Stimmungsmache mit rechten Parolen - CDU schürt Fremdenangst in Hessen

von Bericht: Thomas Berbner und Mathis Feldhoff

Anmoderation

PATRICIA SCHLESINGER:

Eine rot-grüne Koalition regiert ja nicht nur in Bonn, sondern auch in Wiesbaden, und das schon seit acht Jahren. Am kommenden Sonntag wird in Hessen gewählt, ein erster Stimmungstest nach dem Machtwechsel in Bonn also. Alle Meinungsforscher prognostizieren eine Mehrheit für die amtierende Regierung. Herausforderer und Hoffnungsträger der CDU ist der noch etwas farblose Roland Koch. Er hat sein Profil bisher in erster Linie als Unterschriftensammler geschärft - ein eifriger Kämpfer für das rechte Engagement gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. In derselben Sache sammeln auch die rechtsradikalen Republikaner in Hessen Unterschriften. Da steht man beieinander, Seit' an Seit', Stand an Stand in den Fußgängerzonen. Das ist Roland Koch offensichtlich gleichgültig, vielleicht so gleichgültig wie die Umtriebe in der zweiten Reihe der hessischen CDU. Thomas Berbner und Mathis Feldhoff haben sich dort umgetan und Erstaunliches herausgefunden.

Stimmungsmache: CDU schürt Fremdenhass in Hessen
Nach der Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft wird Hessens CDU 1999 Fremdenhass vorgeworfen.

KOMMENTAR:

Er übt schon mal die Siegerpose: Roland Koch, der Spitzenkandidat der hessischen CDU. Die Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft geht in die Schlußphase.

Frankfurt-Eschborn. Die CDU lädt zum traditionellen Schlachtfest. Ein Anlaß wie geschaffen, um Unterschriften gegen die doppelte Staatsbürgerschaft zu sammeln. Am Eingang liegen die Listen bereit. Bevor es so richtig lustig wird, wird noch mal schnell unterschrieben.

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ROLAND KOCH:

(Landesvorsitzender CDU Hessen)

"Diese Aktion löst eine Menge demokratischen Engagements aus in diesen Tagen."

KOMMENTAR:

So weit die CDU-Theorie, die deutsche Realität hört sich anders an.

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DEUTSCHE:

"Es hat ja keiner zwei Herzen in seiner Brust, immer nur eins. Ich bin stolz, Deutsche zu sein."

"Es kann nicht angehen, daß die hier die Vorteile von Deutschland mitnehmen ins Ausland und rücken dann ab."

"Ich denke mir, Deutschland sollte doch nicht so jeden reinlassen."

"Deutschland den Deutschen, finde ich."

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MICHEL FRIEDMAN:

(CDU-Mitglied)

"Das Thema ist in Hessen so umgesetzt in der CDU auch aufgehoben. Und es ist kein Zufall, daß diese Radikalität, diese Konsequenz, das Thema zu dem Wahlkampfthema aufzubauen, hier in Hessen bei sehr vielen offenste Türen hat."

KOMMENTAR:

Fulda, eine der Hochburgen der hessischen CDU. Zu einer Wahlveranstaltung ist hoher Besuch aus Bonn angereist. Martin Hohmann, Nachfolger von Alfred Dregger im Deutschen Bundestag, Ostpreuße, Ex-BKA-Beamter und Fallschirmjäger. Die Neue Rechte sieht in ihm einen Hoffnungsträger, fordert er doch in Aufsätzen von der deutschen Politik ein Ende der Diskussion um Schuld und Vergangenheitsbewältigung. Zitat:

"Befreit euch endlich von dem aberwitzigen Schuldwahn. Erkennt doch, daß wir Deutsche in diesem Jahrhundert mindestens ebenso Opfer wie Täter waren."

Die doppelte Staatsbürgerschaft wird hier zur Abdankung der Deutschen als Staatsvolk.

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MARTIN HOHMANN:

(Bundestagsabgeordneter CDU)

"Wenn das klappen würde, wenn wir ihnen das durchgehen lassen, dann wäre das praktisch jetzt am 27. September 98 die letzte freie Wahl in dem Sinne gewesen, daß der Souverän deutsches Volk entschieden hat."

KOMMENTAR:

Die CDU packt die Bürger bei ihren Ängsten vor der Überfremdung. Das bayerische Vorbild hat Konjunktur.

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MICHEL FRIEDMAN:

(CDU-Mitglied)

"Ich denke, die CSU macht es richtig, und zwar erfolgreich richtig, rechts neben der CDU gibt es keine demokratische rechte Partei. So sollten wir es auch machen, das ist das Vorbild. Ich habe mal gesagt, von der CSU lernen, heißt Siegen lernen."

