Stand: 11.06.19 16:45 Uhr

Freikirchenbund empfiehlt Schwulenheilung

von Oda Lambrecht

"In den vergangenen Jahren und auch 2018 haben wir - der Herr hat es uns ermöglicht - gemeinsam viel für Gottes Reich geschafft", heißt es auf der Homepage des Bundes Freier evangelischer Gemeinden (FeG). Zum Erreichten zählt auch eine aktuelle "Orientierungshilfe" zum Umgang mit Homosexuellen in freien evangelischen Gemeinden. In dem Papier vom Dezember erklärt der Freikirchenverband Homosexualität für veränderbar und legt schwulen und lesbischen Menschen entsprechende Therapien nahe. Der Bund Freier evangelischer Gemeinden ist ein Zusammenschluss von knapp 500 bibeltreuen Gemeinden mit nach eigenen Angaben rund 41.000 Mitgliedern.

Die Behauptung, der Bund Freier evangelischer Gemeinden (FeG) empfehle sogenannte Konversionstherapien, sei falsch, erklärte ein Sprecher in einem Schreiben im Juni 2019. Offenbar um diese Aussage zu stützen, hatte der Freikirchenbund nach dem Bericht auf Panorama.de vom Februar 2019 eine entscheidende Aussage in seinem Text "Mit Spannungen umgehen: Zur Homosexualität in freien evangelischen Gemeinden" verändert.

In der Ursprungsversion hieß es noch: "Homosexuell geprägte Menschen, die den Versuch einer Veränderung ihrer sexuellen Orientierung anstreben, sollten sich einem professionell begleiteten therapeutischen Prozess stellen." Im Juni steht dort: "Homosexuell empfindende Menschen, die ihre sexuelle Identität jedoch als unsicher oder konflikthaft erleben, können sich einem professionell begleiteten Klärungsprozess stellen.

LSVD: "Homophober und gefährlicher Unfug"

Der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) kritisiert die Empfehlung scharf, Umpolungstherapien seien "homophober und gefährlicher Unfug". Sogenannte Konversionstherapien würden vor allem von religiös-fundamentalistischen Organisationen angeboten, so der LSVD, sie zielten - ausgehend von einer Abwertung von Homosexualität - auf eine Änderung von Sexualverhalten und sexueller Orientierung ab.

Die Schwulenheiler
Christian Deker, schwul und Panorama Reporter, besuchte Ärzte, die offenbar seine sexuelle Orientierung ändern wollen. Eine Reise in die homophoben Winkel der Republik.

Freikirchenbund: "Homosexuelles Verhalten" nicht mit Bibel vereinbar

In der freikirchlichen Handreichung "Mit Spannungen umgehen" heißt es, "homosexuelles Verhalten" sei mit dem biblischen Leitbild nicht vereinbar. Dieses Leitbild beinhalte die lebenslange Ehe zwischen einem Mann und einer Frau sowie das Zusammenleben als Familie, erklärt der Freikirchenbund.

Dementsprechend legt die Verbandsleitung Homosexuellen in ihren Gemeinden zwei Lösungen nahe: Entweder sollten sie heterosexuell werden oder zumindest auf eine homosexuelle Partnerschaft verzichten.

"Veränderbarkeit der homosexuellen Orientierung" laut Gemeindebund möglich

Die FeG-Bundesleitung schreibt, wenn "homosexuell geprägte Menschen" zu dem Schluss gekommen seien, ihre "Prägung" als unveränderbar annehmen zu müssen oder zu wollen, bestehe die Herausforderung darin, auf die "Praktizierung dieser Prägung" zu verzichten und sexuell enthaltsam zu leben.

Doch der Freikirchenbund glaubt auch, bei manchen sei die "Veränderbarkeit der homosexuellen Orientierung" möglich. Auf Nachfrage nach wissenschaftlichen Belegen schreibt der FeG-Sprecher: "Uns sind vereinzelt Menschen bekannt, die eine Veränderung ihrer sexuellen Orientierung erfahren haben."

Freikirchenbund: Homosexuelle sollten sich therapeutischem Prozess stellen

Dabei verweist das Papier explizit auch auf Therapien: "Homosexuell geprägte Menschen, die den Versuch einer Veränderung ihrer sexuellen Orientierung anstreben, sollten sich einem professionell begleiteten therapeutischen Prozess stellen." Denn, so heißt es weiter, die Begleitung eines "solchen Veränderungsprozesses" erfordere spezielle Kompetenzen, die Seelsorgerinnen und Seelsorger ohne entsprechende professionelle therapeutische Ausbildung überfordere.

"Panorama - die Reporter" hatte 2014 mit der Reportage "Die Schwulenheiler" aufgedeckt, dass einige Ärzte und Therapeuten in Deutschland schwulen und lesbischen Menschen auch heute noch anbieten, ihre Homosexualität verändern und sie damit quasi heilen zu können.

Weltärztebund: Therapien sind unwirksam und potentiell gesundheitsschädlich

Zahlreiche renommierte wissenschaftliche Einrichtungen stuften solche Umpolungsangebote als gefährlich ein. Der Weltärztebund und die Bundesärztekammer erklärten etwa, dass Homosexualität keine Erkrankung sei und deshalb keinerlei Heilung bedürfe. Sie stellten fest, entsprechende Therapien seien nicht nur "unwirksam", sondern könnten sich sogar "negativ auf die Gesundheit" auswirken.

Auch die Bundesregierung erklärte, dass Homosexualität keine Erkrankung sei und deshalb keiner Behandlung bedürfe. Bei Angeboten von fragwürdigen "Therapien", die geeignet seien, Patienten zu schädigen, seien die Ärztekammern oder Approbationsbehörden gefordert, im Einzelfall berufsrechtliche Schritte einzuleiten.

Auf Nachfrage von Panorama, wie der bibeltreue Bund es vor diesem Hintergrund verantworten kann, solche Angebote trotzdem zu empfehlen, verweist der FeG-Sprecher lediglich darauf, dass man sich wie der Deutsche Ärztetag 2014 gegen jegliche Stigmatisierung, Pathologisierung oder Benachteiligung von Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierungen ausspreche.

Den Widerspruch, den diese Antwort offenbart, möchte der Bund Freier evangelischer Gemeinden offensichtlich nicht auflösen und schreibt auf erneute Nachfrage: "Die in der Orientierungshilfe gemachten Aussagen und Hinweise halten wir für ausreichend und möchten über den Wortlaut nicht hinausgehen."

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 08.05.2014 | 21:15 Uhr