Hamburger Polizei - Der Fall Rolf Hellwig

von Bericht: Thomas Berndt und Gita Ekberg

Anmoderation

PATRICIA SCHLESINGER:

Die Hamburger Polizei hat sich in den vergangenen Jahren ab und an durch nicht gerade angemessenes Verhalten hervorgetan. Da wurden Ausländer verprügelt, Journalisten und Demonstranten zum Teil schwer verletzt. Inzwischen gibt es eine Dienststelle "Interne Ermittlungen", die Fehlverhalten der Beamten aufklären soll, und - bundesweit einmalig - eine "Polizeikommission", eine Anlaufstelle für Beschwerden, also vorbildlich geradezu. Aber wenn es um die Verantwortung für total schiefgelaufene Polizeieinsätze geht, da hat sich offensichtlich noch nicht viel verändert. Das jüngste Beispiel von Thomas Berndt und Gita Ekberg.

Hamburger Polizeigewalt - Fall Rolf Hellwig
Am Beispiel des Falls Rolf Hellwig berichtet Panorama 1999 über langjährige Behördenwillkür bei der Hamburger Polizei.

KOMMENTAR:

Es schien ein ganz normaler Tag zu sein für Rolf Hellwig, einen Mitarbeiter der Hamburgischen Electricitäts-Werke, HEW. Sein Auftrag Routine, eigentlich ungefährlich. Einen Stromzähler sollte er austauschen in einer Bäckerei in der Nähe des Hauptbahnhofs. Am Tag zuvor hatte er sich telefonisch angemeldet. Montagetermin 5 Uhr 45 in der Früh, so hatte es die Mitarbeiterin vom Backhus vorgeschlagen.

Was Hellwig nicht wußte: kurz nach dieser Terminabsprache war die Bäckerin plötzlich mißtrauisch geworden. Ein Mitarbeiter der städtischen HEW kommt doch nie so früh, dachte sie sich. Da will mich jemand ausrauben, überfallen. Also ging die beunruhigte Dame nach Ladenschluß zur nahegelegenen Polizeiwache 11. Auch hier witterten die Beamten sofort den großen Coup und Gelegenheit, die Schlagkraft der Hamburger Polizei mal wieder zu demonstrieren. Eine klärende Nachfrage bei der HEW, das wurde lieber vermieden.

0-Ton

REINHARD FALLAK:

(Polizei Hamburg)

"Man hätte nachfragen müssen, das ist nicht gut gelaufen, wie der ganze Fall von A bis Z nicht gut gelaufen ist. Dort hat sich ein Unglück ans andere gereiht."

KOMMENTAR:

Unglück, besonders für den Mann von der HEW. Als der morgens seinen Firmenwagen vor der Bäckerei einparkte, ahnte er nicht, daß schon fünf Zivilfahnder unbeirrt im Hinterhalt lauerten. Die Beamten, perfekt getarnt, vom Drogenmilieu am Hauptbahnhof kaum zu unterscheiden. Hellwig wollte nun an die Arbeit, stellte sich bei der Bäckerin vor. Doch auch sein HEW-Ausweis konnte ihn nicht mehr retten.

0-Ton

ROLF HELLWIG:

(Hamburgische Electricitäts-Werke)

"Dann habe ich gesagt, ich komme gleich mit meinem Kollegen wieder, ich hole nur das Werkzeug und das Material. Und daraufhin ging sie merkwürdigerweise mit einem komischen Gesichtsausdruck ein paar Schritte zurück. Ja, und dann bin ich nach rechts weggegangen, und dann hörte ich plötzlich Schritte hinter mir, die immer schneller wurden. Und da habe ich Angst bekommen, ich habe gedacht, ich werde vielleicht überfallen oder was. Ja, und dann bin ich gelaufen, und dann lag ich auch schon."

KOMMENTAR:

Und dieser Fußfeger, so der Polizeijargon, hatte es in sich: Wadenbein gebrochen, das Handgelenk zertrümmert. Komplizierte Operationen folgten. Nie wieder wird Hellwig die Hand normal bewegen können. Das Mitleid der Hamburger Polizei allerdings hielt sich in Grenzen.

0-Ton

ROLF HELLWIG:

"Noch in der Wache, wo ich auf den Notarztwagen gewartet habe, da kam ein Herr zu mir, der hat sich da etwas gegrätscht vor mich hingestellt, ein bißchen cool, würde ich sagen, und meinte: Ich wollte mich bei Ihnen entschuldigen, das war ein Formfehler, ich hab' nur meine Arbeit gemacht."

KOMMENTAR:

Hellwig kann seine Arbeit nun schon seit drei Monaten nicht mehr machen, ist krankgeschrieben und muß jeden Tag zur Reha. Noch immer leidet er unter starken Schmerzen. Inzwischen räumt auch die Polizeiführung Fehler ein.

0-Ton

TORSTEN SEELAND:

(Polizei Hamburg, Wache 11)

"Der Einsatz der Kollegen an diesem unglückseligen Morgen im September ist in der retrograden Betrachtung zweifellos so zu bewerten, daß er danebengegangen ist."

KOMMENTAR:

Fehler zugegeben, Schadensersatz aber will die Hamburger Polizei trotzdem nicht bezahlen. Und das geht so: Die Innenbehörde macht das Opfer ganz einfach zum Täter. Hellwig sei schließlich weggelaufen, schreibt ihm die Behörde, und somit sei er selber schuld. Keine Entschädigung also - Zitat: "weil Herr Hellwig zumindest als Anscheinsstörer und damit als Störer im Sinne des Polizeirechts anzusehen ist". Was aber eigentlich ist ein Anscheinsstörer? Diese Frage mochte Innensenator Wrocklage wohl lieber nicht beantworten. Kein Interview für PANORAMA. Aber immerhin, seine Behörde hat sich entschuldigt - mit diesem kleinen Geschenk, damit Rolf Hellwig die Arbeit der Hamburger Polizei noch besser kennenlernt.

Abmoderation

PATRICIA SCHLESINGER:

Spricht man mit Hamburger Polizeibeamten ohne Mikrofon und Kamera, ist ihnen das Verhalten der Innenbehörde richtig peinlich. Und das spricht ja wohl für die Polizisten.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 14.01.1999 | 21:00 Uhr