Das Prinzip Bangemann - Wie Politiker durch lukrative Nebenjobs abkassieren

von Bericht: Eva Altmann und Mathis Feldhoff

Anmoderation

PATRICIA SCHLESINGER:

Ein unmoralisches Angebot, Raffgier, Scham- und Skrupellosigkeit - Assoziationen im "Fall Bangemann", wie er nun schon genannt wird. Dem häßlichen Europabild, dem miserablen Ruf der FDP hat der geplante Wechsel des EU-Kommissars zum größten spanischen Telekommunikationsunternehmen noch eine weitere Facette hinzugefügt. Politik korrumpiert, macht maßlos und unempfindlich. Zwei Herren zu dienen und doppelt zu kassieren, von der Regierungsbank mit guten Insiderkenntnissen ins Lobbyistenlager zu wechseln, ist allerdings nichts bahnbrechend Neues. Da haben sich auch schon andere Politiker profiliert. Die laute Empörung allerorten ist nichts anderes als Heuchelei.

Das Prinzip Bangemann - Kohle in der Zweitkarriere
Martin Bangemann ist nicht der einzige, der sich den Wechsel von der Regierungsbank ins Lobbyamt gut bezahlen lässt.

Über das "Prinzip Bangemann" berichten Eva Altmann und Mathis Feldhoff.

KOMMENTAR:

Für ihn war schon immer das Beste gerade gut genug. Deshalb fand Martin Bangemann auch diesmal nichts dabei, kräftig zuzulangen. Zwei Millionen Mark pro Jahr für einen Beraterjob - darüber empören sich Freund und Feind. Von der Bildzeitung über die TAZ bis zum Bischof - alle verurteilen den Mann als Geldsack, der sich mit seinem Wissen aus der Politik die Taschen füllt. Selbst alte Weggefährten mögen den Namen nicht mehr hören.

0-Ton

KLAUS KINKEL:

(ehem. Außenminister)

"Was wollen Sie denn fragen? Bangemann, da sag` ich nichts."

KOMMENTAR:

Die parteiübergreifende Empörung - pure Heuchelei. Denn das Prinzip Bangemann findet sich in allen Parteien und Parlamenten.

Cornelia Yzer. Sie ließ sich ihr Spezialwissen gut bezahlen. Anfang 1997 schied die CDU-Staatssekretärin im Bundesforschungsministerium aus dem Amt. Mit der Entlassungsurkunde in der Hand, die die spätere Pension garantiert, wechselte sie in die Chefetage des Verbandes der forschenden Arzneimittelhersteller. Von der Regierungsbank direkt ins Lobbyamt. Sie wußte genau, wie man an Forschungsgelder und Fördertöpfe kommt. Mit PANORAMA will sie darüber nicht reden. Ein solcher Wechsel sei doch völlig in Ordnung, verteidigte Yzer sich damals.

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CORNELIA YZER:

(CDU, Januar 1997)

"Grundsätzlich war ich immer der Auffassung, daß es einen stärkeren Austausch zwischen politischer Tätigkeit und anderen Berufsfeldern geben sollte. Mein Leitbild war nie das der Berufspolitikerin, das habe ich von vornherein auch im Wahlkreis gesagt, als ich antrat. Und jetzt gehe ich konsequent diesen Weg, indem ich wieder eine andere berufliche Tätigkeit aufnehme."

KOMMENTAR:

Konsequent kassiert Frau Yzer seitdem ab. 400.000 Mark im Jahr bekommt sie nach Expertenschätzungen in ihrem neuen Job. Gleichzeitig erhielt sie über eineinhalb Jahre ihre Diäten, insgesamt 238.000 Mark. Und schon heute hat die 37jährige einen Pensionsanspruch von 9.000 Mark monatlich aus der Steuerkasse - alles nicht strafbar, aber unanständig.

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HANS HERBERT VON ARNIM:

(Verfassungsrechtler)

"Das ist Korruption. Korruption ist ja dadurch gekennzeichnet, daß Personen, die im öffentlichen Interesse handeln müssen, nach ihrem Amt dennoch Geld für die Wahrnehmung von spezialen Interessen entgegennehmen, das ist Korruption."

KOMMENTAR:

Demnach ist auch dieser Mann korrupt: Bodo Hombach. Auch er ein Diener vieler Herren. Der Erfinder der neuen Mitte war der persönliche Wahlkampfberater von Gerhard Schröder. Gleichzeitig war er SPD-Landtagsabgeordneter in Nordrhein-Westfalen und zusätzlich Manager bei der Preussag AG in Hannover. Der Multijobber erwirtschaftete sich so ein stattliches Zubrot. Auch er ist heute schweigsam: kein Interview vor der Kamera für PANORAMA. Geschätzte 400.000 Mark im Jahr bekam er als Preussag-Manager. Seine Abgeordnetentätigkeit brachte ihm 106.500 Mark zusätzlich. Eigentlich sollte das verboten sein.

