Presseerklärung: Neue Ermittlungen zur Meinhof-Demonstration stützen sich auf dubiose Informanten

Neuer Kronzeuge möchte "Joschka Fischer entlasten und helfen" - ARD-Magazin Panorama dokumentiert erstmals Ausschnitte aus Polizeivideo - Opfer und damalige Polizisten erheben Vorwürfe gegen Ermittlungsbehörden.

Grünen-Spitzenpolitiker Joschka Fischer. © picture-alliance/ dpa Foto: Karin Hill

Dem ARD-Magazin Panorama liegen neue Unterlagen zum Ermittlungsverfahren wegen des versuchten Mordes an einem Polizeibeamten während der sogenannten Meinhof-Demonstration vom 10. Mai 1976 in Frankfurt vor. Darunter auch ein Polizeivideo zum Tatgeschehen, über dessen bislang unbekannte Bilder in der deutschen Presse seit Tagen spekuliert wird. Das ARD-Magazin wird in seiner heutigen Ausgabe (21.45 Uhr, ARD) erstmals Ausschnitte dieses Videos ausstrahlen. Die Panorama-Redaktion wollte sich nicht dazu äußern, wie sie in den Besitz dieses Videos kam.

Nach Angaben des ARD-Magazins widerlegt die Auswertung dieses Videos die Behauptungen mehrerer Zeitungen und Printmagazine, dass darauf eine Frau als Werferin der Molotow-Cocktails auf den Polizisten Jürgen Weber zu erkennen sei. Weber wurde bei diesem Anschlag lebensgefährlich verletzt.

Das Video dokumentiert lediglich - so Panorama - flüchtende Menschen, Krawalle während der Demonstration sowie Tatortbilder nach dem Wurf der Molotow-Cocktails. Bilder, die die eigentliche Tat dokumentieren, sind nicht vorhanden. Die für das Verfahren zuständige Staatsanwaltschaft in Frankfurt lehnte gegenüber Panorama aus "ermittlungstaktischen Gründen" jede Stellungnahme zum Inhalt dieses Videos ab.

Der damals schwerverletzte Polizist Jürgen Weber und der damalige Einsatzleiter Horst Breunig wurden nach eigenen Angaben bis heute niemals von der Staatsanwaltschaft zu der damaligen Tat vernommen. Beide äußerten in Interviews mit dem ARD-Magazin ihre Empörung über dieses "schlimme Versäumnis" der Ermittler.

Beide haben noch präzise Erinnerungen an das damalige Tatgeschehen. Ihre Schilderungen sind voller Brisanz. Denn sie widersprechen in zentralen Punkten den Aussagen eines Zeugen, auf dessen Offenbarung nach Panorama-Recherchen die wieder aufgenommenen Ermittlungen der Frankfurter Staatsanwälte beruhen. Sowohl dessen Schilderung des Tatherganges als auch die Identifizierung einer Frau als Täterin bezeichnen beide Polizisten aufgrund ihrer eigenen Erlebnisse während der Meinhof-Demonstration als "absolut unseriös" und "unglaubwürdig".

Der Name des Zeugen ist Manfred Scholz. Er sitzt derzeit wegen Betrügereien in einer hessischen Haftanstalt. Unterlagen und Telefonlisten aus seiner ehemaligen Wohnung im Berliner Bezirk Marzahn belegen, dass er über mehrere Monate hinweg in ständigem Kontakt mit den Frankfurter Ermittlungsbehörden stand. Sein damaliger Mitbewohner Waldemar Hammer behauptet in einem Panorama-Interview, dass Scholz häufig Geldbeträge von der Frankfurter Polizei erhalten habe. Seinen intensiven Kontakt zur Behörde hätte Scholz ihm gegenüber immer wieder damit begründet, "Joschka Fischer entlasten zu wollen und ihm zu helfen". Er würde ihn von früheren Frankfurter Hausbesetzertagen kennen.

Die Panorama vorliegenden Telefonlisten dokumentieren auch unzählige Telefonate mit der Hamburger Journalistin Bettina Röhl. Nach ihren Angaben wollte Scholz sie immer wieder davon überzeugen, dass Joschka Fischer nichts mit den damaligen Vorgängen zu tun hatte. Vielmehr seien es "die Frauen gewesen". Für Bettina Röhl ist der Zeuge jedoch aufgrund ihrer eigenen Recherchen unglaubwürdig. Zudem habe sie frühzeitig durch die Kontakte mit seinem Mitbewohner von den engen Kontakten zwischen Scholz und den Ermittlungsbehörden gewusst.

Dem ARD-Magazin liegt nach eigenen Angaben auch das Polizeiprotokoll der damaligen Meinhof-Demonstration vor. Darin sei unter anderem unter der Uhrzeit 16.55 Uhr vermerkt: "Daniel Cohn-Bendit tritt als Rädelsführer auf." Dies steht im Widerspruch zur Aussage des Fischer-Weggefährten in der ARD-Sendung "Beckmann" vom 29.01.2001. Dort hatte Cohn-Bendit bestritten, an dieser Demonstration teilgenommen zu haben.

Panorama hatte Bundesaußenminister Fischer für die heutige Sendung einen umfangreichen Fragenkatalog mit der Bitte um Beantwortung zugeleitet. Das Auswärtige Amt teilte heute (Donnerstag) telefonisch mit, dass eine Beantwortung dieser Fragen nicht erfolgen werde.

1. Februar 2001

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 01.02.2002 | 21:45 Uhr