Massaker an Menschenaffen - Deutsche Holzimporteure zerstören ihren Lebensraum im Regenwald

von Bericht: Holger Vogt

Anmoderation:

PATRICIA SCHLESINGER:

Fünf Jahre nach dem Umweltgipfel in Rio sind sich alle einig: Von vielen guten Ideen und Vorsätzen ist nicht viel übrig geblieben. Zum Beispiel Tropenholz: Da wird weiter großflächig geschlagen, angeblich alles umweltfreundlich, schöngeredet mit dem Begriff "nachhaltige Forstwirtschaft", inzwischen gibt's dafür sogar ein "Öko-Label". Und das Bewußtsein für Tierschutz ist insgesamt zwar gestiegen, aber ein wenig Empörung und Proteste haben am Ausbeutungsverhältnis zwischen Mensch und Tier bislang wenig verändert. Und während unser Bundeskanzler gerade auf der Nachfolgekonferenz in New York für eine bessere Umwelt streitet, freveln deutsche Firmen im Urwald Afrikas munter weiter.

Massaker an Menschenaffen
Durch den internationalen Holzhandel im Kongo blüht das Geschäft mit dem sogenannten Buschfleisch. Ein Bericht von 1997.

Über zerstörten Lebensraum, Menschenaffen und Elefanten berichtet Holger Vogt.

KOMMENTAR:

Äquatorial-Afrika. Bilder aus einem bedrohten Paradies. Für die letzten unberührten Urwälder, für den Lebensraum gefährdeter Arten wie Waldelefant, Gorilla und Schimpanse beginnt der Ausverkauf an die Holzhändler aus Europa. Die Waldtiere sind auf der Flucht vor den Holzfällern - und vor den Jägern, die auf den Holzfällerstraßen folgen. Die Schimpansen bringen sich, so die neueste wissenschaftliche Annahme, im Kampf um den schrumpfenden Lebensraum mittlerweile gegenseitig um. Und während an grünen Tischen über internationalen Artenschutz und Öko-Label für Tropenholz gefeilscht wird, findet hier eine internationale Treibjagd statt - mit deutscher Beteiligung. Die Treiber sind die Holzfäller. Ihnen folgen die kommerziellen Jäger. Sie schießen, was ihnen vor die Flinte kommt, auch Menschenaffen. Ihr Geschäft ist das sogenannte "Buschfleisch".

Kamerun vor sechs Wochen. Nur die Straßen der Holzfäller ermöglichen es, in die unberührten Wälder vorzudringen - Einfallstore für die Jäger. Das Sterben, das sie anrichten, wollten drei Europäer dokumentieren. Dann hielten sie es plötzlich in den Armen: ein Schimpansenbaby, fast verdurstet und verhungert. Seine Mutter wurde geschossen - für den Kochtopf. Auf solchen Holzlastern versteckt, werden die getöteten Tiere in die Städte transportiert.

Sie wollten Beweise für die Fleischjagd schaffen: ein Naturschützer, ein Reporter aus Hamburg und ein Schweizer Fotograf. Das Sterben so hautnah zu erleben, hatten sie nicht erwartet.

Alltag am Äquator. Holzfirmen aus aller Herren Länder räumen ab - darunter auch vier deutsche. Ein bis zwei Stämme pro Hektar sei ökologisch vertretbar, schade dem Wald nicht, verspricht die Tropenholzwerbung. Die drei Männer haben im Moment andere Sorgen: Das Schimpansenbaby ist mit seiner Lebenskraft am Ende.

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MANN:

"Es muß rein, es muß gezwungen werden zu schlucken."

KOMMENTAR:

Die Mutter, die es braucht, liegt zerstückelt auf irgendeinem Marktplatz. Die Männer können das Baby mit der Flasche nicht mehr retten. Sie dokumentieren seinen Tod.

Der Schweizer Fotograf Karl Amman hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, mit seinen Fotos gegen die Ausrottung der Menschenaffen zu kämpfen. Geräucherter Schimpanse in einem Jagdcamp an der Straße. Das Buschfleisch muß haltbar gemacht werden. Das Transportmittel, das ständig aus dem Wald rollt, ist der Holzlaster. Die Fahrer kaufen den Jägern die Beute ab, verkaufen sie in der nächsten Stadt. Das Geschäft floriert, und der Nachschub rollt, sobald die Holzfirmen die Infrastruktur im zuvor unberührten Regenwald geschaffen haben.

Bilder aus Jagdcamps an den Holzstraßen. Viele Tiere werden lebendig zwischengelagert, weil sie eben nicht für die Ernährung vor Ort, sondern für den Fleischhandel gefangen wurden. Wohlgemerkt: Die Naturschützer klagen nicht die Jagd der Ureinwohner des Regenwaldes an, angeklagt wird die kommerzielle Jagd in den Holzkonzessionen, die das Heer der Holzarbeiter und obendrein noch die Stadtbewohner mit Gorillafleisch aus dem Wald versorgt.

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KARL AMMANN: (Übersetzung)

(World Society for the Protection of Animals)

"Dieser Gorilla hier wurde gestern geschlachtet. Es ist ein Silberrückengorilla. Ich bin überzeugt, daß die Ausrottung der großen Affen in diesem Teil des Regenwaldes, wo die großen Holzgesellschaften sehr aktiv sind, nur eine Frage der Zeit ist, weil es die Holzgesellschaften sind, die die Infrastruktur schaffen, so daß die Jäger herkommen und das Fleisch in kommerziellen Mengen abtransportieren können. Die Holzgesellschaften sind alle in ausländischem Besitz. Hier sind alle französisch, und hinter der Grenze im Kongo schlägt ein großes deutsches Unternehmen ein. Die sind genauso verantwortlich wie jeder andere."

