Stand: 04.07.24 13:00 Uhr

Kritik aus Regierungsparteien: Telekom baut immer noch chinesische Huawei-Technik ein (Manuskript)

von Stefan Buchen

Panorama v. 04.07.2024

Anmoderation Anja Reschke: "Wer mal ein Handy des chinesischen Herstellers Huawei besaß, was viele hatten, weil es günstiger als andere Anbieter war, wurde vor 5 Jahren böse überrascht. Die US-Regierung schloss Huawei von amerikanischen Apps aus und verhängte ein Embargo. Auch in Deutschland entbrannte damals die Diskussion, wie man sich in Zukunft unabhängiger von China machen könnte. Die damalige Bundesregierung machte schon deutlich, dass man Huawei durchaus als Sicherheitsrisiko einstufte und man auf die Beteiligung dieses Unternehmens verzichten solle. Vor allem beim Ausbau der 5G Netze. Zu einem Verbot konnte man sich damals allerdings nicht durchringen. Denn die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und China sind eben eng. Deshalb quält sich die Bundesregierung mit der Huawei Frage, sehr zur Freude der Telekom. Stefan Buchen." 

Achtung, der Fortschritt kommt. Eine neue Generation für den Mobilfunk, 5G. Funkmasten werden im ganzen Land aufgestellt, wie hier in Stadtlohn, Münsterland.

O-Ton Frank Weinbrenner, Deutsche Telekom Technik: "Hier wird jetzt erstmal die Deutsche Telekom ihre Anlagen aufbauen."

Die Telekom ist weit mit dem Aufbau ihres 5G-Netzes. Das liegt auch an der guten und günstigen Technik, etwa den Antennen, die auf die Funkmasten geschraubt werden. Den Hersteller der Antennen erkennen auch Experten nicht auf den ersten Blick.

O-Ton Frank Weinbrenner, Deutsche Telekom Technik: "Diese Antennen sind vom Hersteller Huawei, genau."

Moment mal - sollte Huawei nicht irgendwie rausfliegen aus dem deutschen 5G-Netz? Berlin verschärft Regeln für Huawei, hieß es vor vier Jahren. Die Politik fürchtet eine zu große Abhängigkeit vom Großkonzern aus China. Außerdem sieht Deutschland die Gefahr von Sabotage durch den chinesischen Systemrivalen. Deswegen sollte der Einbau von Huawei-Produkten ins deutsche 5G Netz eigentlich längst gestoppt sein. 2019 begannen die vier Mobilfunkanbieter mit dem Aufbau von 5G in Deutschland. Die Telekom und die beiden anderen Großen, Telefonica und Vodafone, verwendeten viel chinesische Technik. Nur der kleine Anbieter 1&1 traf von Anfang an eine klare Entscheidung.

O-Ton Ralph Dommermuth, Vorstandsvorsitzender 1&1 Mobilfunk: "Wir haben 2019 5G Frequenzen ersteigert und haben uns dann natürlich Gedanken gemacht, wer ist der beste Ausrüster zum Bau des Netzwerks. Wir haben mit den nahmhaftesten Herstellern gesprochen. Das günstigste Angebot kam aus China. Gleichzeitig gab es aber die politische Diskussion, ob es überhaupt opportun ist, mit chinesischen Anbietern zusammenzuarbeiten auf Grund von Sicherheitsbedenken."

1&1-Chef Ralph Dommermuth erinnert sich noch genau an Gespräche damals in Berlin. Im Frühjahr 2019 seien er und die drei anderen Mobilfunk-Chefs von der Bundesregierung empfangen worden.

O-Töne: Panorama: "Welche Botschaft haben Sie für sich als Unternehmenschef aus diesen Gesprächen mitgenommen?"

Ralph Dommermuth, Vorstandsvorsitzender 1&1: "Für mich war auf Grund dieser Gespräche klar, dass es nicht mehr opportun ist, in chinesische Ausrüster zu investieren."

