Bauern und Buddhisten - Der Dalai Lama in der Lüneburger Heide

von Bericht: Nicola von Hollander, Annika Erdmann und Hauke Wendler

Anmoderation

PATRICIA SCHLESINGER:

Der "Ozean der Weisheit" ist zur Zeit in der Heide. So wird der Dalai Lama von seinen Anhängern genannt. Gewaltlosigkeit und Toleranz, gepaart mit einem Schuß Exotik. Seine buddhistische Inkarnationslehre ist für kapitalismusgeschädigte westliche Sinnsucher offensichtlich faszinierend. Und nun ist der Gottkönig in Schneverdingen, ein 17.000-Einwohner-Ort, bisher bekannt als Krönungsstätte der Heidekönigin. Nun treffen Landwirte auf meditierende Mönche und stellen fest, daß es hier nicht nur um Seelenfängerei und Guru-Unwesen geht. Und der Lüneburger Heide beschert seine Heiligkeit eine Hochsaison.

Über Bauern und Buddhisten berichten Nicola von Hollander, Annika Erdmann und Hauke Wendler.

Dalai Lama in der Lüneburger Heide
Reportage über den Besuch des Dalai Lama in Schneverdingen/Lüneburger Heide im Jahr 1998.

KOMMENTAR:

Schneverdingen, Montagmorgen. Kein gewöhnlicher Tag. Großeinsatz für die freiwillige Feuerwehr. Helmut Ruschmeyer hat schon viel gesehen, aber einen solchen Ansturm von Buddhisten wird er, da ist er sicher, nie wieder erleben.

0-Ton INTERVIEWER:

"Sind Sie so ein bißchen aufgeregter jetzt als sonst?"

HELMUT RUSCHMEYER:

"Wahrscheinlich ja, kann man so sagen. Es ist eben etwas anders, es ist eben ganz was anderes, was vielleicht - was man nie wieder erlebt."

INTERVIEWER:

"Wollen Sie nachher auch noch mal selber reingucken in die Zeltstadt?"

HELMUT RUSCHMEYER:

"Wenn wir die Möglichkeit haben, werden wir alle noch mal hingucken."

KOMMENTAR:

Es ist sieben Uhr. Der Buspendeldienst bringt die ersten Gläubigen zur Zeltstadt. Für einige Tage liegt das Zentrum der buddhistischen Welt zwischen Soltau, Fallingbostel und Schneverdingen

Mit Straßenschuhen darf man nicht ins Meditationszelt, nicht nur aus religiösen Gründen.

0-Ton FRAU:

"Das ist für die Lehrer, auch für die "teach-ins", und wir sind mit so viele Leute, schlummerige Schuhe sind nicht so nett."

KOMMENTAR:

Auf dem früheren Truppenübungsplatz der Briten steht jetzt die größte Zeltstadt Europas. Die Managerin führt letzte Gespräche. Andere bereiten sich mit Gebeten auf die Ankunft ihres geistlichen Oberhauptes vor.

Ramon Labusch fühlt sich schon jetzt, als sei er in Tibet. Er spürt sie am ganzen Körper, die Vorfreude auf den Dalai Lama.

0-Ton RAMON LABUSCH:

"Ja, es ist so ein kribbeliges Gefühl, so erwartungsvoll, natürlich, ja. Auch - wie verhält man sich nun in dessen Gegenwart, hier zu sitzen, so nah, wo viele andere auch nach einem schönen Platz Ausschau halten, um ihm möglichst nah zu sein. Das ist - ich bin sehr unruhig, ja, aber ich freue mich, ich freue mich sehr."

KOMMENTAR:

Dann ist es so weit: Ankunft des Dalai Lama in Schneverdingen. Der Augenblick, auf den die gesammelte Weltpresse gewartet hat. Für die Mönche ist es eine große Ehre, von ihrem geistlichen Oberhaupt persönlich unterwiesen zu werden. Aber die Ausstrahlung des Dalai Lama spürt man natürlich auch noch in der letzten Reihe.

0-Ton GESANG DALAI LAMA

KOMMENTAR:

Doch bei aller Toleranz - ein bißchen fremd klingen die Töne über der Heide schon.

0-Ton BAUER:

"Was soll ich denn da? Da hab’ ich keine Zeit zu, da in den Knien zu sitzen. Nee, die sollen sehen, wie sie damit klar kommen."

INTERVIEWERIN:

"Sehen das hier andere auch so?"

BAUER:

"Sicher, die können uns doch nicht bekehren hier, nein."

KOMMENTAR:

Denn bei aller Begeisterung für Buddhisten muß die Kirche auch noch im Dorf bleiben. Während nebenan der Dalai Lama betet, haben die Christen vom christlichen Rüstzentrum Krelingen alles mobilisiert, um auf die Vorzüge von Jesus Christus aufmerksam zu machen.

0-Ton HERBERT MASUCH: (Rüstzentrum Krelingen)

"Lebensglück durch Buddha oder Jesus Christus - wir tun gut daran, auch als Christen uns ganz neu zu besinnen auf den Reichtum, den wir in Jesus Christus und in der biblischen Botschaft haben. Und ich persönlich möchte in den Minuten hier der Darstellung mich so fühlen wie etwa ein Autoverkäufer, der die Vorzüge des Wagens einfach darstellt und darauf wartet natürlich, daß man ihm das Ding abkauft."

KOMMENTAR:

Da ist der Dalai Lama schon weiter. Tonkassetten mit seinen Gebeten und Unterweisungen verkaufen sich in der ganzen Welt. Die Nachfrage erfordert bei den Helfern den letzten Einsatz.

Auch die Veranstaltung in Schneverdingen wird mitgeschnitten, damit die Besucher sich ein Video mit nach Hause nehmen können.

"Ich höre mir die Kassetten an", sagt diese dänische Nonne, "nicht jeden Tag, aber doch regelmäßig, einfach zur Erinnerung."

Auch für die freiwillige Feuerwehr geht ein langer Tag zuende.

0-Ton FRAGE:

"Wieviele Fahrzeuge haben heute nachmittag hier?"

FEUERWEHRMANN:

"Also geschätzt ca. drei- bis dreieinhalbtausend."

KOMMENTAR:

Für Helmut Ruschmeyer gab es keine besonderen Vorkommnisse, nur sein Traum hat sich nicht erfüllt.

0-Ton INTERVIEWER:

"Bedauern Sie es vielleicht auch so ein bißchen, daß Sie den Dalai Lama jetzt gar nicht gesehen haben, weil so häufig kommt er ja nicht nach Schneverdingen?"

HELMUT RUSCHMEYER:

"Ja, man wäre sicher neugierig gewesen, hätte sich’s gerne angesehen, aber wir hatten die Möglichkeit nicht."

INTERVIEWER:

"Wie geht denn Ihr Dienst jetzt noch weiter?"

HELMUT RUSCHMEYER:

"Ja, wir kontrollieren jetzt die reibungslose Abfahrt hier der Fahrzeuge, und dann heute abend ist noch wieder eine Vorstellung, da kommen noch wieder neue Fahrzeuge, die wir wieder einordnen sollen hier. Und um ca. 21 Uhr 30 haben wir dann hier Schluß."

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 29.10.1998 | 21:00 Uhr