Schmiergelder und Luxusreisen - Korruption in deutschen Amtsstuben

von Edith Heitkämper, Max von Klitzing, Anja Reschke

Mit der Yacht auf hoher See, Traumreise auf eine Südseeinsel, ein flottes Auto, Shoppen auf der Edelmeile - Luxus pur, das Geld spielt keine Rolle. Viele deutsche Beamte können sich dieses Leben leisten, und es kostet sie keinen Pfennig. Bezahlen muss am Ende der ahnungslose Steuerzahler.

Schmiergelder und Luxusreisen - Korruption in Amtsstuben
Bestechungen und Korruptionsfälle in deutschen Ämtern nehmen 2000 zu. Einzelfälle sind das schon lange nicht mehr.

Seit über zehn Jahren kämpft der Frankfurter Staatsanwalt Wolfgang Schaupensteiner gegen korrupte Wirtschaftsbosse und bestechliche Beamte. Wenn in Deutschland öffentliche Aufträge vergeben werden, läuft immer mehr über Schmiergeld.

Schaupensteiner ist sich sicher: "Wir werden niemals korruptionsfreie Zonen, egal in welcher Branche, schaffen können. Wir müssen aber verhindern, dass die Korruption sich weiter ausbreitet, und das tut sie derzeit in einem erschreckenden Maße. Es geht um ungeheuer viel Geld. Die Schäden allein in der öffentlichen Bauwirtschaft rechnet man im Jahr in der Bundesrepublik auf über 10 Milliarden Mark hoch."

Das Prinzip ist immer gleich. Ein Beispiel: In der Frankfurter City wurde ein städtisches Gebäude renoviert. Zwei Mitarbeiter der Stadtverwaltung vergaben den Auftrag ganz gezielt an eine Baufirma und kassierten dafür. Beide bekamen von dieser Firma ein Privathaus im Grünen, als Schmiergeld. Am Ende wurde einfach die Rechnung für den städtischen Auftrag manipuliert, die Renovierung offiziell eine Million Mark teurer, bezahlt vom Steuerzahler.

Schaupensteiner ist sich sicher, dass es so in vielen Verwaltungen funktioniert: "Die Unternehmen sind wie Kaufhäuser ohne Kassen. Wenn ein Korruptionsdialog funktioniert - das heißt: der Beamte ist auf der Zahlungsliste, auf der Gehaltsliste des Unternehmens -, dann stellt der Beamte Forderungen, entweder in Bargeld oder in Sachleistungen. Und dann wird alles gezahlt, solange die Auftragslage funktioniert."

Die Spur der Schmiergelder zieht sich durch die ganze Republik. Zum Beispiel Stuttgart. Beamte kaufen überteuerte Computer und nehmen dafür Bargeld. Schaden: Fünf Millionen Mark.

München. Für die Vermietung von Kasernen hält ein Beamter die Hand auf: 400.000 Mark Provision.

Köln. Dreißig Beamte bedienen sich durch falsche Abrechnungen an der Stadt wie in einem Kaufhaus ohne Kassen.

Hamburg. Von der Beschäftigungsgesellschaft soll nur der Aufträge gekriegt haben, der 2.000 Mark Schmiergeld zahlte.

Berlin. Fahrprüfer in achtzig Fällen wegen Bestechung angeklagt. Sie haben Führerscheine schon für 300 Mark verkauft.

Kiel. Die Antikorruptionseinheit kehrt mit beschlagnahmten Akten ins Landeskriminalamt zurück. Fast hundert Einsätze in nur zwei Jahren. Mit einem einzelnen Fall fingen die Ermittler an. Ein Beamter hatte jahrelang für die Vergabe öffentlicher Bauaufträge Schmiergeld kassiert und so seine beiden Privathäuser finanziert. Dieser Fall hat sich mittlerweile so ausgeweitet, dass fast die gesamte Landesbauverwaltung darin verwickelt ist.

Der Korruptionsskandal füllt zahlreiche Aktenordner, denn die Überprüfung des ersten Beamten hat ergeben, dass er von mehreren Firmen geschmiert wurde. Die wiederum haben mit weiteren Beamten zusammengearbeitet. Inzwischen geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass fast keine Kieler Baufirma unbeteiligt war. Noch immer laufen über hundert Verfahren.

Aber es geht um mehr als nur Bestechung. In Kiel arbeiten Staatsanwälte, Polizisten, Steuerfahnder und ein Verwaltungsfachmann zusammen. Gemeinsam verfolgen sie von Anfang an alle Delikte, die Korruption nach sich ziehen.

Bernd Winterfeldt von der Kieler Staatsanwaltschaft erklärt das so: "Sie müssen davon ausgehen, dass bei Korruption nicht nur Bestechung, Bestechlichkeit stattfinden, sondern dass Urkundenfälschung stattfindet, dass Untreue stattfindet, dass Preisabsprachen im Sinne des Strafgesetzbuches stattfinden und dass auch Steuerhinterziehungen im Sinne der Abgabenordnung stattfinden. Das sind alles Delikte, die nahezu oder im wesentlichen in diesem Zusammenhang mit verwirklicht werden."

