Jobwunder bei McDonald's - Mit Hungerlöhnen auf Erfolgskurs

von Bericht: Ilka Brecht und Stefan Wels

Anmoderation

PATRICIA SCHLESINGER:

Das Logo der amerikanischen Fastfood-Kette McDonald's © dpa - Bildarchiv Foto: Peter Förster

Über 12 Prozent Arbeitslose, da kommt doch diese Meldung gerade recht: "McDonald's schafft 15.000 neue Arbeitsplätze in Deutschland". Standort Deutschland ist doch noch beliebt, zumindest beim Hackfleisch-Giganten, der zahlt aber nur Hungerlöhne. 300 seiner überdachten Schnellimbisse möchte der Burger-Multi hier noch erstellen, 743 hat er schon - kein Dorf mehr ohne Burger. So vermehren sich hier bei uns die sogenannten "McJobs" - und die arbeitenden Armen, die nicht viel mehr als den Sozialhilfesatz für ihren freundlichen Service bekommen.

Ilka Brecht und Stefan Wels haben die Buletten auf Weichbrötchen satt, zumindest wenn diejenigen, die sie für uns heiß machen, dafür so schlecht bezahlt werden, daß es zum Leben kaum reicht.

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WERBEFILM McDonald's

"Wußten Sie eigentlich, daß McDonald's jetzt schon nach sieben Uhr offen hat? Ja, und sonntags ab neun."

KOMMENTAR:

Sie weiß ganz genau, wie früh McDonald's Fast-Food anbietet: Waltraud Marcineak, 49 Jahre alt. Es ist Karfreitagmorgen, 6 Uhr 30. Anderthalb Stunden braucht sie von ihrem Wohnort Castrop Rauxel bis zur Burger-Filiale in Dortmund. Seit fast sechs Jahren putzt, packt und verkauft Waltraud Marcineak bei McDonald's, einem Weltkonzern mit Rekordschlagzeilen. Immer auf Expansionskurs, stellt das Unternehmen Arbeitsplätze in Aussicht. 15.000 sollen es werden in den nächsten Jahren - eine Prognose, die den Politikern gut gefällt.

München im vergangenen März. Jubiläumsfeier für teure Buletten und billige Arbeitsplätze. Ehrengast: Wirtschaftsminister Rexrodt, ein Fan des American way of business.

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GÜNTER REXRODT:

(Bundeswirtschaftsminister)

"Mehr Lohnflexibilität würde auch bei uns die Beschäftigung erhöhen, ohne daß auf unserem Arbeitsmarkt gleich eine Gruppe der "working poor", der armen Arbeitnehmer entstehen müßte."

KOMMENTAR:

Eine Sonntagsrede, denn Armut trotz Arbeit, das gibt es schon. Acht Uhr, Frau Marcineak ist bei McDonald's in Dortmund angekommen. Weiter dürfen wir sie nicht begleiten, Drehverbot. Ein Porträt des Arbeitsplatzes läßt der Konzern nicht zu. Wie lebt es sich mit einem Vollzeitjob bei McDonald's?

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WALTRAUD MARCINEAK:

"Ich habe am Ende des Monats so zwischen 1.500, 1.600 Mark. Mein Mann hat 600 Mark Arbeitslosenhilfe, und die 600 Mark gehen für Miete und Strom drauf. Da hab' ich die Fahrt, das Fahrgeld 117 Mark, Telefon, Rundfunk, Kabelfernsehen, Versicherung, da bleiben dann ungefähr noch 1.200 Mark über. Leben können wir davon, aber große Ansprüche sind nicht drin."

KOMMENTAR:

1.200 Mark für zwei Personen, das sind rund 100 Mark mehr als der Sozialhilfesatz - trotz eines regulären Vollzeitjobs.

400 Kilometer weiter, bei Würzburg. Von einem Billigarbeitsplatz allein kann diese Frau nicht leben: Jutta Skupsch, Mutter von zwei Kindern. Neben vierzig Stunden bei McDonald's muß sie zu Hause noch solche Autoteile zusammensetzen. 2.000 Stück geben 100 Mark.

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JUTTA SKUPSCH:

"Ich muß halt noch eine Nebenbeschäftigung machen, weil uns das Geld sonst nicht reichen würde. Ich hab' halt fast keine Freizeit, an sich überhaupt keine."

KOMMENTAR:

Nachts am McDrive, am Tag die Kinder, Hausarbeit und Nebenjob. Jutta Skupsch gehört zu denen, die viel arbeiten und trotzdem arm bleiben.

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REINER WITTORF:

(Gewerkschaft NGG)

"Wir haben einen immer größeren Anteil der Beschäftigten, die sich in Einkommensgrößen bewegen, wo vollzeitige Tätigkeit, wo ein normaler Arbeitsplatz nicht mehr ausreicht, um eine Person oder geschweige denn eine Familie zu ernähren. Das ist nichts anderes als 'working poor'."

KOMMENTAR:

Schuften für einen Hungerlohn - aber bitte recht freundlich. Die arbeitenden Armen von McDonald's, hier ein Firmenvideo. Rund 80 Prozent der Vollzeitkräfte verdienen laut Tarif rund 2.000 Mark brutto - egal, wieviel Miete sie zahlen, egal, wieviel Kinder sie haben. Alles ganz legal, diesem Tarifvertrag hat die Gewerkschaft zugestimmt. Mit 1.500 Mark netto eine Familie ernähren - ein Überlebenstip aus dem Arbeitgeberlager:

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INTERVIEWER:

"Was kann man den Leuten eigentlich raten?"

