Fangen, quälen, töten - Katzenfelle für sinnlose Rheumadecken

von Bericht: Thomas Berndt und Manfred Karremann

Anmoderation

PATRICIA SCHLESINGER:

In Deutschland geht der Katzenklau um, zumindest in einigen Regionen gellten auffällig viele Katzen als vermißt. Gleichzeitig regt sich hier kaum noch jemand auf über Katzenfelle als Mantelfutter oder als Kragenbesatz. Im Pelztier-Fachjargon heißt das dann "Genotte", das klingt natürlich viel besser als "Katze" und macht fast vergessen, daß es auch der niedliche Kater von nebenan sein könnte, der da den Hals vor Kälte schützt. Die Felle werden auch zu teuren Decken verarbeitet und gelten als Wundermittel gegen Rheuma, gegen schädliche Erdstrahlen und noch so manches Zipperlein. Diejenigen, die wissen, in was sie sich da hineinkuscheln, die glauben - natürlich ganz tierliebend - daß es sich um ganz normale Katzenfelle von ganz normal gestorbenen Katzen handelt.

Katzenfelle für sinnlose Rheumadecken
Tierquälerei: Ein Bericht von 1999 über Katzen, deren Felle zu Mantelfutter oder Rheumadecken verarbeitet werden.

Über einen Millionenmarkt, über dubiose Bezugsquellen und Verkaufspraktiken und über abscheuliche Tierquälerei berichten Thomas Berndt und Manfred Karremann.

KOMMENTAR:

Spurensuche an der Kreisstraße 67 bei Reutlingen, Ende Januar. Auf dem Randstreifen finden die Beamten vier grausam zugerichtete Hauskatzen. Hier Polizeifotos.

Wenige Tage später am Waldrand bei Euskirchen im Rheinland. Spaziergänger entdecken einen Haufen Tierkadaver. Den Katzen wurde noch hastig das Fell abgezogen.

Das gleiche Szenario vor kurzem in einem Waldstück bei Heidelberg. Hier allerdings über zwanzig gehäutete Katzen.

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ANDREAS MOSER:

"Ich ging praktisch hier sonntagsmorgens mit meinen Hunden spazieren, die mich ganz wild zu dieser Stelle gezogen haben. Und hier überall waren tote, leblose Katzenkörper, die vom Fell befreit waren, Füße und Köpfe abgetrennt, die allerdings noch mit Fell behaftet waren. Ansonsten waren die Katzen wirklich grad' mit Sand etwas abgedeckt, so notdürftig. Und es war schon ein schauriges Bild, das mit anzusehen, was hier geschehen ist."

KOMMENTAR:

Katzen werden vermehrt wegen ihrer Felle oder für Tierversuche gestohlen, vermutet die Leiterin des Tierheims in Heidelberg. Jede vermißte Katze wird hier registriert. Allein im letzten Jahr verschwanden in Heidelberg 154 Tiere, und die Dunkelziffer dürfte noch erheblich höher liegen. Besonders auffällig: gerade in ruhigeren Stadtteilen wie Heidelberg-Kirchheim verschwinden die meisten Katzen, und das liegt wohl nicht am Straßenverkehr.

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REGINA KNOTH:

(Tierheim Heidelberg, Deutscher Tierschutzbund)

"Ja, sicherlich steckt da vieles hinten dran. Es können überfahrene Tiere sein, aber hier in Heidelberg bei der Abdeckerei, wo die Tiere entsorgt werden, wenn sie überfahren werden, die werden aufgezeichnet, die Beschreibungen gehen teilweise an Tierschutzvereine. Somit kann man auch ausschließen, daß die Tiere jetzt alle überfahren worden sind. 37 Stück in so einem kleinen Stadtteil, das ist fast ein Unding. Wir vermuten schon, daß die irgendwelchen Katzenfängern zum Opfer gefallen sind."

KOMMENTAR:

Insgesamt, so schätzen Tierschützer, verschwinden in Deutschland fast 50.000 Katzen - jedes Jahr. Mit versteckter Kamera besuchen wir einen, der das Handwerk versteht. Die Polizei beschlagnahmte bei ihm zuletzt über 70 Katzen. Beweisen konnte man ihm nichts, außer Tierquälerei. Doch seine Fachkenntnisse sind erstaunlich.

0-Ton KATZENFÄNGER:

(Stimme verändert)

"Der Tierfänger ist doch nicht dumm, der weiß genau, wie er's macht. Er darf ja kein Aufsehen erregen, das ist das Wichtigste. Zack bum, Schlinge um den Hals, ins Auto mit der Katze und weg. Leichter geht's doch gar nicht."

KOMMENTAR:

So fängt man die Tiere für Laborversuche, sagt der Mann, und auch für Felle.

Richtung Ostdeutschland, wir kommen zu einer Gerberei, Spezialität: Wild- und Haustiere. Kein Interview, aber der Besitzer erzählt uns, er habe schon größere Mengen - vermutlich gestohlene - Katzen und auch Hunde angeboten bekommen. Natürlich habe er das abgelehnt, beteuert der Mann.