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HANS HERBERT VON ARNIM:

(Verfassungsrechtler)

"Das Bundesverfassungsgericht hat schon vor Jahren in seinem Diätenurteil den Gesetzgeber aufgefordert, wirksame Regelungen dagegen aufzustellen, daß Abgeordnete Geld von Interessenten bekommen. Bisher aber Fehlanzeige - es gibt kein derartiges Gesetz."

KOMMENTAR:

Das Verfassungsgericht urteilte damals eindeutig: Bezahlte Lobbyarbeit ist mit dem Mandat unvereinbar. Doch das hat den Gesetzgeber, also die deutschen Abgeordneten, bisher nicht gekümmert.

Auch die niedersächsischen Gesetzgeber nicht. Im Landtag von Hannover sitzt seit 25 Jahren der SPD-Abgeordnete Wolfgang Schultze. Ein Vollzeitjob, gut bezahlt vom Steuerzahler, denn Abgeordnete sollen ja unabhängig sein. Doch auch Schultze dient zwei Herren: Seit drei Jahren ist er auch im Vorstand der Preussag AG.

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WOLFGANG SCHULTZE:

(Landtagsabgeordneter)

"Hier sagt nun unsere Verfassung nicht, daß ein Vorstandsmitglied einer AG nicht Abgeordneter sein kann. Im übrigen habe ich das hier sehr bequem in Hannover, räumlich, und kann auch von daher mit der Betreuung des Wahlkreise sehr zufrieden sein."

KOMMENTAR:

Noch zufriedener ist sein Arbeitgeber, hat sich doch Wolfgang Schultze gerade für ein wichtiges Projekt seines Konzerns stark gemacht. Für den Betrieb des neusten Rettungshubschraubers im Land ging der Auftrag an die Preussag und nicht an die Konkurrenz. Dafür hat der Abgeordnete Schultze so manches Gespräch mit der Ministerin geführt. Der einflußreiche Mitarbeiter ist der Preussag ein Jahresgehalt von 480.000 Mark wert. Der Steuerzahler legt nochmal 122.000 Mark an Diäten drauf.

Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Göhner hat Erfahrungen mit Doppeljobs. Nach Polstermöbel- und Holzindustrie ist er seit drei Jahren nebenbei Hauptgeschäftsführer des mächtigen Arbeitgeberverbandes.

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REINHARD GÖHNER:

(CDU, Januar 1997)

"Die Erfahrungen und die Kenntnisse aus diesen Tätigkeiten auch in die Politik einzubringen, ist ein Vorteil für die Politik, ist ein Vorteil für den unabhängigen Abgeordneten."

KOMMENTAR:

Fragt sich nur, wie jemand, der dafür bezahlt wird, Interessen zu vertreten, unabhängig sein kann. Heute will sich Reinhard Göhner dazu nicht mehr äußern. Daß er sich für die Position der Wirtschaft einsetzt, dafür zahlt ihm sein Verband, so heißt es in Bonn, 400.000 Mark im Jahr. An Abgeordnetendiäten kommen dann nochmal 154.000 Mark dazu.

Ob solcher Zahlen will man natürlich auch auf EU-Ebene als deutscher Abgeordneter nicht das Nachsehen haben. Elmar Brok, der Spitzenmann der CDU im Europaparlament, ist gleichzeitig fest angestellt beim Medienriesen Bertelsmann. Er leitet das Kontaktbüro in Brüssel. Seine intimen Europa-Kenntnisse belohnt der Konzern mit einem Jahresgehalt von 300.000 Mark, so die Schätzungen. Die Diäten des EU-Parlaments betragen dann nochmal 154.000 Mark.

Alles ganz legal - und das wird sich auch kaum ändern.

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HANS HERBERT VON ARNIM:

(Verfassungsrechtler)

"Das Problem liegt darin, daß die Betroffenen die Gesetze selbst machen müssen. Es geht ja um Abgeordnetenkorruption, und die Abgeordneten müssen diese Gesetze also selbst beschließen. Manche wollen das zwar und versuchen es halbherzig, die Betroffenen verhindern das aber ganzherzig, so daß es bisher noch zu keiner wirklich wirksamen Gesetzgebung gekommen ist."

Abmoderation

PATRICIA SCHLESINGER:

Harte Kritik an Martin Bangemann tönt übrigens auch aus Bayern. Ministerpräsident Edmund Stoiber sprach von der "Glaubwürdigkeit in der Politik", für die der EU-Kommissar zu einer schweren Belastung geworden sei. Das aus einem Bundesland zu hören, in dem sich Politik und Wirtschaft ohnehin näher sind als anderswo, in dem der Wechsel von Regierungsbank zu Chefetagen der Großkonzerne ohne Berühungsängste und Skrupel vonstatten geht, kllingt doch etwas schal. Mindestens zwei ehemalige Finanzminister Bayerns sind heute in großen Unternehmen verantwortlich für die Bereiche Finanzen, Steuern und Politik. Das hat Herr Stoiber wohl vergessen.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 15.07.1999 | 21:00 Uhr