Stand: 26.02.04 20:15 Uhr

Presseerklärung: Millionen-Profite bei Autobahntoiletten durch "organisierte Kriminialität" und "Sklavenarbeit"

Skrupellose Unternehmer beuten Toilettenpersonal aus - Schaden: 100 Millionen. Bundesweite Razzien und Ermittlungsverfahren gegen Reinigungsfirmen.

In vielen Autobahn- und Kaufhaus-Toiletten müssen die Klofrauen und -männer das von ahnungslosen Kunden gegebene Trinkgeld an skrupellose Unternehmer abliefern. Mehrere Staatsanwaltschaften ermitteln deshalb bundesweit gegen Reinigungsunternehmen. Die Vorwürfe u.a.: Sozialversicherungsbetrug, Steuerhinterziehung, Lohnwucher und illegale Beschäftigungsverhältnisse. Das ergeben Recherchen des ARD-Magazins Panorama.

Ausbeutung auf dem Örtchen - Die Profite der Toilettenmafia
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Unternehmen, denen vorgeworfen wird, ihre Profite mit Ausbeutung zu steigern.

Das Geschäft hat nach Panorama-Recherchen immer das gleiche Schema: Um Kosten zu sparen, beauftragen Autobahnraststätten sogenannte Hygiene-Service-Firmen für die Sauberkeit ihrer Toiletten. Das für die Fahnder überraschende Ergebnis: Die Raststätten müssen für diesen Service häufig nichts bezahlen. Im Gegenteil: Sie bekommen sogar noch eine Art Pacht - zwischen 100 und 1.000 Euro pro Monat - von den Reinigungs-Firmen, damit diese die Toiletten putzen und Trinkgelder kassieren dürfen. "Das zeigt, dass die Toilettenanlagen ein sehr lukratives Geschäft sind und es deshalb unter den Reinigungsfirmen einen harten Konkurrenzkampf gibt", so der Potsdamer Oberstaatsanwalt Benedikt Welfens.

So seien bei einer Razzia des Hauptzollamts Heilbronn an über 50 Toilettenanlagen der Berliner Hygiene-Firma HBVS waren Ende letzten Jahres mehrere Säcke und 10-Liter Eimer mit Münzen sichergestellt worden. Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Potsdam das Ermittlungsverfahren übernommen. Das Unternehmen betreibe insgesamt über 100 Toiletten an deutschen Autobahnen, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft Benedikt Welfens. Es habe zwischen 1999 und 2003 möglicherweise bis zu 10 Millionen Euro abkassiert, ohne für das Personal die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen. "Das ist eine besondere Form der organisierten Kriminalität", so Oberstaatsanwalt Benedikt Welfens gegenüber Panorama.

Laut Welfens seien die Toiletten an Autobahnraststätten eine "wahre Goldgrube". Bis zu 200 Euro Trinkgelder am Tag würden an einer Toilette eingenommen. Das Toiletten-personal müsse dann einen Grossteil dieser Trinkgelder an das Unternehmen abliefern. Am Ende bliebe dem Toilettenpersonal, so Zollfahnder, ein Stundenlohn von rund 2 Euro. "Das ist eine moderne Form der Sklavenarbeit", so Thorsten Schneider vom Hauptzollamt Heilbronn. Insgesamt belaufe sich - so die Erkenntnis der Fahnder - der Schaden durch derartige Reinigungsfirmen bundesweit auf über 100 Millionen Euro.

26. Februar 2004

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 26.02.2004 | 20:15 Uhr