KOMMENTAR:

Da ist es mit der innerparteilichen Toleranz manchmal nicht so weit her. Peter Malkmus ist Gewerkschafter und gehört zum Arbeitnehmerflügel der Union. In Fulda hat er oft mit Ausländern zu tun. Als er an einer Gegenveranstaltung zur Unterschriftenaktion teilnehmen wollte, wurde ihm gedroht.

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PETER MALKMUS:

(CDU-Mitglied)

"In einem Kreis von CDU-Mitgliedern 24 Stunden vorher habe ich dafür geworben und mich auch gleichzeitig vehement ausgesprochen gegen diese Unterschriftenaktion, weil die Fremdenhaß schürt. Und da kam aus einer ganz bestimmten Ecke der Hinweis: Wenn du dort redest, wirst du mit Sicherheit mit dem Parteiausschlußverfahren rechnen müssen."

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MICHEL FRIEDMAN:

(CDU-Mitglied)

"Der hessische Landesverband besteht aus sehr viel konservativen, nationalen und national-konservativen Gedankenstrukturen. Der liberale Flügel, der offene Flügel, der moderne Flügel der CDU ist in Hessen deutlich Minderheit."

KOMMENTAR:

Wetzlar. Am Infostand der Stadt CDU sind die Aktivisten gerade etwas überfordert. Die Straße regiert.

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PASSANTEN:

"Die Ausländer erzählen uns, was wir hier zu tun haben."

"Zwanzig Jahre bezahle ich in diesem Lande Steuern, zwanzig Jahre."

"Rot-Grün will den Vielvölkerstaat, Rot-Grün betreibt den Untergang unseres Volkes im Vielvölkerstaat."

KOMMENTAR:

Damit die Richtung stimmt, hat die CDU hier einen ganz besonders engagierten Kandidaten. Hans-Jürgen Irmer versteht sich als Sprachrohr der schweigenden Mehrheit. Wenn er zum Diktiergerät greift, werden Stammtischparolen zu Schlagzeilen für seine eigene Zeitung: "Asylterror", "Bleiberecht für schwule Ausländer", "Der Islam als Gefahr für das Abendland" - so steht es Monat für Monat im WETZLAR KURIER.

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HANS-JÜRGEN IRMER:

(Landtagsabgeordneter CDU)

"Ich sage Ihnen ganz offen: Ich habe die große Befürchtung, wenn die Entwicklung in Deutschland so weitergeht, daß wir eines Tages, den wir beide sicherlich erleben werden, möglicherweise, was ich nicht hoffe, aber fürchte, bürgerkriegsähnliche Zustände bekommen, weil es um Verteilungskämpfe geht."

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INTERVIEWER:

"Ist es für Sie dann sozusagen ein Zeichen auch Ihrer Politik, daß solche Menschen wir Hans-Jürgen Irmer in der CDU sind und nicht bei den Republikanern, die solche Vokabeln auch benutzen?"

ROLAND KOCH:

(Landesvorsitzender CDU Hessen)

"Ja, selbstverständlich ist Hans-Jürgen Irmer ein ganz normales ordentliches Mitglied der CDU, der sich nicht durch solche Unverschämtheiten beleidigen lassen muß."

KOMMENTAR:

Die CDU steht fest zu ihrem Rechtsausleger, auch wenn der nach einer härteren Gangart bei Abschiebungen ruft. Zitat:

"Wer nicht pariere, der gehöre gegebenenfalls gefesselt und geknebelt. Die Humanitätsduselei Menschen gegenüber, die diesen Staat ausbeuteten, müsse endlich ein Ende haben."

KOMMENTAR:

Limburg. Wieder einmal zeigt sich, wie die Bürger tagtäglich die CDU verstehen:

nicht als Beitrag zur Integration, sondern einfach als Abstimmung gegen Ausländer. Und der Unterschriftensammler, er stimmt zu.

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PASSANTEN:

"Ich habe nichts gegen die Ausländer, aber irgendwo muß gut sein. Und wählen bei uns schon mal gar nicht. Wenn ich in die Türkei gehe, darf ich auch nicht wählen."

"Ja, ist doch so. Ich finde das eine absolute Schweinerei, was hier läuft. Wir haben so viele Türken hier in Limburg, das gibt's doch bald nicht wieder."

Abmoderation

PATRICIA SCHLESINGER:

Nach den Umfragen haben die rechtsextremen Parteien in Hessen jetzt, so kurz vor der Wahl, wieder mehr Zulauf, und das, obwohl die CDU mit ihren Aktivitäten den rechten Rand, die rechtsextremen Parteien, austrocknen, die Wähler ins eigene Lager ziehen wollte.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 04.02.1999 | 21:00 Uhr