O-Ton Roderich Kiesewetter, CDU-Bundestagsabgeordneter: "2019 hätte der Warnschuss sein müssen. Und das war Firmen wie Telekom, durchaus bewusst, wie sie entsprechende Abteilungen haben, die sich um Risikobewertung kümmern."

O-Ton Nils Schmid, SPD-Bundestagsabgeordneter: "Sie hätten auch im Sinne der nationalen Sicherheit in Deutschland auf den Einbau von Huawei verzichten müssen, weil der politische Wille ganz anders war. Aber wie´s eben so ist, Unternehmen schauen auf das kurzfristige Interesse."

Die Telekom wollte die gute und günstige Technik von Huawei. Wie stark sich der deutsche Branchenriese an den chinesischen Ausrüster gebunden hat, zeigt ein Emailverkehr vom Mai 2020. Manager der Telekom unterhalten sich mit Managern von Huawei über den Einkauf von Produkten, auch für 5G. Die Telekom will zeigen, dass sie eine gute Kundin der Chinesen ist und listet auf, was sie alles bei Huawei eingekauft hat. Die Herstellermacht von Huawei ist zu spüren. Der chinesische Konzern hat eine Zentrale in Düsseldorf. Vor vier Jahren sagte uns der Sprecher bereits, dass der Netzwerkausrüster nicht daran denke, seine Stellung hier aufzugeben. 

O-Töne Carsten Senz, Sprecher Huawei Deutschland, 5.11.2020: "Wir haben überhaupt nicht vor, uns aus Europa zurückzuziehen. Wir haben ja in Deutschland auch schon Verträge für den Bereich 5G geschlossen. Von daher geht die Zusammenarbeit weiter. 
Panorama: "Beim Aufbau des 5G-Netzes in Deutschland?"
Carsten Senz: "Richtig."

Die Folgen sind im Juni 2024 zu spüren: Die Telekom schraubt bis heute Antennen von Huawei auf ihre Funkmasten.

O-Ton Roderich Kiesewetter, CDU, Bundestagsabgeordneter: "Ich sehe die Verführung, Geld zu sparen, Shareholder-Value zu erhöhen, aber damit die deutsche Abhängigkeit weiter zu vertiefen."

O-Ton Nils Schmid, SPD-Bundestagsabgeordneter: "Es ist empörend, wie sie eindeutig gegen den Willen der Politik und des Gesetzgebers weiterhin Huawei-Komponenten verbauen." 

O-Ton Konstantin von Notz, Grüne-Bundestagsabgeordneter: "China ist ein sehr wichtiger Partner für Deutschland wirtschaftlich. Aber es darf eben in so kritischen Strukturen wie der Kommunikationsinfrastruktur dieses Landes keine Abhängigkeiten geben. Und die gibt es. Und wenn die Telekom heute noch Technik von Huawei verbaut, dann löst sie das Problem nicht, sondern verstärkt es."

Der Chef der Telekom sieht das Problem nicht. Er profitiert ja vom Pakt mit Huawei. Bei der Bilanz-Pressekonferenz im Februar sagt Timotheus Höttges, er habe die Risiken im Griff, kaufe auch bei anderen Herstellern. Wir wollen es genauer wissen und fragen ihn direkt.

O-Töne Panorama: "Herr Höttges, seit 2019 war absehbar, dass es mit wirtschaftlichen Risiken verbunden sein würde, wenn die Telekom weiter bei chinesischen Herstellern wie z.B. Huawei Ausrüstung kauft. Warum hat die Telekom trotz dieser Risiken weiterhin Komponenten bei Huawei gekauft?"

Timotheus Höttges, Vorstandsvorsitzender Deutsche Telekom: "Also erstmal diese Sicherheitsfragen nehmen wir sehr ernst, übrigens bei allen Herstellern, die wir bei uns einsetzen. Und wir halten uns hier an die entsprechenden Auflagen und die Rechtsvorschriften, die die Bundesregierung hier vorgibt."

 Was nicht explizit verboten ist, ist erlaubt. Telekom-Chef Höttges kennt das Gesetz, das der Bundestag vor drei Jahren beschloss. Es sollte Huawei aus dem deutschen 5G-Netz verbannen, angeblich.

