Schäuble und die CDU-Spenden

von Bericht: Andreas Cichowitz

Anmoderation

PATRICIA SCHLESINGER:

Aber dann sollte diese Politikergarde sofort aufhören, den gezielten und wiederholten Gesetzesbruch als patriotische Tat kleinreden zu wollen - zum Nutzen der CDU und damit zum Wohle unserer Demokratie. Wolfgang Schäuble darf nicht nur, er muss zunächst als Parteivorsitzender im Amt bleiben. Er muss diese Affäre erst zu Ende bringen, bevor ein Neuanfang denkbar wird. Nur: Sich weiter mit dem Nimbus des wahren Aufklärers zu schmücken, das dürfte schwerfallen. Entschuldigungen reichen da nicht.

Schäuble und die 100.000 DM
Panorama berichtet 2001 über die Verstrickungen von Wolfgang Schäuble in der CDU-Parteispendenaffäre.

KOMMENTAR:

24. September 1994. Bonn, Hotel Königshof. Die CDU trifft sich mit ihren Sponsoren und Gönnern vor dem Bundestagswahlkampf. Hier, im feinen Rondellsaal tafelt die Runde. An die Speisenfolge kann sich niemand mehr erinnern.

0-Ton

FRAU:

"Es gibt keine Unterlagen drüber, wissen wir gar nichts mehr drüber."

KOMMENTAR:

Eins ist aber bekannt: Anschließend erhielt Wolfgang Schäuble von dem Unternehmer Karl-Heinz Schreiber eine Barspende von 100.000 Mark.

1997, drei Jahre später: Der Spender Schreiber wird mit Haftbefehl gesucht. Er soll Waffengeschäfte vermittelt und Schmiergelder bezahlt haben. Schäuble liest das in der Zeitung und sorgt sich, er könnte von einem Gauner eine Spende angenommen haben.

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WOLFGANG SCHÄUBLE:

(CDU-Vorsitzender)

"Da hab‘ ich mich schon erinnert und hab‘ gesagt: Das ist doch der, der damals bei mir war, hab‘ auch Brigitte Baumeister gefragt und hab‘ gesagt: Wie war denn das. Und da hab‘ ich damals keine so ganz überzeugende oder befriedigende Antwort bekommen."

KOMMENTAR:

Deshalb läßt er sich von Schatzmeisterin Baumeister im gleichen Jahr, 1997, schriftlich bestätigen, dass das Geld korrekt an die Schatzmeisterin übergeben wurde, dass das Geld ins Rechenwerk der Partei einfloss.

Schäuble will sich offenbar reinwaschen. Er wusste, dass die 100.000 Mark nicht da angekommen waren, wo sie hingehörten, wie er später dem Magazin FOCUS gesteht:

"Wann haben Sie erfahren, dass die Spende an Sie nicht ordnungsgemäß verbucht worden war?"

"Vor ein paar Jahren, als ich vom Ermittlungsverfahren gegen Schreiber las."

"Also nicht erst jetzt?"

"Nein, das muss Ende 1997 gewesen sein."

Schäuble hatte nicht nachgehakt. Offensichtlich nahm der Jurist den Rechtsbruch billigend in Kauf und schwieg weiter.

November 99. Jetzt gerät auch Walther Leisler Kiep, der frühere CDU-Schatzmeister, in den Sog der Schreiber-Affäre. Er soll vom Waffenhändler Schreiber 1 Million Mark erhalten haben. Die Sache wird heißer - Schäuble aber schweigt beharrlich. In der BILD AM SONNTAG verweigert er die Antwort auf die Frage: Kennen Sie Schreiber, haben Sie Spenden von ihm genommen? Statt dessen Polemik: "Sind Sie mit staatsanwaltlichen Ermittlungen beauftragt? Wenn ja, in welcher Sache ermitteln Sie?"

2. Dezember. Schäuble gibt im Bundestag erstmals zu, daß er Schreiber kennt - vom Sponsorenessen, mehr nicht.

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WOLFGANG SCHÄUBLE:

"Bei dieser Veranstaltung bin ich Herrn Schreiber begegnet, so. Das war’s."

KOMMENTAR:

Tags darauf heuchelt er in der ARD:

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WOLFGANG SCHÄUBLE:

"Das muss jetzt jeder in der Partei kapieren. Wer etwas weiß, was vielleicht nicht in Ordnung war, der soll’s bitteschön sagen, so, wie ich auch alles auf den Tisch lege."

KOMMENTAR:

Erst als er erfährt, daß Journalisten die Geschichte mit der Spende veröffentlichen wollen, tritt Schäuble die Flucht nach vorn an. Er selbst beschreibt das so: Als sich "aber Hinweise verdichteten, dass die Sache von anderer Seite an die Öffentlichkeit gelangen könnte, durfte ich nicht mehr länger schweigen."

In der ARD-Sendung FARBE BEKENNEN rückt er endlich mit der Wahrheit raus:

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WOLFGANG SCHÄUBLE:

"Ich habe den Herrn Schreiber irgendwann 1994 im Zusammenhang mit einer Veranstaltung, wo wir Sponsoren geworben haben, dass sie spenden für den Wahlkampf, kennen gelernt. Der hat dann am Tag danach eine Spende in bar abgegeben. Ich hab‘ die an die Schatzmeisterei weitergegeben, und ich hab‘ dann jetzt, im Zuge der Aufklärung, die wir anstellen, festgestellt, die ist auch nicht veröffentlicht worden, sondern offenbar - die Wirtschaftsprüfer prüfen’s noch - als ‚Sonstige Einnahme‘ verbucht worden."

INTERVIEWER:

"Wieviel war das?"

WOLFGANG SCHÄUBLE:

"Das waren 100.000 Mark."

KOMMENTAR:

Ein spätes Eingeständnis, das er tags darauf als Beispiel einer "umfassenden Wahrheitssuche" nennt.

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WOLFGANG SCHÄUBLE:

"Ich bin jemand, der Sachverhalte gänzlich geklärt haben will, bevor man über sie öffentlich spricht."

KOMMENTAR:

Nichts ist geklärt. Die 100.000 Mark sind verschwunden - wo, weiß anscheinend niemand. Es hatte über all die Jahre auch Wolfgang Schäuble nie interessiert.

Abmoderation

PATRICIA SCHLESINGER:

Und was immer jetzt nach außen dringen wird, jede Erklärung, jede Verlautbarung - sie wird erstmal schwer zu glauben sein. Und auch wenn das Wählergedächtnis ja bekanntlich ein kurzes ist, diesen Ruf wird die Partei so schnell nicht wieder los.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 20.01.2000 | 21:00 Uhr