Jahresvorschau 1998

von Bericht: Thomas Berbner

Anmoderation:

PATRICIA SCHLESINGER:

Es gab auch gute Nachrichten zum Jahresanfang. Sie kamen vom Meinungsforschungsinstitut Allensbach: Rund 46 Prozent der Deutschen gehen voller Hoffnungen ins neue Jahr, und das trotz Sorgen um den Arbeitsplatz, um die Zukunft unserer Jugend, unserer Renten, unseres Gesundheitssystems und der Angst vor immer mehr Kriminalität.

1998 - Das Jahr
Panorama blickt mit einer Glosse auf die Aussichten für das Jahr 1998.

Wir wollen weder Schönredner noch Kassandrarufer, und Horoskopen glauben wir sowieso nicht. Aber mein Kollege Thomas Berbner, der weiß, was 1998 so auf uns zukommt.

0-Ton

HELMUT KOHL:

"Gott segne unser deutsches Vaterland."

KOMMENTAR:

Eins steht jetzt schon fest: es wird ein spannendes Jahr.

17. Januar.

Wegen des Millionenlochs im Parteietat startet die FDP in Bergkamen die Aktion "Liberale in Not". Alle Bevölkerungsschichten sind aufgerufen, die FDP mit Geldspenden zu unterstützen.

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WOLFGANG GERHARD:

"Wir wenden uns an Bürgerinnen und Bürger, an Familien, an Vereine, an kleine und große Gemeinschaften in Deutschland."

KOMMENTAR:

6. Februar.

Bundespräsident Roman Herzog eröffnet seinen Redenzyklus in diesem Jahr mit einem Vortrag in Berlin. Thema: Den Aufschwung herbeireden - Wege aus der Krise.

10. Februar.

Fünf Millionen Arbeitslose in Deutschland. Doch Bernhard Jagoda läßt den Mut nicht sinken, schließlich hätten es auch sechs Millionen sein können.

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BERNHARD JAGODA:

"So ist die Arbeitslosigkeit im Februar trotz des relativen milden Winters erneut gestiegen, wenn auch nur schwach."

KOMMENTAR:

19. Februar.

Bundeskanzler Kohl bringt im Kabinett das neue Arbeitslosenteilzeitgesetz ein. Danach müssen sich künftig zwei Arbeitslose den Platz eines Arbeitslosen teilen. Ein historischer Einschnitt: Mit einem Schlag halbiert der Bundeskanzler die Arbeitslosigkeit in Deutschland.

1. März.

Bei der Wahl in Niedersachsen verliert Gerhard Schröder genau 1,99 Prozent und steht damit weiter als Kanzlerkandidat zur Verfügung. Der erweiterte Bundesvorstand der SPD zieht sich zu einer Klausur ins Ollenhauerhaus zurück. Dort wollen die Genossen so lange beraten, bis ein Kanzlerkandidat feststeht.

1. April.

20.15 Uhr. Im Berliner Friedrichstadtpalast beginnt die große ARD-Jubiläumsgala "Liberale in Not".

0-Töne

EVA HERMAN:

"Den ganzen Abend über sind 1.500 Telefonapparate geschaltet. Die Telefonnummer sehen Sie jetzt eingeblendet, es ist 0137-464646."

KARL DALL:

"Was wollen Sie spenden?"

MANN:

"Ich würde gern 50 Mark spenden."

KARL DALL:

"50 Mark, tut das auch nicht zu weh?"

KOMMENTAR:

Insgesamt spenden die Bundesbürger 76,28 Mark - und eine Flasche Mariacron.

23. Mai.

Auf Einladung des Bundesverbandes der deutschen Saunabauer redet Roman Herzog zum Thema "Die verweichlichte Nation: Warum die Deutschen nicht kalt duschen."

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ROMAN HERZOG:

"Schließlich handelt es sich um eine der ganz großen Zukunftsfragen unseres Landes."

KOMMENTAR:

21. Juni.

Feierstunde zum fünfzigjährigen Bestehen der D-Mark. Die Liberalen setzen ihr Vorhaben durch, künftig bei Reden ihrer Mitglieder im Bundestag die Nummer des FDP-Spendenkontos einblenden zu dürfen.

0-Ton

DR. HERMANN OTTO SOLMS:

"Es geht hier um die strukturellen Probleme in diesem Land, und wir ringen darum, die schwierige Haushaltssituation zu bereinigen."

KOMMENTAR:

12. Juli.

Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft, England gegen Irak. Die Kreatiavität des iranischen Fanblocks erstaunt die Weltöffentlichkeit. Beim Spielstand 0:0 wechselt der englische Teamchef in der 89. Minute völlig überraschend Salman Rushdie als neuen Mittelstürmer ein. Als Rushdie zum ersten Mal in die Nähe des iranischen Tores kommt, wird er sofort gefoult. England wird Weltmeister durch ein 1:0 per Elfmeter.

4. August.

Roman Herzog hält seine 35. große Rede in diesem Jahr. Thema: "Wirtschaftsaufschwung durch Selbsthypnose".

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ROMAN HERZOG:

"Meine Damen und Herren, die Aufgaben, vor denen wir alle stehen, sind gewaltig."

KOMMENTAR:

16. August.

Kassensturz bei der FDP. Schatzmeister Solms gibt bekannt, daß auf dem Spendenkonto bisher 82,12 DM eingegangen sind. Eine weitere Zusage über 5 Mark liege schriftlich vor.

4. September.

Noch immer keine Einigung bei der SPD. Nach nunmehr sechsmonatiger Klausur zeichnet sich ein möglicher Kompromiß ab: Schröder will an geraden und Lafontaine an ungeraden Tagen Kanzler sein.

9. September.

Wegen einer Stimmbandschwäche muß Roman Herzog seine Reden Nummer 42, 43 und 44 absagen. Das Bundespräsidialamt verschickt auf Anfrage die Redemanuskripte.

25. September.

Zwei Tage vor der Bundestagswahl wird die Kandidatenfindungsklausur der SPD ergebnislos abgebrochen. Oskar Lafontaine erklärt, man sei sich aber deutlich näher gekommen und werde nach dem Wahlsieg der SPD weiterdiskutieren.

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OSKAR LAFONTAINE:

"Wir konnten uns noch nicht einigen."

KOMMENTAR:

27. September. Überraschung bei der Bundestagswahl: Die FDP profitiert von ihrer gefühlsbetonten Spendenkampagne und holt 51 Prozent. Doch der Parteichef kann sich nicht recht freuen, er weiß: mit der Regierungsbeteiligung wird es nichts, der Konkursantrag ist schon gestellt. Am nächsten Morgen verkündet Wolfgang Gerhard die Auflösung der Partei.

0-Ton

WOLFGANG GERHARD:

"Behalten Sie uns in guter Erinnerung."

Abmoderation:

PATRICIA SCHLESINGER:

Noch keine gesicherten Auskünfte gibt es darüber, ob die FDP nun einen eigenen Raum im Museum für Deutsche Geschichte bekommt.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 15.01.1998 | 21:00 Uhr