Trotzdem werden in Deutschland Hunderttausende von Katzenfellen verkauft, auch dort, wo man sie nicht unbedingt vermutet: an dieser Tankstelle in Süddeutschland etwa. Der Besitzer, ein Katzenfreund der besonderen Art. Woher er die Felle hat, will er uns nicht verraten. Einzelteile gibt's hier jedenfalls zum Schnäppchenpreis.

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TANKWART:

"Naja, 19 Mark 50, 19 Mark 80, ja, das klappt schon. Es geht aber auch wieder nur durch Beziehungen."

KOMMENTAR:

Richtig lohnt sich das Geschäft dann bei der Tagesdecke. 30 Katzen für 1.900 Mark.

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WALTER TRITSCHLER:

(Tierschutzorganisation "animal network") "Also große Firmen beziehen ihre Felle in der Regel aus China. Und kleinere Firmen, denen es mehr oder weniger drauf ankommt, daß sie im Sinne der schnellen Mark ein schnelles Geschäft machen können, die stützen sich wahrscheinlich auf Diebstähle, auf Haustierdiebstähle in Deutschland."

KOMMENTAR:

Im vornehmen Berlin-Mitte sitzt eine der größeren, mit besten Beziehungen nach China. Das Leder- und Pelzkonfektionshaus Levy & Co. Gehandelt wird mit Tierhäuten aller Art seit über 25 Jahren, vom Waschbären bis zum Zobel. Im Hinterzimmer dann auch die gängigen Haustiere, als Decken vernäht, sogenannte Tafeln.

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WOLFGANG LEVY:

(Leder- und Pelzkonfektionen)

"Ja, hier haben wir so eine Katzentafel, die aus durchschnittlich 15 Katzen hergestellt wird. Und wenn man nun - Sie sehen, hier sind ein paar hundert Katzentafeln, die hier liegen, und wenn man das in Katzen umrechnen würde, was jetzt hier nur einfach - was Sie jetzt im Moment sehen, na, dann hätten wir hier ein paar tausend Katzen. Nun frage ich Sie, wo sollen die paar tausend Katzen aus Deutschland herkommen. Wenn ab und zu mal irgendwo eine fehlt, vielleicht wird sie überfahren oder vielleicht gibt's auch wirklich mal Leute, die sich eine klauen oder sonstwas mit machen - aber es ist völliger Unsinn, daß man in Deutschland solche Katzentafeln überhaupt herstellen kann, aus reinen materiellen, finanziellen Gründen."

KOMMENTAR:

In China nämlich kostet ein Katzenfell nur knapp fünf Mark, alles inklusive.

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WALTER TRITSCHLER:

"Auf unterschiedlichste Art und Weise werden Katzen in China getötet. Sie werden totgeschlagen, stranguliert. Man kann absolut von importierter Tierquälerei sprechen."

KOMMENTAR:

In China gibt es kein Tierschutzgesetz. Jeder Bauer tötet seine Katzen, wie er will. Die Felle werden später auf Märkten verkauft. Verspeist wird das Fleisch allerdings nur in Südchina. Diese Katze zum Beispiel stirbt langsam. Das Tier lebt sogar noch, nachdem ihm das Fell abgezogen wurde. Bilder, die schockieren, die schlimmsten zeigen wir nicht.

Sechs Stunden westlich von Peking, ein Zentrum der chinesischen Pelzindustrie. Mehrere Millionen Katzen werden hier ausschließlich wegen ihrer Felle getötet. Die besten Kunden: Händler aus Deutschland.

Diese Katze hat noch eine Galgenfrist: sie ist trächtig, erzählen die Leute aus der Fabrik. Erst wenn die Jungen auf der Welt sind, wird die Mutter geschlachtet.

Nach Deutschland kommen die Pelze oft über Hamburg. Die letzte Lieferung im Januar, Absender China. Die Einfuhr von Katzen ist problemlos, im Gegensatz zu artgeschützten Tieren wie Tiger oder Leopard, die beschlagnahmt der Zoll sofort.

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MICHAEL KRAMER:

(Zoll Hamburg)

"Wir können davon ausgehen, daß dieses natürlich auch eine Wirkung hat auf den Markt und daß also Hunde- und Katzenfelle dadurch als Ersatzprodukte für Pelztiere vermehrt gehandelt werden."

KOMMENTAR:

Einer der größten deutschen Händler sitzt in der Nähe von Frankfurt: die Firma Steingraf. Vollmundig verspricht man im Prospekt: Keine Katze muß für Medicat sterben. Fast eine halbe Million Felle importiert die Firma nach eigenen Angaben jedes Jahr. Woher - dazu kein Interview mit PANORAMA.

Gesprächsbereiter ist man bei dieser Firma in Schleswig-Holstein. Gehandelt wird mit Leder- und Pelzprodukten, hauptsächlich aus Lamm. Ganz nebenbei importiert man noch ein paar hunderttausend Katzenfelle.

