Gefangen und gequält für deutsche Zoos - Junge Elefanten in Südafrika

von Bericht: Veit Lennartz

Anmoderation

PATRICIA SCHLESINGER:

Wenn es um Tierhaltung geht, steht man ganz schnell mitten in einem Glaubenskrieg zwischen Ökoromantik und Quälerei. Dreißig junge Elefanten beschäftigen zur Zeit die Gerichte in Südafrika und die Tierschützer in aller Welt. Die Dickhäuter wurden von den Muttertieren getrennt und offensichtlich später mißhandelt, um sie gefügig zu machen. Und ausgerechnet für diese schikanierten Tiere interessieren sich jetzt einige deutsche Zoodirektoren, sie möchten die jungen Elefanten kaufen - als Ausstellungsstücke für unsere zoologischen Gärten, die ja - bei sehr wohlmeinender Beurteilung - als Bildungs- und Erziehungsinstitutionen gelten. Die Informationen von Veit Lennartz passen allerdings nicht so recht zum Kuscheltier-Image des modernen Zoos.

Gefangen & gequält für deutsche Zoos: Elefanten in Südafrika
Deutsche Zoos kaufen Jungelefanten aus Südafrika, obwohl bekannt ist, dass sie gequält und von der Mutter getrennt wurden.

KOMMENTAR:

Ankunftshalle Flughafen Johannesburg. Touristen, Geschäftsleute, freudige Erwartung. Nur diese Herren wollen keine Öffentlichkeit: Zoodirektor Hubert Lücker aus Dresden und seine Kollegen aus Erfurt und Basel. Sie wollen Elefanten kaufen.

Ihr Ziel: Tierhändler Ricardo Ghiazza. Auch hier ist die Öffentlichkeit erstmal unerwünscht, Aufnahmen nur von der Straße aus. Warum, das ahnt man auch aus der Entfernung. Kleine Elefanten, an den Vorderfüßen gefesselt, unfähig, sich frei zu bewegen.

Ghiazza hat die Dickhäuter in Botswana gekauft. Eingefangen in freier Wildbahn - nun sollen sie gezähmt werden: offenbar mit grausamen Methoden. Tierschützer haben Alarm geschlagen.

0-Ton DAPHNE SHELDRICK: (Übersetzung) (Elefanten-Expertin)

"Ich habe zwei Tage im Gehege von Herrn Ghiazza zugebracht. Ich muß Ihnen ganz ehrlich sagen, ich war total schockiert, wie die Elefanten auf ihre Trainer reagierten: mit Entsetzen, Furcht und Haß. Sie waren voller Wunden, und einige waren angekettet."

KOMMENTAR:

Der südafrikanische Tierschutzverein hat Anzeige erstattet wegen Tierquälerei. Die Elefanten sollen auf Gerichtsbeschluß befreit werden. Dagegen hat der Händler sofort Widerspruch eingelegt. Anwälte und Richter beim Ortstermin.

Dieses alles hätte die Direktoren und Mitarbeiter der Zoos aus Dresden, Erfurt und Basel zumindest nachdenklich machen müssen, denn informiert waren sie.

Nun dürfen wir doch mitkommen. Erste Berührungen. Videoaufnahmen vom Zustand der Kleinen. Alles scheint in bester Ordnung - trotz gegenteiliger Presseberichte.

0-Ton HUBERT LÜCKER: (Zoodirektor Dresden) "Was wir hier vorgefunden haben, sind Elefanten, die in keinster Weise verhaltensgestört sind. Die Elefanten sind in einem körperlich sehr guten Zustand."

KOMMENTAR:

Offensichtlich kriegen die deutschen Besucher nur solche Besucher zu sehen, deren Wunden bereits verheilt sind. Tierhändler Ghiazza hat nach den ersten Protesten vor ein paar Wochen mit der Zähmung der Elefanten aufgehört und die Verletzungen behandeln lassen. Nach wie vor sind einige allerdings an den Vorderfüßen gefesselt.

