Teures Drama in der Nordsee - Steuergelder für die "Pallas"

Anmoderation

PATRICIA SCHLESINGER:

Wir haben noch eine Pannenserie, über die wir berichten wollen. Ein brennender Frachter vor der Nordseeinsel Amrum - die Bilder haben wir in den vergangenen Wochen in fast jeder Nachrichtensendung gesehen. Eine Folge von Fehleinschätzungen, verspäteten Reaktionen und falschen Maßnahmen. Am Ende dann ölverschmutzte Strände und verendete Vögel. Eine Frage blieb bisher unbeantwortet: Wie kann es sein, daß so ein Frachter derart unterversichert ist, daß die entstandenen Schäden - und bisher sind das rund 10 Millionen Mark - am Ende zum großen Teil die Steuerzahler, also wir, bezahlen müssen. Thomas Berndt und Arne Siebert haben überraschende Antworten.

Teures Drama in der Nordsee - Steuergelder für die "Pallas"
Auf die Havarie des italienischen Frachtschiffes "Pallas" vor Amrum folgen viele Fehler von Politikern und Behörden.

KOMMENTAR:

Mit Fackeln gegen die Ölpest. Wütend demonstrierten gestern die Menschen nicht nur auf Amrum gegen unfähige Politiker und den Schrotthaufen namens "Pallas" vor ihrer Haustür. Wochenlang mußten sie hier die schwarze Brühe vom Strand fischen. Auf Amrum kämpfen sie mit dem Teer. Über 20.000 Seevögel sind bisher verölt oder verendet.

0-Ton MANN:

"Total verölt, da ist nichts mehr zu machen. Die sind in einer ganz zähen Masse gelandet. Eine Eiderente, Eiderentenweibchen - ekelhaft, ganz furchtbar. Und da werden wir in den nächsten Stunden hunderte finden."

KOMMENTAR:

Trotz aller Bergungsversuche: Seit gestern läuft wieder das Öl. Über 50 Tonnen sind schon in die Nordsee geflossen. Der Schaden für die Küste ist nur zu schätzen, über 10 Millionen Mark sind es bisher, und mit jedem Tag wird es mehr.

Heile Welt dagegen im sonnigen Italien. Das beschauliche Küstenstädtchen Viareggio am Golf von Genua. Hier, in der Via Regia, residieren die Manager der "Pallas". Sie vertreten die Besitzer, Kapitalanleger aus Italien und Skandinavien. Die Agentur Bogazzi aber wickelt die Geschäfte ab, organisiert Mannschaft und Ladung. Erstmals geben die Manager ein Interview zu ihrem Schiff und dem Unfall. Die Aufregung in Deutschland können sie überhaupt nicht verstehen.

0-Ton ALBERTO ROLLA: (Übersetzung)

(Pallas-Manager)

"Ich habe zwar gesehen, daß viele Vögel umgekommen sind, aber mal ehrlich: Nach dem, was ich gesehen habe, ist der Schaden doch wirklich nicht besonders groß. Die ‘Pallas’ ist doch nur ein kleines Schiff, aus dem ein bißchen Öl ausgelaufen ist."

KOMMENTAR:

Für das "Inselchen", wie sie Amrum nennen, haben die Italiener nur noch Hohn und Spott übrig.

0-Ton ALBERTO ROLLA: (Übersetzung)

"Die ‘Pallas’ ist doch nur wie ein kleines Kind, das auf die Erde pinkelt."

KOMMENTAR:

Die zynischen Manager wissen, wovon sie reden. Schließlich hat ihre "Pallas" schon einiges erlebt:

Februar 90, Porkkala, Finnland. Die "Pallas" läuft auf Grund, schwere Schäden am Schiffsrumpf.

April 92, Athen. Die "Pallas" kollidiert mit dem Frachter "Merkan", Feuer an Bord, 14 Seeleute ertrinken.

Januar 92, Brunsbüttel. Die "Pallas" rammt bei der Hafeneinfahrt die Mole, zwei Millionen Mark Sachschaden.

Und was die Kosten für die jüngste Havarie vor der Nordseeküste angeht - das läßt die Manager aus Viareggio völlig kalt, italienische Gelassenheit.

0-Ton ALBERTO ROLLO: (Übersetzung)

"Ich persönlich zahle gar nichts, ich bin doch nur ein Angestellter. Und außerdem gibt es doch auch nur eine begrenzte Verantwortlichkeit für den Unfall. Was wir übernehmen, das wird die Versicherung schon zahlen."

KOMMENTAR:

Zwar wird die Bergung der "Pallas" weit mehr als zehn Millionen Mark kosten, die Versicherung des Frachters aber zahlt nur 3,3 Millionen - und das ganz legal. Denn ein internationales Abkommen von 1976 begrenzt die Haftungssumme. Das ist gut und billig für die Reeder, den Rest zahlt der deutsche Steuerzahler.

0-Ton PETER KÜSTER:

(Greenpeace)

"Der deutsche Steuerzahler muß aufkommen, weil das Schiff so niedrig versichert ist. Das Schiff ist für dreieinhalb Millionen versichert, und alles, was darüber geht, bezahlt keiner. Entschuldigung, tut uns leid, sagen die. Und damit ist es zuende."

INTERVIEWER:

"Wer hat da geschlafen?"

PETER KÜSTER:

"Da haben grundsätzlich die Politiker geschlafen, weil wir versichern zu Konditionen vor über zwanzig Jahren. Das ist so, als würde ein Brot immer noch eine Mark zwanzig kosten, es kostet aber drei Mark oder wie viel. Das hat jeder übersehen. Die Preise stimmen nicht mehr heute."

KOMMENTAR:

Der frischgebackene Verkehrsminister Müntefering mochte das den Steuerzahlern wohl nicht erklären, denn: Kein Interview für PANORAMA.

Den Menschen auf Amrum kann das sowieso keiner mehr erklären. Erst müssen sie wochenlang den Dreck wegschippen und am Ende sogar noch dafür bezahlen. Die Italiener finden das lustig.

0-Ton ALBERTO ROLLA: (Übersetzung)

"Steuern müssen wir doch alle zahlen, so ist nun mal das Leben."

Abmoderation

PATRICIA SCHLESINGER:

So ist nun mal das Leben. Steuergelder für schrottreife Schiffe. Den Gewinn machen die Reeder, das Risiko tragen wir alle.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 19.11.1998 | 21:00 Uhr