Stand: 13.07.23 06:00 Uhr

Hitzedeutschland: Kampf ums Wasser

von J. Barthel, J. Edelhoff, J. Körner, E. Özer, A. Ruprecht

In Berg bei Neumarkt in der Oberpfalz hat sich jahrelang niemand Gedanken um Wasser gemacht. In der Innenstadt gedeihen die Bäume, die Stadt hat ein Frei- und ein Hallenbad, es gibt einen Golfplatz, bis vor kurzem gab es sogar eine mobile Eislaufbahn.

Hitzedeutschland: Kampf ums Wasser
In Deutschland wird es immer trockener. Die Klimakrise erfordert umfangreiche Anpassungsmaßnahmen.

Bürgermeister Peter Bergler sitzt an seinem Schreibtisch. © NDR

Peter Bergler macht sich mit seinen Sparmaßnahmen unbeliebt.

Doch vor vier Wochen hat Bürgermeister Peter Bergler den Wassernotstand ausgerufen. Rasen sprengen, Blumen gießen, Auto waschen, Pools und Planschbecken befüllen - alles verboten. Das ist nicht bei allen der knapp 7.600 Einwohner gut angekommen.

Peter Bergler liest aus einem anonymen Brief vor, den er bekommen hat: "Jetzt sind alle Schwimmbäder gefüllt. Das ist die wahre Trinkwasser-Verschwendung. Und ich darf die Blumen nicht mehr gießen. Aber so ist Politik. Die Kleinen sollen sparen und die Reichen baden im Trinkwasser."

Gespaltene Stimmung im Ort

Ein privater Pool. © NDR

Pools dürfen vorerst nicht neu befüllt werden.

Die Stimmung in der Kleinstadt ist gespalten. Die Einsicht, dass mit dem vorhandenen Wasser verantwortungsvoll umgegangen werden muss, ist bei vielen vorhanden. Dass das im Umkehrschluss aber auch Einschnitte für das eigene Leben bedeuten kann, das ist dann doch schwieriger.

So wie bei Gertraud Fürst und Anita Simson. Die Nachbarinnen haben ihre eigenen Vorstellungen davon, was ein verantwortungsbewusster Umgang mit Wasser ist: "Fünfmal in der Woche das Auto waschen, das gibt es bei uns nicht!" Ihren Pool befüllen sie dagegen schon. "Diesen Luxus gönnen wir uns", sagt Anita Simson.

Verbot kam überraschend

Dass im Ort das Wasser einmal knapp werden könnte, hätten viele hier nicht gedacht - das Verbot kam überraschend. Bürgermeister Peter Bergler ist die Entscheidung nicht leichtgefallen. "Da macht man sich natürlich keine Freunde mit", sagt er. "Manchmal muss man ja auch eine Entscheidung treffen, die nicht so schön ist."

Immerhin, der aktuelle Wassernotstand herrscht wohl nur kurzfristig, da eine der Trinkwasserpumpen der Gemeinde saniert werden müsse. Bald gibt es wieder genug Wasser - erstmal. Denn das werde sich langfristig ändern, prophezeit Bergler. Die Tiefbrunnen, aus denen die Gemeinde Wasser fördern darf, zapften bereits die Reserven zukünftiger Generationen an.

Wie trocken ist Deutschland?

Eine Graphik zu Dürremonaten in Deutschland. © NDR

Deutschland wird immer trockener.

Wie trocken ist Deutschland mittlerweile? In einem großen Rechercheprojekt mit NDR, BR, WDR und CORRECTIV zum Stand der Klimaanpassungsmaßnahmen in Deutschland wurden alle Kreise und Kreisfreien Städte in Deutschland befragt. Rund 82 Prozent haben die Fragen beantwortet. Aus den Antworten zum Thema Trockenheit ergibt sich das Bild eines durstigen Landes.

Einige Regionen haben zwar genug Wasser, aber viele Kreise befürchten, dass es bald eng werden könnte. 53 Prozent der Landkreise und kreisfreien Städte schreiben, dass sie bis 2050 voraussichtlich häufiger Wassermangel erleben werden.

Ursachen dafür gebe es viele, sagt Christoph Schulte vom Umweltbundesamt: "Die Natur kann die Starkregen-Ereignisse nicht aufnehmen. Das Wasser wird abgeleitet, geht in die Flüsse, die sind begradigt und leiten dann das Wasser ganz schnell aus der Landschaft raus in Richtung der Meere."

Renaturierungsmaßnahmen erforderlich

Deutschland müsse in Zukunft so werden, wie es vor langer Zeit einmal war, so Schulte: "Abhilfe würde schaffen, wenn die Flüsse wieder so wären wie früher. Es würde helfen, wenn wir versuchen sie zu renaturieren, dass sie mehr Wasser länger in der Landschaft halten, wenn unsere Böden weniger versiegelt würden, dass die Böden das Wasser aufnehmen könnten."

Hilmar Mauer steht auf einer umzäunten Wiese. © NDR

Hilmar Mauer ist besorgt angesichts des Klimawandels.

Die Befragung zeigt auch, dass rund 79 Prozent aller Landkreise und kreisfreien Städte schätzen, dass ihre Region bis 2050 stärker von Dürre betroffen sein wird. Wo die Entwicklung in manchen Regionen hingehen könnte, zeigt ein Blick ins fränkische Bad Königshofen.

Hilmar Mauer misst hier seit 38 Jahren für den Deutschen Wetterdienst die Niederschlagsmengen. Er kann belegen: Seit zwölf Jahren regnet es viel zu wenig. Die Gegend wird von Geografen in Bezug auf die Niederschläge bereits als "semi-arid" eingeordnet; eine Definition, die man etwa für Teile der afrikanischen Sahelzone verwendet. Die Grundwasserbestände können sich nicht erholen: "Das bedeutet, dass wir auf dem Trockenen sitzen. Dass fast Wüstenklima wird bei uns", sagt Mauer: "Das macht mir Angst."

Wo steht Deutschland in Sachen Klimaanpassung?

Die Klimakrise erfordert umfangreiche Anpassungsmaßnahmen: Extremwetterereignisse wie Starkregen, langanhaltende Hitze oder Dürre werden zunehmen. Davon geht ein Großteil der Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland einer groß angelegten Befragung zufolge aus.

Journalistinnen und Journalisten von NDR, BR, WDR und CORRECTIV wollten wissen, wie gut Deutschland auf die Klimakrise vorbereitet ist und fragten alle Kreise und kreisfreien Städte in Deutschland an.

329 Verwaltungen haben geantwortet - etwa 82%. Fast alle (96%) gehen davon aus, dass sie bis zum Jahr 2050 häufiger extreme Ereignisse wie Wassermangel oder Hochwasser erleben werden. Panorama hat gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen die Daten zum Wassermangel ausgewertet.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 13.07.2023 | 21:45 Uhr