KOMMENTAR:

Festbankett der deutschen Holzimporteure, darunter auch einer, der uns bat, ihn nicht zu zeigen: Dr. Hinrich Lüder Stoll, der Chef jenes großen deutschen Unternehmens im Kongo, von dem der Fotograf Amman sprach. Stoll verweigert jegliches Interview vor der Kamera. Von seiner kongolesischen Tochterfirma bekamen unliebsame Journalisten nur Werbefotos zu sehen.

Vergangene Woche im Taunus. Einladung zum Workshop für handverlesene Tropenwald-Experten. Anlaß: eine vom Entwicklungshilfeministerium in Auftrag gegebene Studie über die Firma CIB - das kongolesische Unternehmen von Hinrich Lüder Stoll. Die Studie hat geprüft, ob Stoll in Afrika ökologisch verantwortungsvoll arbeitet, "nachhaltig", wir Fachleute sagen. Das Urteil ist eindeutig - Zitat:

"Die gegenwärtige Holzernte und -verarbeitung ist, ökologisch betrachtet, eindeutig nicht nachhaltig."

Bilder vom Markt in Ouesso, einer Stadt in der Nähe der Holzkonzession des Dr. Stoll. Hier gibt's alles, auch Gorillafleisch. Dazu die Studie - Zitat:

"Die kommerzielle Jagd hat sich im Gebiet der CIB-Konzession extrem schnell ausgebreitet. ....... Zu den bejagten Tieren gehören auch Waldelefanten, Schimpansen und Gorillas."

"Die Stämme auf diesem LKW tragen das Zeichen der Stoll-Firma CIB. Und wie viele Holzlaster, die aus entlegenen Urwäldern kommen, transportiert das Fahrzeug nicht nur Holz. Der Fotograf Ammann fand geräucherte Arme und Hände von Menschenaffen." Die Studie klagt an:

"Berufsjäger verabreden sich mit CIB-Fahrern, um ihr Wildfleisch auf Lastern der CIB abzutransportieren. Weder die CIB noch die lokalen Forstbeamten haben etwas dagegen unternommen."

KOMMENTAR:

Beim Workshop der Experten war PANORAMA nur wenige Minuten geduldet, in denen Dr. Stoll den Saal verließ. Das ökologische Urteil der Studie ist hart. Doch das Entwicklungshilfe-Ministerium relativiert mit der zweifelhaften Begründung, andere trieben es ja noch schlimmer in Afrika.

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UDO VOLLMER:

(Bundesministerium für wirtschaftl. Zusammenarbeit und Entwicklung)

"Was die Firma CIB tut, ist sicher nicht in jedem Punkt - entspricht nicht allen Forderungen, die heute, fünf Jahre nach Rio oder seit Rio gefordert werden, aber es gab Übereinstimmung zwischen allen Beteiligten, daß ist sowohl in der Republik Kongo, als auch im zentralafrikanischen Raum noch das, was einer nachhaltigen Bewirtschaftung am nächsten kommt."

KOMMENTAR:

Daß es auf anderen Konzessionen noch rücksichtsloser zugeht, nutzt den bedrohten Tierarten und Ureinwohnern auf der Stoll-Konzession überhaupt nichts. Zitat aus der Studie:

"Die Jagdaufseher der Pygmäen müssen hilflos zusehen, wie die Tiere aus ihren Jagdgebieten von Berufsjägern weggeschossen werden - das ganze System bricht zusammen."

Der Urwald im benachbarten Gabun. Hier sägt Europas größter Fabrikant von tropischem Sperrholz, die deutsche Firma Glunz. Bilder englischer Naturschützer: Im Anflug auf das Holzfällercamp sehen sie eine Brücke, die ihr Mißtrauen weckt. Sie führt auf das linke Flußufer, direkt in den bisher unberührten Regenwald des ökologisch wertvollen Lope-Reservats. Ausgerechnet dort will Glunz jetzt einschlagen - mit gabunischer Genehmigung, versteht sich. Die Folgen sind bekannt.

Diese Goldschwanzaffen gibt's nur hier. Eine gabunische Studie stellt fest, daß im Camp von Glunz in nur zwei Monaten 4.500 Kilo Wildfleisch konsumiert wurde, fast die Hälfte war Affenfleisch.

Auch ein Bild aus Gabun: Der Waldelefant wurde in einer Holzkonzession getötet. Doch die Elefantenjagd kennt keine Grenze. Im Nordkongo, nicht weit entfernt von der Holzkonzession Pokalla des Dr. Stoll wurden Anfang des Jahres über 300 Waldelefanten zusammengeschossen. Sie starben für ihr Elfenbein. In einer weiteren Studie über Pokala, das Konzessionsgebiet von Stoll, heißt es:

"Das meiste Elfenbein kam aus der Gegend von Pokala. ... Den Jägern dort halfen die Holz-LKW beim Transport von Fleisch und Elfenbein."

Auch das Schlachten von Menschenaffen geht weiter in den Holzkonzessionen. Immerhin - Stoll läßt verlauten, daß er jetzt Rindfleisch für seine Arbeiter importiere und gegen kommerzielle Jäger vorgehe - was zu überprüfen wäre, sagen Umweltschützer.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 26.06.1997 | 21:00 Uhr