Viel Elend, wenig Geld - Entwicklungshilfe auf Rekordtief

von Bericht: Andreas Cichowicz, Andreas Lange

Politik und Wahrheit schließen sich nicht zwingend aus, aber eben doch recht häufig. Und es gibt Zeiten, da kann man zumindest mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen, dass eine Zusage so nicht gemeint war, wie sie zunächst verstanden werden sollte. Im Wahlkampf wird versprochen, zugesagt, angekündigt - und danach sofort wieder vergessen. Auch darum hat sich Panorama in all den Jahren immer wieder gekümmert. 1998 versicherte der frisch ins Amt gehobene Gerhard Schröder in seiner Regierungserklärung, man werde das Geld für Entwicklungshilfe, für die Unterstützung der ärmsten Länder, erhöhen. Inzwischen liegt der Etat des zuständigen Ministeriums niedriger als noch in der Regierungszeit von Helmut Kohl.

Viel Elend, wenig Geld - Entwicklungshilfe auf Rekordtief
Panorama berichtet 2001 über leere Versprechen von Bundeskanzler Schröder, den Etat für Entwicklungshilfe zu erhöhen.

Warten auf den Tod. Das Schicksal von mittlerweile über 25 Millionen Aids-Kranken in Afrika. Der Kampf gegen das Virus beginnt bei der Aufklärung der Bevölkerung, ein Schwerpunkt deutscher Hilfsorganisation. Doch Geld für eine umfassende Aids-Bekämpfung ist knapp.

Wolfgang Schmitt von der GTZ: "Das ist eigentlich unsere größte Besorgnis, dass in Fällen, wo eigentlich mehr getan werden müßte, um überhaupt wirksam helfen zu können, wir auf vergleichsweise niedrigem Niveau verharren und uns im Grunde genommen die Epidemie davoneilt."

Minenopfer in Angola. Die Hilfsorganisation Medico organisiert hier Rehabilitation und beschafft Prothesen, mit Unterstützung der deutschen Entwicklungshilfe. Doch immer öfter stehen die Opfer alleine da.

Thomas Gebauer von Medico International: "Das ist eine sehr schwierige Arbeit, die viele Jahre in Anspruch nimmt. Das ist nicht von heute auf morgen zu leisten, und wir haben drei Jahre Finanzierung durch das BMZ gehabt, durch das Entwicklungshilfeministerium, und das ist dann leider 1999 ausgelaufen. Dann waren die Mittel nicht mehr dafür zur Verfügung, und das ist dann schon sehr deprimierend."

Dabei versprach Deutschland 1992 beim Umweltgipfel in Rio noch das Blaue vom Himmel. Helmut Kohl sagte damals zu, mindestens 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts für Entwicklungshilfe bereitzustellen. Trotzdem sank unter Kohl der Anteil der Entwicklungshilfe am Bruttosozialprodukt von 0,42 Prozent 1990 auf 0,26 Prozent 1998. Vom 0,7 Prozent-Ziel aus Rio weit entfernt.

1998. Der neue Bundeskanzler Schröder wollte bei der Entwicklungshilfe vieles anders und alles besser machen.

Schröder 1998: "Diesen Abwärtstrend werden wir stoppen und dabei auf Effizienz und Kohärenz der Maßnahmen zur Bewältigung globaler Zukunftsaufgaben achten."

Im Koalitionsvertrag ging Rot-Grün sogar noch weiter. Die neue Bundesregierung legte fest, sie werde "den Abwärtstrend des Entwicklungshaushaltes umkehren und kontinuierlich maßvoll erhöhen".

Schöne Worte, keine Taten. Auch unter Schröder sinkt der Anteil der Entwicklungshilfe. Nächstes Jahr sollen es nur noch 0,22 Prozent sein - das 0,7 Prozent-Ziel in weite Ferne gerückt.

Trotzdem gibt die Bundesregierung bei internationalen Konferenzen weiterhin große Versprechen - zuletzt beim Milleniumsgipfel in New York, wo der Kanzler die weltweite Bekämpfung der Armut zusicherte.

Josef Sayer von Misereor: "Was ich Bundeskanzler Schröder vorwerfe, ist, dass er eigentlich bei internationalen Konferenzen sehr schöne Dinge ankündigt, die mir aus dem Herzen gesprochen sind, weil ich selber im Slum gearbeitet habe und mir davon sehr viel verspreche. Und dann erfolgen keine Taten." Wolfgang Schmitt: "Politisch betont man immer noch, man möchte mehr tun, man würde den entsprechenden Problemen begegnen. Allein was fehlt, ist dann das nötige Kleingeld."

Der ständige Kampf ums Kleingeld. Und doch mag Heidemarie Wieczorek-Zeul nicht klagen, sie entschuldigt das Rekordtief - wie alle Politiker - mit Sachzwängen.

Heidemarie Wieczorek-Zeul, Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit: "Die Schwierigkeit ist im Grunde immer die: Wir haben einerseits das Ziel der Konsolidierung des Haushaltes, und da sagt ja auch jeder: Applaus, Applaus, des Gesamthaushaltes, und umgekehrt das Ziel - auch mein Ziel -, immer dazu beizutragen, dass für neue Aufgaben der Entwicklungszusammenarbeit, dass da Finanzmittel zusätzlich mobilisiert werden. Das ist ein Spannungsverhältnis, und ich engagiere mich eben, das Spannungsverhältnis zu Gunsten der Menschen in Entwicklungsländern zu lösen."

Doch diese Menschen können von der roten Heidi nicht mehr viel erwarten. Und das frustriert mittlerweile auch den grünen Koalitionspartner.

Angelika Köster-Loßack (Bündnis 90/Die Grünen): "Das Bewusstsein darüber, dass Glaubwürdigkeit verloren geht für die eigenen Anstrengungen, für die eigene Politik - und das meine ich jetzt nicht persönlich, sondern das meine ich insgesamt für die Regierungskoalition. Weil im Grunde gilt die Aussage, dass man zu seinem Wort stehen soll, oder nicht?"

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 28.06.2001 | 21:00 Uhr