Steuerskandal auf bayrisch - Ein Betriebsprüfer arbeitet zu gründlich

von Bericht: Klaus Scherer

Anmoderation:

PATRICIA SCHLESINGER:

Die Studenten sind auf der Straße, weil Geld für die Unis fehlt. Die Rentenkassen sind fast leer, und wir sollen zwanzig Mark als "Notopfer" zusätzlich für die Krankenhäuser bezahlen. Wenn die Not wirklich so groß ist, sollte man doch alles tun, um die Einnahmen des Staates möglichst hoch zu halten. Dafür gibt es zum Beispiel Betriebsprüfer, Steuerbeamte. Sie sollen in den Unternehmen allzu kreative Buchführung aufdecken und illegalen Steuersparmodellen auf die Spur kommen. Nun gibt es einen Beamten in Fürth, der eine echte Zierde für den bayerischen Fiskus sein könnte, aber er macht seine Arbeit offensichtlich zu gründlich, und das ist seinen Vorgesetzten nicht ganz geheuer.

Steuerskandal auf bayrisch: Betriebsprüfer zu gründlich
Zu genau: Betriebsprüfer Rolf Belzner ist seinen Vorgesetzten im Finanzamt Fürth offensichtlich ein Dorn im Auge.

Klaus Scherer aus den bayerischen Niederungen.

KOMMENTAR:

Rolf Belzner, 54 Jahre alt, Betriebsprüfer im Freistaat Bayern, Finanzamt Fürth. Kurz vor acht Uhr früh: Außentermin bei einem Privatunternehmen, so beginnt sein Arbeitstag. Die Firma hier prüft er seit ein paar Tagen, unten im Keller, das ist sein Job. Der Allgemeinheit verpflichtet und dem Rechtsstaat, wie er sagt, treibt er pro Jahr etwa zwei Millionen Mark Steuerschulden ein, die dem Finanzminister zustehen.

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ROLF BELZNER:

(Steueramtsrat)

"Für uns ist maßgebend: zunächst die Gesetze und dann vor allen Dingen - die Gesetze sind nur eine ganz grobe Richtschnur, so wie die Zehn Gebote, wenn man die nennen darf - und dann die Urteile, die eben dann der Bundesfinanzhof spricht."

KOMMENTAR:

Das macht er nun seit 27 Jahren, recherchiert gezielt, aber stets so lange es ihm nötig scheint. Regelmäßig besucht er Fortbildungen, kein Steuertrick soll ihm verborgen bleiben. Sehr pflichtbewußt, so nennen ihn seine Dienstherren, außerordentlich gründlich. Selbst die Oberfinanzdirektion schrieb, er habe sich in jeder Hinsicht bewährt.

Wäre da nicht diese eine Klage, die den Fall Belzner demnächst vor den Landtag bringt. Der Beamte, so rüffelt ihn inzwischen sogar das Ministerium, er sei zu langsam, prüfe nicht genug Betriebe.

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ALFONS ZELLER:

(Finanzstaatssekretär)

"Faktum ist auch, daß er doppelt so lange Zeit für eine Prüfung in Anspruch nimmt wie seine Kollegen. Und an dem kommen wir nicht ohne weiteres vorbei. Wir können doch nicht den Schlendrian in der Finanzverwaltung einziehen lassen, daß jeder so lange, wie es ihm paßt, eine Prüfung vornimmt."

KOMMENTAR:

Das würde einleuchten, wenn Belzner wirklich ein Schlendrian wäre. In Wahrheit aber ist der Mann bemerkenswert erfolgreich, denn im Schnitt treibt er pro geprüfter Firma im Lande doppelt so viel Steuern ein wie die Kollegen. Ausgerechnet die Finanzbehörden wollen die Wirtschaft nun offenbar vor diesem Prüfer schützen. Sie fürchten, so heißt es, die "Gefahr ... einer unangemessenen, unausgewogenen Sonderbehandlung einzelner, zufällig ihm zugewiesener Unternehmen". Ein Betriebsprüfer, der zu gründlich ist. Seine "Fallzahl", darauf beharrt man auch in München, sei nun mal zu niedrig.

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ALFONS ZELLER:

(Finanzstaatssekretär)

"Die Relation ist doch entscheidend. Ich kann doch heute auch nicht einen Mitarbeiter akzeptieren, die Sekretärin, die am Tag wunderbar einen Brief schreibt, und die andere Sekretärin, die drei schreibt, da muß ich auch die Konsequenzen ziehen."

KOMMENTAR:

Was freilich außer acht läßt, daß in den drei Briefen womöglich auch mehr Fehler sind. Derweil zeigt uns Belzner seine Post. Er verstoße halt, so heißt es da, gegen die Grundsätze der Rationalisierung.

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ROLF BELZNER:

(Steueramtsrat)

"Ich habe dann nachgefragt immer wieder schriftlich, wo ich sie nicht beachtet habe, bei welchen Prüfungsfällen. Mir wurde bis heute keine Antwort gegeben. Es steht dann in den Schreiben, man braucht mir keinen Fall zu nennen."

KOMMENTAR:

Statt dessen der erneute Vorwurf: Seine Akribie führe zu einer außergewöhnlichen finanziellen Belastung der betroffenen Unternehmen.

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ROLF BELZNER:

"Das ist ein Widerspruch in sich, daß ich wirtschaftlich nicht erfolgsbezogen arbeite, dann wären sie aber finanziell außergewöhnlich belastet, da komme ich nicht ganz mit."

KOMMENTAR:

Vielleicht würde er ja besser mitkommen, wenn er wüßte, wer sich oben über ihn beklagt, während er im Keller Akten wälzt: Firmen, Steuerberater - einflußreiche Leute offenbar.

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INTERVIEWER:

"Wer hat sich denn beschwert über ihn?"

ALFONS ZELLER:

(Finanzstaatssekretär)

"Da gibt es auch Beschwerden."

INTERVIEWER:

"Woher?"

ALFONS ZELLER:

"Das brauche ich hier nicht zu sagen."

KOMMENTAR:

Vielleicht trügt der Eindruck des Beamten, daß ihm als Großbetriebsprüfer inzwischen immer kleinere Betriebe zugewiesen werden. Und auch sein Chef neulich hatte es bestimmt nur gut gemeint, als er mal mit ihm über die Zukunft sprach.

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ROLF BELZNER:

"Da hat er mich gefragt, ob ich denn bereit wäre, in den Innendienst zu wechseln. Ich hab' das verneint, weil ich sag', ich kann gute Arbeit leisten als Prüfer. Ich war, soviel ich weiß, zwei Jahre lang überhaupt nicht krank zum Beispiel, also einen besseren Beamten kann ich mir gar nicht vorstellen. Also ich sehe keine Veranlassung, in den Innendienst zu gehen freiwillig, muß ich sagen, mir gefällt das Prüfen."

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 11.12.1997 | 21:00 Uhr