THOMAS HEYLL:

(Arbeitgebervertreter McDonald's)

"Ja, Gott..."

KOMMENTAR:

Da muß der Arbeitgeber schon ein Weilchen überlegen.

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INTERVIEWER:

"Herr Heyll, was würden Sie den Leuten raten mit 1.500 Mark?"

THOMAS HEYLL:

"Entweder mehr Stunden zu arbeiten im Monat als die Regelarbeitszeit, 40 Stunden, oder noch einen oder zwei weitere Jobs suchen und dort zuzüglich Geld zu verdienen."

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WERBEFILM McDonald's:

"Mit jeder Junior-Tüte gibt's nämlich eine von vier Mini-Barbies oder eins von vier pfeilschnellen Hot Wheels."

KOMMENTAR:

Kinder sind als Kunden hochwillkommen, die Kinder der Mitarbeiter sind fehl am Platze, denn das McDonald's-Gehalt kann sie nicht ernähren. Stephan, sieben Jahre alt, ist Bluter, seine Mutter, Christiane Siekierski arbeitet dreißig Stunden bei McDonald's.

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INTERVIEWERIN:

"Was haben Sie denn am Ende in der Lohntüte, und was wird davon abgezogen?"

CHRISTIANE SIEKIERSKI:

"Also 1.100 netto, dann geht davon die Miete ab, sind 925, mit Gas und Strom. Ich habe versucht, mit Stephan eine kleinere Wohnung zu kriegen, aber es ist sehr schwer, alleinerziehende Mutter mit Kind - will heute keiner mehr haben."

KOMMENTAR:

Leben müssen die beiden von der Unterhaltszahlung des Vaters und vom Kindergeld, insgesamt 700 Mark, zu zweit. Doch selbst um den kargen Lohn muß sich Christiane Siekierski, hier an ihrem Arbeitsplatz in Wattenscheid, noch streiten. Erst der Gang zum Arbeitsgericht, so erzählt sie, brachte ihr jetzt eine eigentlich tariflich festgelegte Höhergruppierung. Kein Einzelfall.

In 32 Fällen allein im vergangenen Jahr entschied das Arbeitsgericht Bochum auf mehr Geld für die Arbeitnehmer. Freiwillig zahlte McDonald's den höheren Tariflohn nicht. Doch so hartnäckig kämpfen nur diejenigen für ihre Rechte, die sie kennen. Betriebsräte aber gibt es kaum. Die Unkenntnis der Mitarbeiter, so die Gewerkschaft, erhöht den Profit des Unternehmens.

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URSULA LENZ:

(Betriebsrätin McDonald's Bochum)

"Das ist natürlich gewaltig, wenn man überlegt, also ich zahle nur jetzt 12,29 statt 13,08. Also wenn man das umlegt auf - wir haben, glaube ich, McDonald's, 37.000 Mitarbeiter, legen Sie das mal bitte um - kann man sich ja ausrechnen, wessen Gewinn das ist."

KOMMENTAR:

Das wären am Tag mehrere hunderttausend Mark Gewinn. Der Konzern dementiert diesen Vorwurf. Das Arbeitsgerichtsverfahren soll ein Sonderfall gewesen sein. Nach Ansicht von McDonald's sind Löhne und Arbeitsbedingungen jedenfalls vorbildlich, anderswo in der Gastronomie sei es doch viel schlimmer.

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THOMAS HEYLL:

(Arbeitgebervertreter McDonald's)

"Es ist heute ein harter Kampf auf dem Arbeitsmarkt zu beobachten im großstädtischen Bereich um diese Jobs. Die Kündigungsraten gehen gen Null in diesem Sektor, und ich erwarte sogar noch einen - in den nächsten Jahren einen stärkeren Druck auf diese D-Mark-Beträge von 2.060,-- D-Mark Richtung 1.800 D-Mark."

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WALTRAUD MARCINEAK:

"Für die Arbeit ist es wirklich sehr wenig Geld. Wenn sie wenigstens den Tarif bezahlen würden, den man auch im Lebensmittelhandel zahlt, das wäre wenigstens vergleichbar. Es ist auch nicht das meiste, aber doch nicht so niedrig."

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JUTTA SKUPSCH:

"Ich habe schon gehört, daß man vom Sozialamt mehr bekommt, als ich bei McDonaald's verdiene."

INTERVIEWERIN:

"Und warum gehen Sie dann nicht zum Sozialamt?"

JUTTA SKUPSCH:

"Weil ich es nicht möchte."

INTERVIEWERIN:

"Also Arbeit zu haben, bedeutet was für Sie?"

JUTTA SKUPSCH:

"Mit meinen eigenen Händen mich zu ernähren."

KOMMENTAR:

Doch genau das wird immer schwieriger, auch für Jutta Skupsch. Ostersonntagmorgens um drei: Schichtende bei McDonald's in Würzburg. Jetzt geht's nach Hause, dort warten die zwei Kinder - und der Zweitjob.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 03.04.1997 | 21:00 Uhr