Zweitwohnungssteuer

von Bericht: Ben Bolz

Anmoderation:

PATRICIA SCHLESINGER:

Stillstand auf der Regierungsbank, wer sich zuerst bewegt, hat verloren. Aber - und das ist die gute Nachricht des Tages - es gibt ein Thema, bei dem sich alle Parteien einig sind. Die Bonner Regierungsgarde soll nach dem Umzug in die Hauptstadt eine Zweitwohnungssteuer zahlen. Keine Berliner Besonderheit, aber für unsere gut alimentierten Politiker und Beamten offenbar eine Zumutung. Die Empörung ist parteiübergreifend groß. "Abzockerei", schallt es da aus Bonn. Bisher hat sich allerdings kein Politiker darüber aufgeregt, daß Normalbrüger mit zwei Wohnsitzen in so einigen Städten diese zusätzliche Steuer bereits berappen müssen. Aber jetzt werden unsere Bonner so richtig aktiv.

Zweitwohnungssteuer
Kritik von Bonner Abgeordneten gegenüber der im Zuge ihres Berlin-Umzuges anstehenden Erhebung einer Zweitwohnungssteuer.

Ben Bolz war bei ihnen.

KOMMENTAR:

Berlin, eine Stadt vor dem Finanzkollaps. Die Schuldenberge zwingen die Hauptstadt beinahe in die Knie. Angesichts des teuren Wandels und der vielen Neu-Berliner, die aus Bonn herüberkommen werden, greift der Senat zu einem vielerorts üblichen Mittel: Die Zeit ist reif für die Zweitwohnungssteuer.

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FRANK ZIMMERMANN:

(Finanzverwaltung Berlin)

"Es geht darum, daß ja eine Reihe von Leuten in Berlin Nebenwohnungen haben und hier die Infrastruktur in Anspruch nehmen, aber woanders gemeldet sind und dort Steuern zahlen."

KOMMENTAR:

Zum Beispiel in Bonn. Schnell drang die grausame Kunde von der Zweitwohnungssteuer in den Bundestag, und von dort schallt der Aufschrei der Empörung zurück. Denn sofort ist klar: betroffen sind vor allem bedauernswerte Beamte und Politiker, wie Ingrid Matthäus-Maier, die künftig in Berlin arbeiten müssen.

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INGRID MATTHÄUS-MAIER:

(SPD)

"Wenn Menschen schon umziehen müssen, weil wir den Umzug nicht mehr rückgängig machen können, dann darf man das nicht dadurch erschweren, daß man ihnen eine Zweitwohnungssteuer aufbrummt."

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JÜRGEN KOPPELIN:

(SPD)

"Ich stelle fest, daß der Berliner Senat mal wieder eine sehr unsinnige Entscheidung trifft."

EDITHA LIMBACH:

(CDU)

"Ich habe Herrn Diepgen geschrieben am 22. Oktober, ich hab’ noch keine Antwort."

INGRID MATTHÄUS-MAIER:

"Das ist wirklich fehl am Platze, ganz abgesehen davon, daß Berlin dadurch die Freude am Umzug nicht erhöht."

KOMMENTAR:

Haben die armen Bonner Beamten nicht schon genug gelitten? Natürlich könnten die Staatsdiener die Steuer vermeiden, wenn sie den ersten Wohnsitz in Berlin nehmen würden. Doch das hätte neben dem Verlust der Heimat geradezu unerträgliche Folgen.

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EDITHA LIMBACH:

"Man verliert den Anspruch auf Trennungsgeld, und man verliert den steuerlichen Vorteil, der durch die doppelte Haushaltsführung entsteht. Und das ist eine zusätzliche Belastungen der Neu-Berliner."

KOMMENTAR:

Berlin hat damit die elementaren Grundrechte der Bonner Beamten aufs schwerste verletzt.

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FRANK ZIMMERMANN:

(Finanzverwaltung Berlin)

"Ich kann die Aufregung nicht recht verstehen. Wir betreten hier ja nicht etwa Neuland, die Zweitwohnungssteuer gibt es bereits in Hamburg, in Bremen, in Potsdam und sogar in St. Augustin bei Bonn."

KOMMENTAR:

Und wenn schon - in Berlin darf es sie auf jeden Fall nicht geben. Da sag’ einer noch, die Bonner Parteien könnten sich bei wichtigen politischen Fragen nicht mehr einigen - ganz im Gegenteil.

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EDITHA LIMBACH:

"Zumindest für die Zeit, die gesetzlich das Pendeln erlaubt ist, müßte man von einer solchen Zweitwohnungssteuer befreit sein.

KOMMENTAR:

Und wenn die Berliner nicht freiwillig auf die Steuer verzichten, dann wird aus Bonn zurückgeschossen.

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JÜRGEN KOPPELIN:

"Dann werden wir die Zuwendungen für Berlin, die im Haushalt vorgesehen sind, werden wir versuchen so lange zu sperren, bis Berlin von der Zweitwohnungssteuer ab ist."

KOMMENTAR:

Und das sollte eigentlich reichen, um eine fast bankrotte Stadt zu überzeugen. Eine Zweitwohnungssteuer ist für Bundestagsabgeordnete und Beamte nun einmal unzumutbar.

Abmoderation:

PATRICIA SCHLESINGER:

Wer so privilegienverwöhnt ist, für den ist eine solche Steuer wohl auch nicht so einfach erträglich.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 20.11.1997 | 21:00 Uhr