0-Ton HUBERT LÜCKER:

"Das sind diese Bambus-Hobbles, wie man die nennt, das sind also weiche Bambus-Ringe, die so gebogen werden. Das hat was zu tun mit dem Zusasmmenbringen dieser Tiere, die kommen ja aus verschiedenen Herden. Wenn man die jetzt hier zusammen laufen läßt, auch wenn es Jungtiere sind, erfolgt erstmal eine neue Bindung der Tiere zueinander, es entsteht eine neue Hierarchie."

0-Ton SYBILLE QUANDT: (Tierärztin, Südafrika)

"Diese Hobbles sind ganz eindeutig da, um die Bewegungsfreiheit der Tiere einzuschränken und um den Willen der Tiere zu brechen und damit zu kontrollieren. Im Krüger-Nationalpark wurden viele Jungtiere in der Vergangenheit gefangen, und dort war es niemals notwendig, diese Hobbles zu benutzen."

KOMMENTAR:

Diese Aufnahmen entstanden vor ein paar Wochen. In einer großen Halle sind die Kleinen angekettet. Nur mit Mühe kommen sie ans Futter. Geschwüre von den Ketten, ein Bild des Jammers. Zureiten durch die Trainer aus Indonesien, die sogenannten Mahouds. Es geht darum, den Willen der wilden Tiere zu brechen. Ein schmerzhafter Prozeß - seelisch und körperlich.

0-Ton HUBERT LÜCKER:

"Es gibt einige Tiere, wie gesagt, die noch in der Behandlung sind. Wie die Wunden entstanden sind, entzieht sich unserer Kenntnis. Wir haben aber gesicherte Hinweise darauf, daß also teilweise Sachen sind, vor allen Dingen bei zwei Tieren schlimmere Sachen sind, die von draußen gekommen sind, die also schon in dieser Form tatsächlich hier so eintrafen."

KOMMENTAR:

Dem widersprechen Beobachtungen beim Einfangen der kleinen Elefanten. Keines der Tiere sei vorher verletzt gewesen, so die Aussage eines Mitarbeiters der National Geographic Society, der dabei war. Und auch während der Aktion habe es keine Verletzungen gegeben.

Die Wunden entstanden also ganz offensichtlich beim Zähmen durch die Mahouds. Mit diesen Elefantenhaken werden die Tiere unter Kontrolle gehalten. Erst als der südafrikanische Tierschutzverein intervenierte, wurden die spitzen Haken gegen stumpfe ausgetauscht. Die Regierung von Botswana hat inzwischen jeden weiteren Verkauf von Elefanten an den Tierhändler Ghiazza untersagt.

0-Ton RANDALL MOORE: (Übersetzung) (Elefantentrainer, Botswana)

"Ich bin schockiert, daß ein Zoodirektor, wo immer auf der Welt er herkommt, sich hier einen dieser Elefanten aussucht, ausgerechnet während darum ein Prozeß geführt wird. Es ist eine Schande."

0-Ton DIETRICH JELDEN: (Bundesamt für Naturschutz)

"Wir würden davon abraten, wenn wir um Rat gefragt würden, ganz klar, weil es andere Methoden gibt, die Tiere an Gefangenschaft zu gewöhnen. Andere zoologische Gärten führen sehr junge Tiere ein und beschäftigen sich mit diesen Tieren intensivst, um sie sukzessive an die Gefangenschaftsbedingungen zu gewöhnen. Es werden keine brutalen Methoden angewandt, um die Tiere gefügig zu machen, wie jetzt hier im Falle von Südafrika."

KOMMENTAR:

Trotz aller Proteste und Bedenken und obwohl ein Verfahren vor Gericht anhängig ist, die Zoodirektoren sind wild entschlossen, ihre kleinen Elefanten mit nach Europa zu nehmen.

Abmoderation

PATRICIA SCHLESINGER:

Die deutschen Zoodirektoren lassen sich von dem Wunsch, nun endlich kleine Elefanten vorzeigen zu können, offenbar nicht abbringen. Brutale Begleitumstände stören da nur.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 29.10.1998 | 21:00 Uhr