Geheime Mission - Bundeswehr fordert 80 Milliarden für Rüstungsprojekte

von Bericht: Christoph Mestmacher und Jochen Graebert

Anmoderation:

PATRICIA SCHLESINGER:

Großzügig ist man auch bei unserer Landesverteidigung und das ohne Feindbild und aktuelle Bedrohung. Zwar wurde auch dem Verteidigungsministerium der Haushalt gekürzt, es gibt weniger Soldaten. Weiter sparen, sollte man meinen. Weit gefehlt: 80 Milliarden Mark werden jetzt verpulvert für einen verschwenderischen Rüstungsplan. Auf der Hardthöhe sollen Waffen de luxe geordert werden, das geht aus einem bis heute unveröffentlichten Rechnungshofbericht hervor.

Bundeswehr fordert 80 Milliarden für Rüstungsprojekte
Panorama berichtet über die 80 Milliarden DM die Volker Rühe für einen verschwenderischen Rüstungsplan verpulvert.

Mehr darüber von Christoph Mestmacher und Jochen Graebert.

KOMMENTAR:

1992, eine neue Gangart auf der Hardthöhe. Volker Rühe spricht in Interviews von Sparen, Friedensdividende und Vorrang für den Menschen, nicht aber für die Rüstung.

0-Ton

VOLKER RÜHE:

(CDU, Verteidigungsminister, 1.6.92)

"Es ist eine ganz neue Situation da, wir werden in den nächsten Jahren ja im Personal noch weiter zurückgehen. Aber damit wird auch Schluß sein, und dann sind die entscheidenden Einsparungsmöglichkeiten im Rüstungsbereich."

KOMMENTAR:

Schöne Worte, doch fünf Jahre später wird wieder à la carte gerüstet. Der Bundesrechnungshof stellt in einem vertraulichen Gutachten fest: Die Luftfahrtindustrie erhält wieder Großaufträge. Zitat: "Insgesamt werden alle geplanten Großprogramme der Luftfahrzeuge und Flugkörper rund 80 Milliarden Mark benötigen."

Die meisten Milliarden verschlingt der Eurofighter. Teuer bezahlt wird auch für den Transporthubschrauber NH 90 und für den Tiger, ein Kampfhubschrauber zur Panzerjagd. Allein diese Projekte werden mindestens 40 Milliarden Mark vom Steuerzahler verlangen, bis ins nächste Jahrtausend.

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OSWALD METZGER:

(MdB, Haushaltsexperte, Bündnis 90/Die Grünen)

"Das ist kein Pappenstiel, und es paßt nicht in die heutige Landschaft, wo der Staat selber in vielen Bereichen dem Normalbürger, ob es jetzt über die Zuzahlung in der Apotheke für Arzneimittel in die Tasche greift, da langt sich doch jeder vernünftige Mensch an den Kopf und denkt: Die spinnen in Bonn."

KOMMENTAR:

Zu verantworten hat das 80-Milliarden-Programm für die Luftfahrtindustrie Volker Rühe. Und gerade bei militärischen Großaufträgen halten ihm die Rechnungsprüfer immer wieder vor: Gespart wird hier nicht.

Beispiel 1: Der Eurofighter. Das Parlament soll im Oktober über den Kauf entscheiden. Die Finanzierung aber wird immer noch geheim gehalten. Nur in den geheimen Erläuterungen zum Verteidigungshaushalt 1998 taucht die Mindestsumme für den Eurofighter auf. Was hier niedlich und klein wirkt, muß mit 1.000 multipliziert werden, macht mindestens 23 Milliarden Mark. Doch diese offiziell unter Verschluß gehaltene Zahl ist wohl geschönt. Folgt man dem Bundesrechnungshof, dann schlucken die bewaffneten Jäger über 33 Milliarden Mark. Demnach ergebe sich für das Jagdflugzeug ein Stückpreis von über 145 Millionen Mark. Aus diesem Grund dürfte sich Volker Rühe an einen Auftritt gar nicht gern erinnern:

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INTERVIEWERIN:

"Was ist denn Ihre Kostenobergrenze?"

