Dativ oder Genitiv - Die CSU und ihre Sprachkenntnisse

von Bericht: Thomas Berbner

Anmoderation

PATRICIA SCHLESINGER:

Noch mal zum Wahlkampf. Wer in diesen Zeiten alles glaubt, was die Parteien so versprechen und vorschlagen, ist selber schuld, wenn er sich - egal mit welcher Regierung - schon bald betrogen fühlen muß. Profil, eigene Themen besetzen, das wollen sie alle. Die CSU hat da gerade ein nicht ganz neues, aber einfaches und deshalb immer wieder beliebtes Thema gefunden: Ausländer. Zunächst wollte sie unterscheiden zwischen hier erwünschten und unerwünschten Ausländern. Dann sollten die Fremden erstmal Deutsch lernen, wenn sie hier dauerhaft leben wollen. Die Parteistrategen wissen natürlich ganz genau, daß es keine rechtliche Grundlage gibt, um diese Forderung durchzusetzen. Und um mehr Deutschkurse geht’s auch nicht, denn die Bundesregierung hat die Gelder dafür seit Jahren kontinuierlich gekürzt. Also nur Stimmenfang ganz rechts außen. Thomas Berbner war dort, wo das Deutschtum noch richtig gepflegt wird, bei der CSU. Eine Polemik.

Die CSU und ihre Sprachkenntnisse
Wie gut spricht man Deutsch in der CSU? An der Frage, was korrekte deutsche Grammatik ist, scheiden sich die Geister.

KOMMENTAR:

Das Bierzelt in Ehingen. Die Angst vor Überfremdung ist mit Händen zu greifen. Der ideale Ort, um den Ausländern wieder mal so richtig den Marsch zu blasen. Wenn die CSU Wahlkampf macht, wird nicht eingewandert, sondern einmarschiert. Allen voran Günther Beckstein, bayerischer Innenminister. Um einem Mißverständnis vorzubeugen: Natürlich hat hier niemand etwas gegen Ausländer.

0-Töne

CSU-MÄNNER:

"Ich hab’ nichts gegen Türken, ich hab’ nichts gegen Ausländer."

"Ich hab’ nichts gegen Ausländer, ja."

"Ich hab’ gegen Ausländer gar nix."

KOMMENTAR:

Aber die Ausländer dürfen von der CSU auch nicht zu viel erwarten. Deutsch-Türken, Deutsch-Bosnier, Deutsch-Kroaten darf es auf keinen Fall geben.

0-Ton

GÜNTHER BECKSTEIN: (Bayer. Innenminister, CSU)

"Wer wirklich sich bei uns integrieren will, der soll Deutscher werden, aber dann ohne Wenn und Aber und nicht mit der doppelten Staatsangehörigkeit."

0-Ton

CSU-MANN:

"Wenn man so lange in Deutschland hier lebt und will Deutscher werden, dann soll man auch Deutscher werden und keine zwei Staatsangehörigkeiten haben. Das geht einfach nicht, weil wir wären dann nur ein Mischvolk, und will das ein Deutscher? Ich weiß es nicht, wie andere denken darüber. Ich bin Deutscher, und ich möchte Deutscher bleiben."

KOMMENTAR:

Die deutsche Kultur wird in diesem Wahlkampf von der CSU mit allen Mitteln verteidigt. Ausländer sollen sich den Sitten und Gebräuchen im Land anpasse, und vor allem: sie sollen Deutsch lernen.

0-Ton

GÜNTHER BECKSTEIN:

"Diejenigen, die dauerhaft in Deutschland leben wollen, sollten auf jeden Fall Deutsch lernen, damit sie sich handelsüblich für den Alltag unterhalten können."

0-Ton

WERNER STEGLE: (CSU)

"Der Ausländer, der für mich da ist oder da ist bei uns - ich kann mich ja mit dem Mann nicht unterhalten, der soll doch versuchen, daß er Deutsch, etwas Deutsch spricht, daß ich mich mit ihm unterhalten kann, sonst ist er für mich wertlos."

KOMMENTAR:

Von den Bayern können Ausländer lernen, was deutsche Kultur ist. Aber Vorsicht: Jahrhundertelange Sprachpflege im Bierzelt hat im bayrischen Deutsch zu einigen Verwerfungen geführt. Sprachtests mit CSU-Bürgermeistern und Kreisräten.

0-Ton

INTERVIEWER:

"Heißt es richtig Bayerland oder Bayernland?"

CSU-MANN:

"Bayernland."

INTERVIEWER:

"Sicher?"

CSU-MANN:

"Das Land der Bayern."

INTERVIEWER:

"Heißt es das Bayerland oder das Bayernland?"

CSU-MANN:

"Bayernland."

INTERVIEWER:

"Sicher?"

CSU-MANN:

"Ja. Bayernland."

CSU-MANN:

"Bayernland, es heißt Bayernland."

INTERVIEWER:

"Wie ist denn die Mehrzahl von der Wagen?"

CSU-MANN:

"Die Mehrzahl von der Wagen - schlecht zum beantworten."

CSU-MANN:

"Die Wägen."

INTERVIEWER:

"Wenn Sie jetzt also nicht nur einen Wagen haben, sondern mehrere, wie heißt es dann?"

CSU-MANN:

"Die Wägen."

INTERVIEWER:

"Steht die Präposition abseits mit dem Dativ oder mit dem Genitiv?"

CSU-MANN:

"Abseits - ja, mit dem Dativ, würde ich sagen."

INTERVIEWER:

"Was ist die Mehrzahl von der Bund?"

CSU-MANN:

"Der Bund ist eigentlich ein Pluralwort, wenn, dann die Bündnisse."

INTERVIEWER:

"Heißt es: Man hörte nichts außer das Ticken der Uhr, oder: Man hörte nichts außer dem Ticken der Uhr?"

CSU-MANN:

"Das erste, außer das Ticken der Uhr?"

CSU-MANN:

"Das Ticken der Uhr."

CSU-MANN:

"Nichts außer das Ticken der Uhr."

CSU-MANN:

"Man hörte nichts außer des Tickens der Uhr."

INTERVIEWER:

"Heißt es: Die Gesetze, aufgrund deren sie abgeschoben werden, oder: aufgrund derer sie abgeschoben werden?"

CSU-MANN:

"Aufgrund derer sie abgeschoben werden."

CSU-MANN:

"Aufgrund derer."

CSU-MANN:

"Die Gesetze, aufgrund derer."

KOMMENTAR:

Nur der Innenminister rettet die Ehre der CSU. Kein Wunder, Günther Beckstein hat schließlich schon so viele Abschiebungen hinter sich, daß ihm der korrekte Genitiv Plural leicht von den Lippen geht.

0-Ton

INTERVIEWER:

"Heißt es: Die Gesetze, aufgrund derer sie abgeschoben werden, oder: aufgrund deren sie abgeschoben werden?"

GÜNTHER BECKSTEIN:

"Da würd’ ich allerdings sagen: aufgrund deren sie abgeschoben werden."

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 16.07.1998 | 21:15 Uhr