorben. Es ist die größte Tragödie in Bangladeschs Industriegeschichte. Hier hat auch der deutsche Textildiscounter NKD produziert - ein Unternehmen, das nach Panorama-Recherchen ausgerechnet vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) im Rahmen des Programms develoPPP.de gefördert wird, um höhere Qualitäts- und Sozialstandards einzuführen. Es fließen also Steuergelder an Unternehmen, die in ihren Zulieferbetrieben offenbar nicht einmal die internationalen Mindeststandards einhalten.

"Nicht hinnehmbar"

Prof. Stephan Klasen

Prof. Stephan Klasen hält es für nicht hinnehmbar, wenn staatliche Gelder verwendet werden, damit Firmen international geltende Standards einführen.

Der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Stephan Klasen hält es für nicht hinnehmbar, wenn staatliche Gelder verwendet werden, damit Firmen international geltende Standards einführen. Offiziell müssten die develoPPP.de- Projekte darüber hinaus gehen. Das Ministerium erklärt gegenüber Panorama, sie würden nach strengen Kriterien ausgewählt und brächten einen nachhaltigen entwicklungspolitischen Nutzen. "Deutsche Unternehmen haben weit höhere Standards als die lokal geforderten und setzen damit Benchmarks auch für andere Unternehmen", so Minister Dirk Niebel. Jährlich 79 Mio. Euro sind im Bundeshaushalt für develoPPP.de vorgesehen.

Fragwürdige Kriterien

Das BMZ hat unter der Führung von Dirk Niebel die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft ausgeweitet. Nach Panorama-Recherchen sind die Kriterien für die Auswahl der geförderten Projekte jedoch äußerst fragwürdig. In vielen Fällen dienen sie vor allem der Außenwirtschaftsförderung und der Imagepflege deutscher Unternehmen aus Problembranchen. NKD ist dafür nur ein Beispiel von vielen.

Bergungsarbeiten in den Trümmern der eingestürzten Textilfabrik in Bangladesch © Photoshot Foto: Shariful Islam

Bergungsarbeiten in den Trümmern der eingestürzten Textilfabrik in Bangladesch.

Bayer CropScience ist ein anderes. Das BMZ zahlt dem Unternehmen 400.000 € dafür, dass es kenianische Pestizid-Einzelhändler im nachhaltigen und umweltschonenden Einsatz von Pestiziden schult. Offenbar bekommen die Teilnehmer in den Seminaren von Bayer-Vertretern aber vor allem den Umgang mit Bayer-Pestiziden erklärt. Sie erhalten für ihren Pestizid-Laden anschließend ein Bayer-Gütesiegel und schwärmen von den Bayer-Produkten.

Vorgebliche Entwicklungshilfe-Projekt entpuppt sich als Werbeprogramm

So berichtet ein Vertreter von Bayer CropScience in Kenia Panorama stolz, dass das Unternehmen seinen Absatz durch das Programm um 20 Prozent steigern konnte und jetzt gut für den umkämpften Markt gerüstet ist. Das vorgebliche Entwicklungshilfe-Projekt entpuppt sich also vor allem als Werbeprogramm für die Pestizide des Bayer-Konzerns - großzügig finanziert durch Steuergelder aus dem BMZ. Es ist wohl kein Zufall, dass die Unternehmensberatung Deloitte den Bayer-Konzern lobt, für eine besonders geschickte Strategie, wie auch die ärmsten Teile der Weltbevölkerung als Kunden gewonnen werden können.

Bayer CropScience rechtfertigt das Projekt: es leiste einen wichtigen Beitrag zur Ernährungssicherheit und Verbesserung der Lebensbedingungen von kenianischen Kleinbauern. Auch NKD beruft sich darauf, entwicklungspolitische Fortschritte zu erreichen. Bei den teilnehmenden Zulieferbetrieben hätten sich die Sozial- und Umweltstandards durch das Programm verbessert.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 30.05.2013 | 21:45 Uhr