O-Ton Horst Seehofer, CSU, Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat (23.04.2021): "Wir sorgen für die Cybersicherheit in den 5G-Mobilfunknetzen. Der Einsatz von kritischen Komponenten kann untersagt werden, wenn ein Hersteller nicht die erforderliche Vertrauenswürdigkeit besitzt."

Seehofer hat's verraten. Laut Gesetz kann die Regierung bestimmte Mobilfunkkomponenten untersagen. Seit drei Jahren prüft sie das. Das Ergebnis sei immer noch abzuwarten, lässt uns der Bundeskanzler mitteilen. Olaf Scholz weiß genau:  Er kann einen Bann gegen die Chinesen verhängen, er kann´s aber auch sein lassen.

O-Ton Konstantin von Notz, Grüne-Bundestagsabgeordneter: "Das Bundeskanzleramt und der Kanzler sind gefragt. Denn hier geht es ja um sehr grundsätzliche Fragen der Sicherheit für unser Land. Da müssen eben Entscheidungen gefällt werden und Verantwortung übernommen werden."

O-Ton Nils Schmid, SPD-Bundestagsabgeordneter: "Es braucht eine Verständigung und das Bundeskanzleramt ist dazu berufen, eine solche Verständigung herbeizuführen."

 Das fällt bekanntlich schwer. Zumal die drei großen Mobilfunkanbieter ein starkes Druckmittel haben. Sollten sie von der Regierung gezwungen werden, chinesische Technik aus ihrem Netz zu entfernen, fordert etwa Telekom-Chef Höttges Schadenersatz vom Staat.

O-Töne Panorama: "Warum erwarten Sie, Herr Höttges, dass bei den Kosten, die ja der Austausch von Komponenten mit sich bringen wird, dass bei diesen Kosten die Bundesregierung, der Staat, Ihnen unter die Arme greifen wird?"

Timotheus Höttgens, Vorstandsvorsitzender Deutsche Telekom: "Wenn sich Rahmenbedingungen verändern, die juristisch mit der Bundesregierung vereinbart worden sind, haben wir die Verpflichtung als Unternehmen, natürlich das dann entsprechend sorgsam zu prüfen, inwieweit daraus sich Schadensersatzansprüche ableiten lassen. Ich bin als Vorstandsvorsitzender als Mitglied einer aktiennotierten Gesellschaft natürlich verpflichtet, das Vermögen des Unternehmens dann auch entsprechend gegenüber Dritten zu schützen."

Wettbewerber Dommermuth ist empört. Er hat als einziger auf chinesische Ausrüstung verzichtet. Dafür würde er wirtschaftlich bestraft, wenn die Konkurrenz nun den Huawei-Austausch vom Staat ersetzt bekäme.

O-Töne Ralph Dommermuth, Vorstandsvorsitzender 1&1: "Auf der einen Seite hätten Unternehmen viele Jahre lang von dieser günstigen Hardware aus China profitiert und auf der anderen Seite bekämen sie jetzt den Technologiewandel, der notwendig ist, vom Staat bezahlt.

Panorama: "Und das wäre nicht gerecht?"

Ralph Dommermuth: "Das wäre eine Subvention. Und letztendlich wäre das eine Wettbewerbsverzerrung."

O-Ton Roderich Kiesewetter, CDU-Bundestagsabgeordneter: "Somit wird das quasi wieder auf die Steuerzahler abgewälzt. Das selbst verursachte unternehmerische Risiko wird wieder zum Risiko der Allgemeinheit. Ihre Zuschauerinnen und Zuschauer zahlen das von ihren Steuergeldern."

Ein Verbot von Huawei-Technik könnte also teuer werden. Deshalb denkt die Politik offenbar: abwarten hilft, die nächste Regierung kann es richten.

Bericht: Stefan Buchen
Kamera: Torsten Lapp
Schnitt: Thomas Schlottmann, Iryna Tietje

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 04.07.2024 | 21:45 Uhr