IG Metall finanziert leerstehendes Hotel

von Bericht: Mario Schmidt

Anmoderation

PATRICIA SCHLESINGER:

Buntenbock - Buntenbock ist ein kleiner Ort im Harz. Geregeltes Leben, brave Bürger, völlig unspektakulär. Bis vor vier Jahren ging es den Bewohnern dort richtig gut. Die Gäste eines großen Ferienheims sorgten für Umsatz, für Leben in Buntenbock. Heute ist der Bäcker pleite, der Lebensmittelladen auch, und viele Dorfgaststätten sind schon lange geschlossen. Verantwortlich dafür ist die Eigentümerin des Ferienheims, eine Organisation, die sich selbst als Verfechterin sozialer Verantwortung sieht, die sich für die Belange der kleinen Leute, der Arbeitnehmer, einsetzt. In diesem Fall sind ihr eben diese kleinen Leute allerdings völlig egal, denn es geht um viel Geld, um Spekulationen.

IG Metall finanziert leerstehendes Hotel
Seit 1996 steht das Hotel "Feriotel Buntenbock" im Harz leer. Eigentümerin ist die IG Metall.

Mario Schmidt über die IG Metall und den kleinen Harzort Buntenbock.

KOMMENTAR:

Es sieht so aus, als würden gleich Gäste kommen und nach ihrer Zimmernummer fragen. Der Swimmingpool ist nur trockengelegt. In den Zimmern ist alles da, was man so braucht. Der letzte Urlauber könnte gerade gestern erst abgereist sein. Doch das Hotel in Buntenbock im Harz ist seit fast vier Jahren geschlossen. Der Plattenbau aus den sechziger Jahren steht verlassen in der Landschaft. Nur der Wachschutz dreht noch seine Runden.

Der Bürgermeister muß zuschauen, wie im Schatten des Betonklotzes Geschäfte schließen. Viele der ehemaligen Angestellten des Hotels sind noch arbeitslos. Er kennt die Eigentümerin, gerade von ihr hätte er nie erwartet, daß sie sich verhält wie ein Spekulant.

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WOLFGANG MÖNKEMEYER:

(Bürgermeister Oberharz-Buntenbock)

"Unmittelbar nach der Schließung war also durchaus Kontakt da, wobei ich sagen muß, es war ein formaler Kontakt. Inhaltlich ist in der Zeit nicht diskutiert worden, auf unsere Vorschläge ist nicht eingegangen worden. Und seit ungefähr zwei Jahren ist so ziemlich Funkstille. Das heißt also, wenn immer wir schriftlich oder telefonisch anfragen, um einen Sachstand bitten - entweder bekommen wir keine Antwort, Gesprächspartner verleugnen sich und ähnliche Dinge."

KOMMENTAR:

Die Eigentümerin - die große IG Metall, ansonsten die laute Stimme in Sachen Gerechtigkeit.

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JÖRG BARCZYNSKI:

(Pressesprecher IG Metall)

"Die IG Metall hat der Gemeinde klipp und klar gesagt, daß sie daran interessiert ist, dieses Gebäude zu vermarkten. Sie hat einen Makler beauftragt, die Gemeinde weiß das. Die Gemeinde kennt auch den Makler. Dieser Makler ist auch tätig. Daß er bis heute noch keinen Erfolg gehabt hat, dafür kann er nichts, dafür können auch wir nichts. Es ist also unsinnig, der Gemeinde jede Woche einen Sachstandsbericht zu geben, der jede Woche lautet: Auch in dieser Woche haben wir leider noch keinen Käufer gefunden. Wir müssen uns da jetzt in Geduld üben."

KOMMENTAR:

In Geduld üben - das müssen sich die Menschen in Buntenbock schon lange. Die Gewerkschaftsherberge war mit etwa 60.000 Übernachtungen pro Jahr der wichtigste Wirtschaftsfaktor des Ortes. Viele lebten hier von dem Hotel und seinen Urlaubern. Gaststätten, das Lebensmittelgeschäft, der Bäcker mußten schließen.

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FRAU:

"Es macht alle halbe Jahr ein Restaurant oder ein Hotel oder Laden zu, weil sie es nicht mehr durchgehalten haben und weil ihnen immer die Hoffnung gemacht wurde, das IG Metall-Heim wird wieder verkauft und bewirtschaftet. Dieser bleierne Zustand, der lähmt alles, der lähmt jeden Investor hier im Ort. Es gibt ja leerstehende Häuser, und immer hat man also diesen Dämon da oben im Wald - kommt da jetzt nochmal ein 300-Betten-Hotel hin oder nicht."

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JÖRG BARCZYNSKI:

(Pressesprecher IG Metall)

"Ja, im Moment ist es ein Schandfleck, sag` ich mal, wenn es leersteht. Auch von außen her, Reparaturen müßten gemacht werden, aber wie es weitergeht, das wissen, glaube ich, nur die Herren in Frankfurt."

KOMMENTAR:

Für die Herren in Frankfurt ist es eine Frage des Geldes, nicht der sozialen Verantwortung.

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JÖRG BARCZYNSKI:

"Die Gemeinde muß sich selbst helfen, wir können der Gemeinde nicht helfen. Wir haben uns zunächst mal überlegt, was es für unsere Kasse bedeutet, die Schließung, nämlich daß wir jedes Jahr zweieinhalb Millionen mehr haben, als wenn wir das Heim betreiben. Und wir verwalten Mitgliedergelder und können uns nicht erlauben, diese Gelder für halbvolle Heime zur Verfügung zu stellen."

KOMMENTAR:

Bis zur Schließung war die IG Metall nicht so zimperlich mit Mitgliedsbeiträgen. Das Personal hier verdiente weit mehr, als in Hotels und Gaststätten üblich. Und auch das leere Haus kostet nach Expertenschätzungen etwa 200.000 Mark, Jahr für Jahr.

Der ehemalige Direktor hätte das Hotel nach der Schließung für 6,5 Mio Mark gekauft, doch die IG Metall spekulierte auf mehr Geld.

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HANS JOACHIM KLEWITZ:

(ehem. Direktor Ferienhotel)

"Ich wollte es kaufen, ich hatte 1994 die Verträge schon vorbereitet und war in notarieller Verhandlung mit der IG Metall. Aber es kam dann ein weiterer Interessent, der mehr geboten hatte, und da war mein Angebot hinfällig. Und dann wollte ich hinterher nicht mehr, als das platzte."

KOMMENTAR:

Die Gewerkschaft versucht aus dem Millionengrab wenigstens einige Millionen wieder rauszuholen. Sie kann sich das Warten leisten, Buntenbock jedoch nicht.

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WOLFGANG MÖNKEMEYER:

(Bürgermeister Oberharz-Buntenbock)

"Sie kommen als Fremdenverkehrsgast nach Buntenbock, Sie gehen spazieren, Sie sehen ein großes Gebäude, was also geschlossen dasteht, man sagt: Ja, das ist schon jahrelang so - dann haben Sie irgendwo den Eindruck: Naja, das ist so Untergangsstimmung. Und in einen solchen Ort geht man nicht mehr gerne."

KOMMENTAR:

Die Ohnmacht einer kleinen Gemeinde. Hier macht man sich jetzt seine eigenen Gedanken über Zukunft und auch über Arbeitsplätze und über gewerkschaftliche Solidarität.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 15.07.1999 | 21:00 Uhr