Gekaufte Politik

Anmoderation

CHRISTOPH LÜTGERT:

Mit rechten Dingen ging es wahrscheinlich auch bei der Geschichte von Geld und Politik zu, die Ihnen jetzt Jochen Graebert aus der schleswig-holsteinischen Provinz erzählt. Eigentlich sollte sie gar nicht rauskommen. Einen Rest an Schamgefühl hat man sich schließlich bewahrt. Dann gab’s eine Intrige, alles flog auf, und nun haben wir ein schönes, unappetitliches Durcheinander. Täter sind zugleich Opfer, Finsterlinge werden zu Saubermännern.

Spendenaffäre: Gekaufte Politik
Panorama berichtet 2000 über dubiose Geldgeschäfte der FDP Schleswig-Holstein.

KOMMENTAR:

Wolfgang Voss aus Neumünster verdient sein Geld in Kneipen und Spielhallen. Die Geschäfte des Daddelautomaten-Aufstellers laufen schlecht. Schuld daran, sagt er, seien die Politiker.

0-Ton

WOLFGANG VOSS:

(Vors. Automatenverband Schleswig-Holstein)

"Wir ärgern uns über die Vergnügungssteuer, die vor Jahren hier in Schleswig-Holstein eingeführt wurde. Diese Vergnügungssteuer wird in Form einer Pauschale erhoben, unabhängig von den Einsätzen, und sie führt zum Beispiel in Kiel dazu, dass uns annähernd 98 Prozent des Gewinnes weggesteuert werden."

KOMMENTAR:

Ein Fall für Wolfgang Kubicki. Auf Einladung des Automatenverbandes macht sich Schleswig-Holsteins FDP-Chef Ende November auf den Weg ins Steigenberger-Hotel. Es war Wahlkampf, und Kubicki verspricht rund 150 Automatenaufstellern, die lästige Steuer kurzerhand zu beseitigen.

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WOLFGANG VOSS:

"Einer stand spontan auf und sagte: Herr Kubicki, Politiker, nur drei Worte - bla bla bla. Und unter diesem Hintergrund müssen Sie verstehen die Frage: Herr Kubicki, können Sie uns das schriftlich geben?"

KOMMENTAR:

Klar doch, schließlich war Wahlkampf. Schwarz auf Weiß erhält der sehr geehrte Verbandschef Voss Garantien wie beim Autokauf. Nach einem Wahlsieg will Kubicki in Koalitionsvereinbarungen verbindlich festschreiben, dass die Vergnügungssteuer für Spielautomaten unzulässig ist. Und damit nicht genug: Kubicki setzt noch einen drauf:

"Ich verbürge mich persönlich dafür, dass wir noch im Jahre 2000 eine Steuerobergrenze von 150 Mark pro Gerät verbindlich festschreiben werden."

Die Automatenleute waren begeistert und sehr spendabel.

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WOLFGANG VOSS:

"25 Mitglieder des Automatenverbandes haben der FDP Spenden zwischen 200 und ca. 5.000 Mark gespendet. Und es sind insgesamt Spenden in Höhe von round about 40.000 Mark bei der FDP eingegangen."

INTERVIEWER:

"Auf Grund des Briefes?"

WOLFGANG VOSS:

"Nicht auf Grund des Briefes, sondern - welcher Brief überhaupt?"

KOMMENTAR:

Verdaddelt. Zweiter Versuch.

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INTERVIEWER:

"Warum haben die Automatenaufsteller der FDP Geld gespendet?"

WOLFGANG VOSS:

"Schwierig, wie - - -."

KOMMENTAR:

Wieder verdaddelt. Letzter Versuch.

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WOLFGANG VOSS:

"Die Automatenkaufleute haben der FDP Geld gespendet, wahrscheinlich - nee, das wird nichts."

KOMMENTAR:

Laut Gesetz müssen Parteien Spenden eigentlich ablehnen, die erkennbar in Erwartung eines bestimmten Vorteils gegeben werden. Doch anders als den Automatenleuten ist Kubicki der Deal kein bisschen peinlich.

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WOLFGANG KUBICKI:

(Fraktionsvorsitzender, FDP)

"Wenn daraufhin, nachdem wir solche Erklärungen abgeben, die Menschen bereit sind, uns auch mit Beträgen von 250 bis 5.000 Mark zu unterstützen - herzlich gerne, wir weisen keine Spende zurück."

KOMMENTAR:

Kubicki wäre nicht Kubicki, hätte er nicht auch dabei noch ein reines Gewissen. Merkwürdig nur: an die Öffentlichkeit sollte die Automatenspende auf keinen Fall kommen. Denn eigentlich beschäftigt Kubicki etwas ganz anderes: Wie zum Teufel kommt die Spende plötzlich in die Bild-Zeitung? Darüber ärgert er sich, und er hat so seine Vermutungen.

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WOLFGANG KUBICKI:

"Ich weiß ja definitiv, dass diese Information aus der Union, aus der CDU, an die Bild-Zeitung gespielt worden ist."

KOMMENTAR:

Denn in der CDU kracht es gewaltig zwischen dem Kubicki-Freund und Landeschef Würzbach. Nach der Wahl herrscht Hauen und Stechen, öffentlich fielen Rühe und Würzbach übereinander her. Und ausgerechnet die Würzbach-Leute bekamen Wind von Kubickis Automatenspende. Denn weil das mit der FDP ja so schön geklappt hatte, wurden die Automatenaufsteller nun auch bei der CDU vorstellig.

Guten Tag, Klaus, faxt ein Automatenmann aus Mölln seinem CDU-Abgeordneten und gratuliert artig zum Landtagsmandat. Klaus hat den Nachnamen Schlie. Ein Interview wollte der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende nicht geben. In dem Fax berichtet ihm der Automatenaufsteller vom Wahlversprechen Kubickis und schreibt weiter:

"Der Automatenverband hat daraufhin eine Wahlkampfspende von 40.000 Mark der FDP zukommen lassen. Ich würde mich freuen, wenn die CDU-Fraktion ebenso Stellung nehmen und eventuell gleichlautende Anträge stellen könnte."

Dem CDU-Mann muss es in den Ohren geklingelt haben, gehört er doch zu den Truppen des erzkonservativen Parteichefs Würzbach. Der hat nicht nur Krieg mit Rühe, sondern auch mit dessen Freund Kubicki. Und so kam die Automatenspende in die Zeitung.

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WOLFGANG KUBICKI:

(Fraktionsvorsitzender, FDP)

"Da nun die Option vorbei war, dass es einen gemeinsamen Wahlsieg geben kann, dass also Volker Rühe Ministerpräsident wird, hat man nicht nur in Richtung Volker Rühe intrigenhaft gearbeitet, was er selbst öffentlich erklärt hat, sondern auch in Richtung der FDP, in Richtung Wolfgang Kubicki, um sich wirklich zu rächen dafür, dass die konservativen Kräfte, ,jedenfalls das letzte Jahr in Schleswig-Holstein innerhalb der CDU, nichts mehr zu sagen hatten. Das war der Versuch, neuen Boden wieder zu gewinnen, indem man nicht nur Rühe, sondern auch Kubicki und die FDP abmeiert."

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 16.03.2000 | 21:00 Uhr