Abiturienten als Entwicklungshelfer: Kurztrips ins Elend
Kokrobite Beach: Ein Strand an Ghanas Elfenbeinküste. Aus den Lautsprechern der Beach-Bar tönt: "It`s getting hot in here." Deutsche Jugendliche sonnen sich bei 32 Grad. "Seid ihr Touristen?" "Nee! Volunteers!" Fast jeder junge Weiße, den man in dem afrikanischen Land trifft, ist hier um zu helfen. Sie wollen Gutes tun, in Straßenkinderprojekten, in Schulen, in Waisenhäusern. "Freiwillig".
Abiturienten als Entwicklungshelfer: sinnlose Kurztrips ins Elend
"Überall einen kleinen Entwicklungsbeitrag leisten": Mittlerweile können junge Menschen Freiwilligenarbeit im Ausland ganz einfach über Reiseveranstalter buchen.
Auslandserfahrungen für den Lebenslauf

"Unterrichte deine eigene Schulklasse": Für Lisa Engelmann ist alles ein bisschen anders, als sie es sich vorgestellt hatte.
Jugendliche ziehen in die Welt, weil Auslandserfahrungen heute einfach dazu gehören. Universitäten und Arbeitgeber sehen das gerne im Lebenslauf. Doch ein freiwilliges soziales Jahr im Ausland ist aufwendig zu organisieren. Und es ist lang. Reiseveranstalter bieten da eine praktische Alternative an: Den Sozialquickie mit Teilnahme-Zertifikat. Schon ab ein oder zwei Wochen geht es los: Löwenbabys füttern, Aids-Beratung, Waisenkinder unterrichten. Kombiniert mit Tauchkurs, Safari oder Koch-Workshop überall auf der Welt, vorzugsweise in armen Regionen. "Teilnahme auch ohne Vorkenntnisse!", locken die Kataloge der Reiseveranstalter. "Schenke den Kindern Indiens ein Lächeln!" Und: "Egal in welchem Land du diese Freiwilligenarbeit machen möchtest, du wirst schon sehnsüchtig von den Kleinen erwartet." Das Exklusive an dieser Form von "Hilfe": Die Teilnehmer zahlen für ihren Freiwilligendienst oft mehrere Tausend Euro.
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"Undankbare Kinder"

"Teilnahme auch ohne Vorkenntnisse": Wem nutzt das Engagement der Jugendlichen wirklich?
Abiturientin Christina ist enttäuscht. Sie hatte sich ihr Engagement in einem ghanaischen Waisenhaus irgendwie anders vorgestellt. "Liebe" hatte sie den Kindern bringen wollen, sie glücklich machen. Doch die seien irgendwie so verwöhnt und regelrecht undankbar. "Wir laufen ins Dorf mit den Kindern, kaufen ihnen Eis oder Reis. Und wenn wir zurück im Waisenhaus sind, behandeln sie uns als hätten wir ihnen sonst was getan." Ärgerlich sei das. Die wüssten ihre Hilfe gar nicht zu schätzen. Vielleicht läge es daran, sagt sie nachdenklich, dass einfach zu viele Volunteers ein und ausgingen. Wem nutzt das Engagement der Jugendlichen wirklich?
Hartmut Hezel, Geschäftsführer der in Ghana aktiven Reiseagentur "Praktikawelten", räumt gegenüber Panorama ein, "es geht bei unseren Programmen schwerpunktmäßig um den Teilnehmer." Solch ein Programm öffne Horizonte. "Man übersteigt sozusagen den Tellerrand, man verlässt die gewohnte Umgebung, man lässt sich auf etwas Neues ein."
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Vormittags Gutes tun, Kindern helfen, am liebsten in Afrika - die jungen Schulabgänger reisen mit noblen Motiven.
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... da ist es kein Problem, wenn am Nachmittag Beach angesagt ist.
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Die Tourismusindustrie hat den Voluntourismus mittlerweile für sich entdeckt - ein rentables Geschäft.
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Lisa, die als Volunteer in Ghana hilft, zahlt 1300 Euro + Flug + Visa + Verpflegung. Gebucht hat sie die "Hilfs-Reise" über einen Reiseveranstalter.
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"Wem die soziale Komponente im Lebenslauf fehlt: Wir haben Kinderheime in Indien, die wir betreuen. Oder eine Schmetterlingsfarm in Costa Rica" - so werben die Reiseveranstalter für ihre Programme.
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Und Vorkenntnisse sind selbst fürs Unterrichten nicht notwendig!
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Auf dem Programm steht unter anderem Singen, mit Bauklötzchen spielen oder Figuren basteln mit Township-Kindern.
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Beziehungen zu den Kindern sollen die jungen Helfer laut Hartmut Hetzel, Geschäftsführer "Praktikawelten" in den vier oder sechs Wochen nicht aufbauen.
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Wie das allerdings gehen soll, erklärt er nicht. Diese Kinder werden Lisa vermissen.