Schuldenberge und Milliardenlöcher - Die Bilanz des Theo Waigel

von Bericht: Thomas Berbner

Anmoderation:

PATRICIA SCHLESINGER

Theo Waigel (CSU) © dpa - Fotorepor Foto: Bernd Settnik

Aus moralischen Gründen und weil man die Regierungskoalition nicht gefährden wollte, bleibt uns Theo Waigel als Finanzminister erhalten. Seine politische Krise hat er erstmal überlebt, das Ausmaß unserer wirtschaftlichen ist noch nicht absehbar. Wir möchten den Goldfinger noch einmal richtig würdigen.

Die Bilanz des Theo Waigel
Ein Porträt von 1997 über Theo Waigel, den am längsten amtierenden Finanzminister Deutschlands.

Über Theo Waigels Umgang mit Geld und Wahrheit zieht Thomas Berbner eine Bilanz.

KOMMENTAR:

Theo Waigel - der am längsten amtierende Finanzminister Deutschlands kann auf ein großes Werk zurückblicken. Acht Dienstjahre voll konsequenter Kreditaufnahmen, kreativer Buchführung und der steten Zuversicht, den Menschen klarmachen zu können, daß es mit ihm Steuererhöhungen im Grunde gar nicht gibt, höchstens ganz ausnahmsweise.

0-Ton

THEO WAIGEL:

"Steuererhöhungen, meine Damen und Herren, kommen nur als ultima ratio in Betracht."

"Wer macht schon gern Steuererhöhungen, das ist nur die ultima ratio."

"Steuererhöhungen können immer nur das allerletzte, nicht wünschenswerte Mittel sein, aber sie völlig auszuschließen, das kann niemand."

KOMMENTAR:

Ausschließen konnte der Finanzminister natürlich auch nie, daß die Schulden steigen: von 500 auf 680 Milliarden Mark in den beiden ersten Amtsjahren. Und das, obwohl Theo Waigel bei seiner Vereidigung sogar auf den Blumenstrauß verzichten wollte - eine Nettoentlastung des Bundeshaushalts von geschätzt immerhin ca. 49,50 Mark.

0-Ton

THEO WAIGEL:

"Ich dachte, das ist nur für Damen."

KOMMENTAR:

In seinem Amt lernte Theo Waigel schnell, daß man zwar ankündigen kann, es werde keine Steuererhöhungen geben, daß das aber noch lange nicht heißt, daß es dann auch wirklich keine gibt.

0-Ton

THEO WAIGEL:

(November 1990)

"Keine Steuererhöhungen zur Finanzierung der Investitionen in die Einheit Deutschlands."

0-Ton

HELMUT KOHL:

(November 1990)

"Die Positionen sind ganz eindeutig. Die CDU - und ich sag' das ganz klar als CDU-Vorsitzender, das gilt aber genauso für die CSU - also die Union ist gegen jede Form der Steuererhöhung im Zusammenhang mit der deutschen Einheit. Das haben wir gesagt, so steht es in unserem Wahlprogramm, und so wird es bleiben."

0-Ton

FRIEDRICH BOHL:

(Januar 1991)

"Natürlich kann man dabei auch Steuererhöhungen nicht ausschließen, das haben wir vor der Wahl nicht getan, das tun wir auch jetzt nicht."

KOMMENTAR:

Für Theo Waigel war auch diese Steuererhöhung kein Problem, alles nur eine Frage der richtigen Perspektive.

0-Ton

THEO WAIGEL:

(März 1991)

"Bemerkenswert ist nicht die Tatsache von Steuererhöhungen im Frühjahr 1991, sondern der Zeitraum, in dem wir ohne sie ausgekommen sind."

KOMMENTAR:

Bemerkenswert auch der neue Schuldenstand: von 680 Milliarden stiegen die Schulden in drei weiteren Waigel-Jahren auf immerhin eine Billion Mark.

Theo Waigel jedenfalls hat schnell begriffen, daß Diskussionen über Steuererhöhungen eigentlich völlig überflüssig sind. Steuererhöhungen, so die Analyse des Finanzministers, sind manchmal einfach unvermeidlich, woran das auch immer liegen mag. Also wozu dann noch unnötig um Steuererhöhungen herumreden.

0-Ton

THEO WAIGEL:

"Im Moment über Steuererhöhungen zu diskutieren und jedenTag darüber zu diskutieren, das ist nicht gut für die Konjunktur."

KOMMENTAR:

Und die Konjunktur will Waigel schließlich unermüdlich antreiben, zumindest im Prinzip. Bei der Staatsverschuldung ging seine bisher letzte Steilvorlage allerdings irgendwie daneben.

In nur zwei Jahren kletterten die Schulden von 1 Billion auf 1,4 Billionen Mark - ein Rekordschuldenstand für den Rekordfinanzminister. Allein schon für diese Spitzenleistung hätte der Bundesfinanzminister ein bißchen Gold verdient, und wenn es von der Bundesbank ist. Kann es daran einen Zweifel geben?

0-Ton

HELMUT KOHL:

"Theo Waigel ist ein exzellenter Finanzminister. Er hat selbstverständlich nicht nur das Vertrauen der Koalition, auch das meine, und Sie können noch viele andere gesellen - er ist und bleibt Finanzminister, das ist das, was zu sagen ist."

KOMMENTAR:

Genau, die paar tausend Milliarden Mark Schulden kann man schließlich später irgendwann zurückzahlen, mit der einen oder anderen Steuererhöhung ist das doch kein Problem. Theo Waigel gibt die Richtung vor.

0-Ton

THEO WAIGEL:

"Die totale Gerechtigkeit gibt es nur im Himmel.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 05.06.1997 | 21:00 Uhr