All dies sind Delikte, die dem Hamburger Oberregierungsrat Leopold vorgeworfen wurden - unter anderem. Er war zuständig für die Vergabe der begehrten Plätze auf dem Hamburger Rummel, 15 Jahre lang. Gleichzeitig war er aber auch Vorsitzender des Jahrmarktfördervereins, in dem die Schausteller organisiert sind. Aus der Vereinskasse zweigte er jahrelang mehrere hunderttausend Mark ab. Dafür ließ er sein Haus streichen, den Garten gestalten und sogar einen Pferdestall bauen.

Zwei Jahre lang ist ihm das Dezernat Interne Ermittlungen auf der Spur. Die Hamburger Sondereinheit rückt immer dann aus, wenn Verdacht auf Korruption besteht, allein im vergangenen Jahr in 152 Fällen. Ein beachtlicher Erfolg. Und somit steigt Hamburg in der Korruptionsstatistik immer höher. Zusammen mit der Staatsanwaltschaft versuchen fünfzig Polizisten, Beamte der Bestechlichkeit zu überführen. Das Schwierigste ist, die Tat überhaupt nachzuweisen.

Lutz Krüger vom Dezernat Interne Ermittlungen in Hamburg über die Scvhweirigkeiten bei den Ermittlungen: "Korruption ist ja ein hoch konspiratives Delikt, das heißt, sie haben im Prinzip nie Zeugenaussagen, ganz selten mal Zeugenaussagen. Die Beweisbarkeit der Vorfälle ergibt sich in aller Regel immer nur aus den Unterlagen."

Im Fall Leopold konnte nur Urkundenfälschung und Untreue nachgewiesen werden. Er bekam zwei Jahre auf Bewährung.

Oberstaatsanwalt Schaupensteiner spricht von einer bedenklichen Dunkelziffer. Auf fünf bekannte Fälle von korrupten Beamten gebe es schätzungsweise 95 unentdeckte: "Sie brauchen einen Hinweis. Und das zu bekommen, ist außerordentlich schwierig. Der Schulterschluss des Schweigens ist ähnlich wie bei der Mafia."

Wuppertal. Hier waren die Strukturen so verfilzt, dass 1996 fast die gesamte Bauverwaltung ausgewechselt werden musste. Ohne Schmiergelder fingen die Beamten erst gar nicht an zu arbeiten. Schaden für den Bürger: 15 Millionen Mark. Seitdem versucht die Stadt, sich selbst zu helfen. In Seminaren müssen die Beamten erst wieder Grundsätzliches lernen, zum Beispiel Ehrlichkeit und Amtstreue.

Anni Wilken, Korruptionsbeauftragte in Wuppertal, zu den Zielen dieser Seminare: "Man muss insbesondere vermitteln, welchen Anspruch der Bürger an eine ordnungsgemäße Verwaltung hat und dass wir im Dienste des Bürgers stehen. Das ist die wichtigste Voraussetzung."

Zu Wuppertals Kampf gegen die Korruption gehört auch die mobile Einsatztruppe. Sie kontrolliert städtische Baustellen wie diese Wuppertaler Schule. An dem Gebäude wurde billiges und schlechtes Material verbaut, dabei aber teure Qualitätsprodukte abgerechnet. Heute ist der Bau ein Sanierungsfall. Unangekündigter Besuch der Prüfgruppe. Sie kontrollieren, ob alle angemeldeten Arbeiter überhaupt auf der Baustelle anwesend sind, aus gegebenem Anlass.

Einer der technischen Prüfer, Karsten Schmitt, über Beispiele, die nachdenklich stimmen: "Es gab ja früher Fälle, da sind die Firmen mit fünf Mann auf die Baustellen gekommen. Angekommen sind sie tatsächlich zu fünft, nachher hat aber nur einer gearbeitet, und zum Feierabend waren die anderen wieder im Auto, geschrieben wurden dann eben alle komplett durch."

In Wuppertal werden korrupte Firmen von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen, während sie in anderen Städten weiter bestechen. Wolfgang Schaupensteiner fordert ein härteres Durchgreifen: "Unternehmen, die korrumpieren, die betrügen, die sich absprechen zum Nachteil der Öffentlichen Hand und damit zum Nachteil der Bürger, die müssen ausgeschlossen werden, die dürfen keine Aufträge mehr von der öffentlichen Verwaltung bekommen, und zwar nicht nur in einem Bundesland ausgesperrt werden, sondern bundesweit ausgesperrt werden. Das ist das Korruptionskataster, das seit Jahren gefordert wird und immer noch nicht durchgesetzt wurde."

Wenn das Amt etwas vergibt, ist immer öfter Korruption im Spiel, ob Bauaufträge, Marktstellplätze oder Konzessionen aller Art. Korrupte Beamte kosten den Steuerzahler jährlich viele Milliarden. Doch immer noch gilt Korruption als Kavaliersdelikt.

Schaupensteiner: "Es geht hier um Wirtschaftskriminalität, es geht um Millionen, es geht um Milliarden. Das wird genauso organisiert betrieben, wie Wirtschaft allgemein organisiert wird. Das sind intensive Straftäter, das sind Profis, mit allen Wassern gewaschen. Und um diesen Profis Paroli bieten zu können, muss die Strafverfolgung verbessert werden, brauchen wir Spezialisten bei den Staatsanwaltschaften, bei den Polizeien, und davon gibt es bundesweit viel zu wenig."

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Das Erste | Panorama | 02.11.2000 | 21:45 Uhr