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THEWES HENCKELL:

(Fellimporteur)

"Das sind Felle von Hauskatzen, die kommen alle aus China."

KOMMENTAR:

Die Aufregung über Tierquälerei in China versteht der Händler überhaupt nicht. Katzen sterben dort wie Kaninchen, sagt er, sauber mit dem Knüppel auf den Kopf. In Deutschland hingegen übertreibe man es mit der Tierliebe mitunter ganz gewaltig.

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THEWES HENCKELL:

"In China würde keiner zu einer Katze sagen 'mein Liebling' oder 'meine Schnucki-Katze', die Katze ist ein Tier wie jedes andere Tier, was auf dem Bauernhof ist. Die Schöpfung zwischen Mensch und Tier funktioniert so vielleicht viel eher, wie es in China und in anderen Ländern heute noch ist."

KOMMENTAR:

Auch Händler Wolfgang Levy beteuert, seine Katzen würden nur erschlagen. Die Felle werden später als Rheumadecken weiterverkauft, angepriesen als Wundermittel gegen Gliederschmerzen, obwohl selbst die Deutsche Rheumaliga das vehement bestreitet. Ein Erklärungsversuch:

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WOLFGANG LEVY:

(Leder- und Pelzkonfektionen)

"Ich kann Ihnen das nicht erklären, das ist - das soll - wir wissen - aber wir haben alle in der Schule gelernt, daß, wenn man mit einem Stab an einem Katzenfell, besonders an einem Katzenfell, reibt, daß es dann magnetisch wird."

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SILVIA WOLLERSHEIM:

(Deutsche Rheumaliga)

"Es heißt ja, daß Erdstrahlen eine Rolle spielen, wenn man Katzenfelle einsetzt. Wir können nur sagen, daß das Unfug ist, und - wie gesagt - abraten davon, solche Katzenfelle zu nutzen. Eine Wolldecke tut's ganz genau so, man braucht keine Katzenfelle zu nehmen, trockene Wärme ist das Mittel der Wahl, und dabei sind Katzenfelle wirklich Unfug."

KOMMENTAR:

Trotzdem wird kräftig abkassiert, meist von Vertretern an der Haustür. Bis zu 2.500 Mark für eine Rheuma-Katzendecke. Die Not chronisch Kranker wird da schamlos ausgenutzt, so die Rheumaliga, und das Katzenschlachten geht unvermindert weiter. In China für Felle und hier auf den Philippinen für Leder - nahe der Stadt Butuan auf der Insel Mindanao, an versteckten Orten. Haustierschlachtung ist auf den Philippinen verboten, doch hohe Profite locken.

Etwa hundert Katzen werden in diesem Schlachthaus qualvoll stranguliert. Fünf Minuten dauert der Todeskampf.

Das sind allesamt gestohlene Hauskatzen. Professionelle Fängerkolonnen stehlen nachts den Nachschub für den nächsten Tag - bevorzugt Kater, denn die Hautausbeute bei Katzen ist geringer wegen ihrer Zitzen.

12 Dollar bringt eine Haut, umgerechnet knapp 20 Mark - ein Mordsgeschäft. Das Fleisch wird weggeschmissen, die Häute gesalzen und verpackt. Getötet wird hier nur für den Export.

Todesangst - dem Fell oder Leder wird man es später nicht mehr ansehen.

Katzen in Asien - sie sterben auch für die Mode. Pelz ist wieder in.

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HARTMUT SCHMIDTSDORFF:

(Zoll Hamburg)

"Wir hatten vor einiger Zeit in diesem Jahr eine Einfuhr, da sollten die Katzenfelle als Besatz für Jacken oder Mäntel eingeführt werden."

KOMMENTAR:

Katzenkragen - der Kunde erfährt davon nichts. An den Jacken steht meistens gar nichts oder nur "echt Pelz".

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INTERVIEWER:

"Der Kunde kann es ja eigentlich gar nicht unterscheiden hinterher, was er da am Kragen hat."

THEWES HENCKELL:

(Fellimporteur)

"Unterscheiden kann er es sicherlich nicht, weil die Katzen - man kann sie färben, man kann alles mögliche damit machen."

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JULIA NILL:

(Verbraucherzentrale)

"Wahrscheinlich würden nur wenige Verbrauchen einen Pelz kaufen, auf dem 'Hund' oder 'Katze' steht, und natürlich wird aus diesen Gründen die Bezeichnung weggelassen. Wir fordern schon viele Jahre, daß alle Produkte umfassend gekennzeichnet werden, damit Verbraucher wirkliche Entscheidungen treffen können."

KOMMENTAR:

Solange aber Verbraucher auch in Deutschland nicht entscheiden, wird weitergeschlachtet, in China oder wie hier auf den Philippinen. Kaum ist das Töten für heute beendet, liefern die Fänger schon die erste Katze für den nächsten Tag.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 04.03.1999 | 21:00 Uhr