Mordfall Weimar - Portrait Strate

von Bericht: Klaus Scherer

Anmoderation:

CHRISTOPH LÜTGERT:

Rechtsanwalt Gerhard Strate © dpa - Fotoreport Foto: Oliver Berg

Der Sieger des Tages heißt Gerhard Strate, Hamburger Staranwalt, gerissen, intelligent, hartnäckig. Allein die Tatsache, daß er es schaffte, mit geschickt angelegten Gutachten und ausgefeilter Recherche das Wiederaufnahmeverfahren für Monika Böttcher zu erzwingen, schon das war eine juristische Sensation. Seine Klientin hatte es mit ihren Widersprüchen und dem Wechsel zwischen Schweigen und Mitteilungsbedürfnis dem Anwalt nicht leicht gemacht.

Mordfall Weimar - Porträt Strate
Porträt des Staatsanwaltes Strate, dem es gelungen war, das Wiederaufnahmeverfahren für seine Mandantin zu erzwingen.

Klaus Scherer hat Gerhard Strate, der nun noch ein Stückchen berühmter geworden ist, am Tage seines großen Triumphes begleitet.

KOMMENTAR:

Ein Hotel in Frankfurt am Main, Rechtsanwalt Strate aus Hamburg checkt ein. Ein sympathischer Mann, sagt das Personal, das ihn kennt, so wie es viele sagen, die mit ihm zu tun haben. Es ist der Vorabend vor dem Urteil, das bisher wohl wichtigste in seiner Laufbahn, auch wenn er selbst das öffentlich nie sagen würde - schließlich ist er Rechtsanwalt, da sind alle Fälle wichtig.

0-Ton

GERHARD STRATE:

(Rechtsanwalt)

"Es ist sicherlich der Fall, der am meisten Publizität bisher gehabt hat."

KOMMENTAR:

Abfahrt nach Gießen am nächsten Morgen kurz vor acht. Strate hat bestenfalls Hinweise auf einen Freispruch, sicher ist er nicht. Dennoch: er gibt sich zuversichtlich. Zweimal ist es ihm bisher gelungen, ein Urteil auf Lebenslänglich im nachhinein zu korrigieren. In der Rechtsgeschichte ist das selten. Nun womöglich der dritte Erfolg?

0-Ton

GERHARD STRATE:

"Also, die Zeit des Wartens auf ein Urteil ist für den Anwalt genauso wie für den Mandanten immer etwas beklemmend. Es schießt einem immer wieder durch den Kopf: Wie ist es, wenn es so ausfällt, zu deinen Ungunsten, was machst du dann?"

KOMMENTAR:

Während der Fahrer schon mal lacht - ernste Gesichter auf den Rücksitzen. Inzwischen ist Strates Mandantin zugestiegen. Ja, sagt Strate, er sei ein leidenschaftlicher Anwalt, auch wenn das seinen Preis hat.

0-Ton

GERHARD STRATE:

"Ich meine, daß man wirklich auch die ganze Zeit über an die Probleme denkt, die aus dem Beruf heraus erwachsen, und manche Probleme, die man in der Familie hat, vielleicht auch vernachlässigt."

KOMMENTAR:

Neun Uhr, Ankunft am Landgericht Gießen. Die Presse wartet schon. Es gab andere Fälle, sagt Strate, da war ich auch zuversichtlich, weil das Verhandlungsklima danach war. Und dann kam die Wende am Tag des Urteils.

Mit den Kamerateams kommen die Zuschauer. Strate hat erfolgreich Zweifel an einem Urteil geweckt, aber was ist mit seinen eigenen Zweifeln? Ich glaube meiner Mandantin, sagt er.

0-Ton

GERHARD STRATE:

"Die Beweislage wird wahrscheinlich sich nie so entwickeln, daß man klar sagen kann: Das spricht eindeutig jetzt gegen Herrn Weimar, das spricht eindeutig für Frau Böttcher."

KOMMENTAR:

Das Gericht sieht es dieses Mal genauso. Strate danach im Blitzlichthagel. Erfolg beharrlicher Arbeit. Ist er stolz auf sich? Ja, nein, doch.

0-Ton

GERHARD STRATE:

"Stolz - ich empfinde eine große Genugtuung, daß es so weit gekommen ist, und habe natürlich auch einen gewissen Stolz, daß es so weit gekommen ist, das ist klar."

KOMMENTAR:

Gegen Mittag - Schluß in Gießen, Rückfahrt nach Frankfurt. Was bleibt vom Fall Weimar? Die Genugtuung, sagt Strate, der Justiz gezeigt zu haben, daß sie sich auch irren kann. Was braucht man dazu in so einem Prozeß? Ein heißes Herz und einen kalten Verstand, sagt er.

Warum ist er Anwalt geworden? Er schätze die Unabhängigkeit, die der Beruf biete. Aber vielleicht ist da ja doch noch etwas anderes.

0-Ton

GERHARD STRATE:

"Derartige Strafprozesse haben immer etwas atemberaubend Spannendes, und diese Atmosphäre - selbst wenn es - es geht um menschliche Schicksale, menschliche Tragödien, aber es geht einfach auch schlicht um Kampf im Gerichtssaal."

KOMMENTAR:

Ein Kampf, den er einmal mehr gewonnen hat. Wie weiter? Es wird Kritik geben von manchen, die sich anders festgelegt hatten, auf die Schuldige Weimar, heute Böttcher. Aber der Respekt wird überwiegen. Und heute abend werden alle Fernsehen gucken, die ihm wichtig sind.

Wen hat er als erstes angerufen nach dem Urteil? Da endlich eine spontane Gefühlsregung - aber nur kurz.

0-Ton

GERHARD STRATE:

"Als erste habe ich meine Frau angerufen."

INTERVIEWER:

"Was hat sie gesagt?"

GERHARD STRATE:

"Sie hat das gesagt, was alle anderen auch gesagt haben."

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 24.04.1997 | 21:00 Uhr