Stand: 31.10.13 10:00 Uhr

Gutachter: Die heimlichen Richter

von Anke Hunold, Jasmin Klofta
David S. © NDR/ARD

Hatte angeblich eine reaktive Depression: David S. Festgestellt hat dies eine Heilpraktikerin - im Auftrag des Gerichts.

Seit mehr als einem Jahr darf David S. seine drei Kinder nur noch ein bis zwei Mal im Monat sehen. Eine Gutachterin erklärte den 30-Jährigen für "nur teilweise erziehungsfähig". Eine der Begründungen: Er leide an einer "reaktiven Depression" und verweigere eine Therapie. Wie genau die Gutachterin auf diese schwerwiegende Diagnose kam, steht allerdings nicht im Gutachten. Die Folge: David S. verliert das Sorgerecht für seine drei Kinder.

Dieses von einem Familienrichter beauftragte Gutachten hat nicht etwa eine Psychologin erstellt, die Gutachterin absolvierte gerade mal Ausbildungen zur Altenpflegerin und Heilpraktikerin. Kein abgeschlossenes Studium, sie hat nur Kurse in Psychologie belegt.

Jeder kann Gutachter werden

Das Problem: In Deutschland darf sich jeder Gutachter nennen. Und ein Gericht darf wegen der richterlichen Unabhängigkeit jeden zum Gutachter oder Sachverständigen ernennen, wie beispielsweise an Familiengerichten. "Wenn der Richter meint, seine Oma sei sachkundig und der Richter sie bestellt, dann ist sie sachkundig", sagt Elmar Bergmann, ein pensionierter Familienrichter.

Bundesweite, einheitliche Mindeststandards für Gutachten, beispielsweise an Familiengerichten, gibt es nicht. Studien belegen: Die Qualität vieler dieser Gutachten ist ungeheuerlich schlecht. Die Auswirkungen für die Betroffenen können katastrophal sein.

Die bessere Gutachterin war krank

Wie bei David S.: Ob die Entscheidung mit einem anderen Gutachter anders gelaufen wäre, ist unklar. Die Heilpraktikerin stellte auf Anfrage jedenfalls fest: Nur ein Psychologiestudium garantiere noch kein gutes Gutachten. Ihres hat das Gericht inhaltlich offenbar nicht hinterfragt.

Doch warum verlässt sich ein Gericht bei solch schwierigen Fragen überhaupt auf diese Gutachterin? Das zuständige Gericht sagt, dass der Gutachter, den die Richterin normalerweise bei solchen Fragen beauftrage, zu dem Zeitpunkt überlastet war. Deshalb habe man, da eine Bewerbung der Gutachterin auf dem Tisch lag, auf diese Gutachterin zurückgegriffen.

Fehlende Kontrolle durch Richter

Dass die Qualität von Gutachten auch desaströs sein kann, merken Richter häufig nicht. Der pensionierte Familienrichter Elmar Bergmann hat dafür eine einfache Erklärung: "In aller Regel wird die Zusammenfassung gelesen und damit hat es sich. Und das wird auch übernommen." Dabei müsse der Richter eigentlich jede Seite des Gutachtens überprüfen.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 31.10.2013 | 21:45 Uhr