Stand: 03.02.22 09:00 Uhr

Vorkaufsrecht: FDP blockiert Mieterschutz

von Johannes Edelhoff, Katharina Schiele

Im November 2021 hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ein Urteil gesprochen, das Auswirkungen für tausende Mieterinnen und Mieter hat: Das kommunale Vorkaufsrecht sei, so wie es aktuell angewandt wird, nicht im Einklang mit dem Baugesetzbuch. Das Gericht legt das Baugesetzbuch so aus, dass das Vorkaufsrecht nicht gilt, wenn ein Grundstück gemäß städtebaulichen Zielen genutzt wird - also das Haus darauf in ordentlichem Zustand und bewohnt ist.

De facto bedeutet diese Auslegung das Ende für das mietpolitische Instrument des Vorkaufsrechts. Grundsätzlich wäre das kein großes Problem: Die Regierung könnte einfach eine neue gesetzliche Regelung beschließen, Vorlagen gäbe es.

Vorkaufsrecht: FDP blockiert Mieterschutz
Städte fordern von der Ampelkoalition eine zügige Neuregelung des Vorkaufsrechts.

Debatte mit Sprengkraft

Demonstration für Wohnrecht in München © NDR / ARD

Alltag in deutschen Städten: Mieter demonstrieren für bezahlbaren Wohnraum.

Doch dafür müssten sich die drei ungleichen Koalitionspartner einig sein in der Frage: Sollten Kommunen weiterhin das Recht haben, bei Erfüllung bestimmter Kriterien eine Immobilie zu kaufen, diese also einem möglichen Investor gewissermaßen wegzuschnappen und somit dem Markt zu entziehen?

Die Debatte hat Sprengkraft für die neue Koalition, denn im Kern geht es darum, ob der Staat der bessere Immobilieninvestor ist. Wenig überraschend: Die FDP ist keine Freundin dieses politischen Instruments. Daniel Föst, baupolitischer Sprecher der FPD-Bundestagsfraktion, sagt: "Wenn wir die Gesamtsumme anschauen, die zum Beispiel München oder Berlin in Vorkaufsrecht investieren, dann habe ich Zweifel, ob da wirklich der Euro am besten investiert ist."

Cansel Kiziltepe, SPD, Staatssekretärin im Bundesbauministerium © NDR / ARD

Hält das kommunale Vorkaufsrecht für ein wichtiges Instrument gegen Verdrängung: Cansel Kiziltepe, SPD.

Ganz anders sehen das Grüne und SPD. Die Staatssekretärin im Bundesbauministerium Cansel Kiziltepe (SPD) betont: "Das Vorkaufsrecht ist eines der wichtigsten Instrumente für Kommunen im Kampf gegen Verdrängung."

Schnelle Neuregelung gefordert

Gerade in den großen Städten mit angespanntem Mietmarkt wird das Vorkaufsrecht regelmäßig genutzt: In Frankfurt bislang insgesamt neunmal, in Hamburg 35-mal, in München 63-mal und in Berlin sogar 96-mal. Bis dann im November das Urteil kam. Die SPD-Oberbürgermeister:innen der drei größten deutschen Städte Berlin, Hamburg und München appellieren in einem gemeinsamen Brief an die Ampel-Regierung, es brauche jetzt eine gesetzliche Änderung. Auch die grüne Kommunalpolitikerin Svenja Jarchow-Pongratz aus München betont, wie wichtig jetzt vor allem schnelles Handeln ist: "Wir haben das Vorkaufsrechts verloren, wir haben diese Option verloren und wir haben sofort gesehen, was das für die großen Städte bedeutet."

Grafik Vorkaufsrecht © NDR / ARD

In Hamburg, Berlin oder München, also Städten mit angespanntem Mietmarkt, wurde das Vorkaufsrecht regelmäßig genutzt.

Nach Panorama-Recherchen konnten allein in München seit dem Urteil 15 Häuser nicht durch die Stadt gekauft werden, obwohl dies bereits beschlossen war. In Berlin wurden Ende 2021 ganze 50 Prüfverfahren gestoppt, in zwölf Fällen, wo das Vorkaufsrecht bereits ausgesprochen wurde, muss es zurückgenommen werden. Und das allein in zwei Monaten. Stefan Jagel, für die Linke im Münchner Stadtrat, befürchtet: "Wenn das so weitergeht, sind es tausende Mieterinnen und Mieter bis Ende des Jahres, die wir nicht schützen können."

FPD will erstmal prüfen

Also durch eine Gesetzesänderung schnell wieder das kommunale Vorkaufsrecht ermöglichen? Nein, findet der Münchner FDP-Stadtrat Jörg Hoffmann, zuständig für mietpolitische Fragen: "Ich sehe hier keinen Handlungsbedarf." Schließlich sei die Rolle der FDP in der Regierung die der "Hüterin der Marktwirtschaft, und deswegen hoffe ich, dass das Baugesetzbuch an dieser Stelle nicht verändert wird".

Daniel Föst, baupolitischer Sprecher der FPD-Bundestagsfraktion © NDR / ARD

Ist gegen eine rasche Gesetzesänderung, um das kommunale Vorkaufsrecht wieder zu ermöglichen: Daniel Föst, FDP.

Auch Daniel Föst, baupolitische Sprecher der FPD-Bundestagsfraktion, ist gegen eine schnelle Änderung und will erstmal verschiedene mietpolitische Instrumente gründlich prüfen: "Welche Maßnahmen funktionieren wirklich, wo gibt es vielleicht andere Möglichkeiten, es besser zu machen?"

Für Caren Lay, Bundestagsabgeordnete der Linken, ein durchsichtiges Manöver: "Meine Befürchtung ist, dass die Koalition, dass die Ampel sich nicht einig ist, das Thema auf die lange Bank geschoben wird, weil die FDP blockiert. Die Immobilien-Lobby nutzt jetzt diese Gesetzeslücke und nutzt diesen Zustand, um ihre Interessen durchzusetzen." Die Debatte um die Neufassung des kommunalen Vorkaufsrechts wird zur Bewährungsprobe für die Ampel.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 02.02.2022 | 21:45 Uhr