Säurebad und Gummimatte - Der vorgetäuschte Seuchenschutz gegen die Maul- und Klauenseuche

von Bericht: Thomas Berndt, Sabine Doppler, Stephan Stuchlik
Schweine © Petra Volquardsen / NDR Foto: Petra Volquardsen

Können wir uns das vorstellen: Wander- und Radwege in Niedersachsen sind gesperrt. In Schleswig-Holstein sind die nordfriedischen Inseln nicht mehr zugänglich, genauso wie die Strände. Weite Teile Deutschlands unter Quarantäne. Und die Bauern längst bankrott, denn ihre Rinder und Schweine mussten notgeschlachtet - gekeult werden. Das müssen wir uns wohl vorstellen. Noch hat uns die Maul- und Klauenseuche zwar nicht erreicht, aber sie frisst sich weiter durch Europa. Ihr Verbreitungsgrad gehört mittlerweile zu den Abendnachrichten wie der Wetterbericht - mit immer schlechteren Vorhersagen. Aufzuhalten ist sie wohl kaum. Aber gegen das Virus werden hier starke Bollwerke errichtet, zum Beispiel an den Flughäfen.

Der vorgetäuschte Schutz gegen die Maul- und Klauenseuche
Die Maul- und Klauenseuche breitet sich 2001 weiter aus. Nun werden an Flughäfen Desinfektionsmaßnahmen durchgeführt.

Mit dem Handzerstäuber gegen das Killervirus, Flughafen Hamburg. Unbeachtet vom Rest der Welt pflegt Andre Jänicke seine Gummimatten mit Phenofet-1-Säure, vorschriftsgemäß dreimal jeden Tag. Von ihm hängt das Schicksal eines ganzen Bundeslandes ab, denn jeder Passagier ist ein Risikofaktor, jeder Schuh ein potentieller Seuchenherd. Schade nur, dass niemand den mustergültig gepflegten Teppich überhaupt bemerkt. Andre Jänicke kontrolliert derweil unbeirrt, ob die Matte auch schön sauer ist.

Panorama: "Was machen Sie jetzt?"

Andre Jänicke, Seuchenbekämpfer: "Ich nehme noch mal den pH-Wert für die aufgetragene Flüssigkeit und das Verhältnis zu der Matte, zur Kontrolle, ob der pH-Wert zweieinhalb bis drei auch eingehalten wird. Denn die Säure kann dann am besten die Viren abtöten."

Panorama: "Sieht gut aus."

Gummimatte und Säurebad - ein vorbildlicher Kampf der Freien und Hansestadt Hamburg gegen die Maul- und Klauenseuche, ganz im Sinne der obersten Behörde.

Alexander Müller vom Verbraucherschutzministerium dazu: "Die Lage ist dramatisch, die Lage ist sehr ernst, und deswegen sind wir auch in der Lage und bereit, den Reiseverkehr so weit zu behindern, dass man eine bestimmte Desinfektionsmaßnahme auch durchführen kann."

Schade nur, dass der größte deutsche Flughafen da nicht mitzieht: Frankfurt Airport, die Drehscheibe in Europa, 49 Millionen Passagiere jedes Jahr, aus 178 Ländern. Von Gummimatten hier keine Spur, über Marmorboden schlendert man ganz entspannt Richtung Ausgang - auch die vielen Passagiere, die aus den akuten Seuchenländern kommen.

Christine Kolodzeiski vom Zoll Flughafen Hamburg: "Es ist wahrscheinlich ziemlich schwierig, 20.000 Passagiere, die ja jeden Tag hier einreisen, durch diese Matten laufen zu lassen, das ist hier gar nicht durchführbar."

500 Kilometer südlich, München, der zweitgrößte Flughafen der Republik. Hier hat man vor ein paar Wochen den Feldversuch durchgeführt, die Säurewanne für die Fans von Arsenal-London. Beim Championleagspiel gegen die Münchner Bayern mussten selbst die Stewardessen durch die Brühe stakeln.

Doch mittlerweile kann das Virus wieder ungestört nach München einmarschieren, denn jetzt gibt es Handzettel statt Hygiene. Flug 1792 KLM aus den verseuchten Niederlanden - nix Wanne, nix Teppich, alles wieder abgeschafft.

Amtstierärztin des Flughafens, Dr. Sabine Kleeberg-Ruppert, dazu: "Wir erreichen damit keine übermäßig große Sicherheit. Wenn Sie daran denken, dass möglicherweise die Schuhe, die ja in dem Rucksack oder im Koffer sich befinden, dass der Reisende mit diesen Schuhen über eine Schafweide gelaufen ist, dass also die tatsächliche Gefahr vielleicht von diesen Schuhen ausgeht, die erreichen wir mit diesen Desinfektionsteppichen nicht. Ebenso wenn sich das Virus auf der Schuhoberfläche befindet, erreichen wir es mit diesen Desinfektionsmaßnahmen ebenfalls nicht."

Und in Deutschland kann sowieso jeder Flughafen machen, was er will. Der Bundesregierung bleibt da nichts als hilflose Appelle. Besonders gut läuft es im Moment jedenfalls nicht.

Alexander Müller: "Dass es immer etwas zu verbessern gibt, will ich überhaupt nicht bestreiten, auf allen Ebenen." Panorama:"Dem Virus ist es ja egal, ob das über Hamburg kommt oder ob das über Berlin kommt." Alexander Müller: "Ich gehe davon aus, dass dem Virus alles egal ist, aber uns darf nicht egal sein, die richtigen und geeigneten Maßnahmen zu ergreifen."

Und in München hält man es zum Beispiel für wichtig, die Passagiere innerlich aufzurütteln, mit permanenten Lautsprecherdurchsagen.

Durchsage: "Sehr geehrte Reisende, in den Niederlanden ist die gefährliche Maul- und Klauenseuche aufgetreten. Diese Krankheit ist eine hochgradig ansteckende Viruskrankheit. Bitte beachten Sie: Es ist verboten, tierische Produkte für den eigenen Verzehr, als Geschenk oder zum Handel in Ihrem Gepäck mit sich zu führen."

Butterbrot-Razzia beim Münchner Zoll. Jetzt geht¿s einigen Passagieren an die Koffer. Bei der Seuchenprävention kennt man hier kein Erbarmen. Nicht nur Frischfleisch aus den Risikoländern, auch ein harmloses Stück Gouda wird für den korrekten Münchner Zollbeamten zum Sondermüll. Da kann der Backpacker nur staunen.

Steril verpackt präsentiert Thomas Meister (Zoll Flughafen München) stolz die Ausbeute eines ganzen Tages. "Das wurde gestern am Flughafen in München sichergestellt: Käse aus Holland, diverse Wurstsorten aus England, noch mal diverse Wurstsorten und ein Käse-Sandwich aus Holland und ein Butterbrot."

Butterbrot-Razzia in München, Säurematten in Hamburg - wirklich stoppen wird man das Virus so wohl nicht. Aber es gibt zumindest starke Bilder, auch für¿s Fernsehen, Bilder, die die Öffentlichkeit beruhigen.

Die Amtstierärztin Dr. Sabine Kleeberg-Ruppert: "Diese Maßnahmen haben sicher eine psychologische Wirkung und machen sich sicherlich auch in den Medien recht gut."

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 29.03.2001 | 21:00 Uhr