VOLKER RÜHE:

(23.6.1992)

"Also, ich glaube, daß es nach heutigen Kosten deutlich unter 100 Millionen liegen sollte. Solche Flugzeuge gibt es auch, die sind auch leistungskräftig."

KOMMENTAR:

Nur - bei der deutschen Luftwaffe wird es sie nicht geben. Deutlich unter 100 Millionen pro Stück, wie Rühe versprochen hatte, davon kann beim Eurofighter keine Rede sein. Das wissen auch die Rechnungsprüfer und fordern Maßhalten vom Minister. Zitat:

"Der Umfang von 180 Kampfflugzeugen muß aus kosten- und sicherheitspolitischen Gründen kritisch hinterfragt werden."

Weniger Flugzeuge - eigentlich ein Fall für Theo Waigel, weiß der doch gar nicht, wie er seine Haushaltslöcher stopfen soll. Doch der Schuldenminister kürzt lieber Sozialleistungen - aus gutem Grund: Schließlich ist jede Mark für den Eurofighter eine Mark für die bayerische Luftfahrtindustrie. Da sitzt das Portemonnaie locker. Das kritisiert sogar der Koalitionspartner:

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JÜRGEN KOPPELIN:

(MdB, Haushaltsexperte, FDP)

"Wenn der Finanzminister kommen würde und würde sagen: Bestimmte Dinge kann ich nicht finanzieren, zum Beispiel Senkung des Soli, aber ich will den Eurofighter haben - und Theo Waigel hat ja persönliches Interesse auch dran, den Eurofighter zu bekommen, nicht nur Herr Rühe - dann sehe ich die Beschaffung des Eurofighters nicht als möglich an, wenn zum Beispiel andere Dinge, die dringend notwendig sind im Haushalt, nicht gemacht werden."

KOMMENTAR:

Doch im Rüstungsdickicht auf der Hardthöhe lauern mehr Finanzrisiken. Der Kampfhubschrauber Tiger, ein Fünf-Milliarden-Projekt.

Im Visier der Rechnungsprüfer ist auch der NH 90. 243 neue Hubschrauber sollen gekauft werden, 12 Milliarden sind fällig. Was damit alles transportiert werden soll, ist dem Rechnungshof schleierhaft. Auch hier die Rüge: Rühes Bestellung fiel einmal mehr zu üppig aus. Zitat:

"Die Planungen der Streitkräfte beruhen zum Teil nicht auf nachvollziehbaren Bedarfsanalysen, sondern auf eher pauschalen Schätzungen."

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PETER STRUCK:

(MdB, parl. Geschäftsführer SPD)

"Ja, eigentlich ist sowas völlig unvorstellbar, also wenn - und da hat der Rechnungshof zu Recht eine Beanstandung dann angebracht - wenn man also eine vernünftige Kosten-Nutzen-Rechnung nicht macht, sondern sagt: Wir brauchen halt einen neuen Hubschrauber, und wir wollen den - und das ist die gesamte Begründung - dann kann das die Politik nicht akzeptieren."

KOMMENTAR:

Doch viele Rüstungsprojekte sind nicht mehr zu stoppen. Die Eurofighter-Milliarden will die Rühe/Waigel-Connection verplanen. Bei den Hubschraubern gibt es schon jetzt kein Zurück mehr, die Verträge sind geschlossen. Das signalisiert ein unscheinbares Wort im Haushaltsplan: Verpflichtungsermächtigung.

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OSWALD METZGER:

(MdB, Haushaltsexperte, Bündnis 90/ Die Grünen)

"Hier wird praktisch das Parlament und künftige Regierungen auf einen Zeithorizont von 16 bis 20 Jahren gebunden, und das ist unverantwortlich, paßt nicht zu einer demokratischen Gesellschaft und ist auch ökonomisch unsinnig."

0-Ton Werbefilm

MANN:

"Ich heiße Mark Ollerich, bin Grundwehrdienstleistender der Bundeswehr und ausgebildeter Panzergrenadier. Als Wehrpflichtiger sind wir hier kein Anhängsel."

KOMMENTAR:

Noch wirbt die Bundeswehr mit der Wehrpflicht, noch profiliert sich Rühe als Bollwerk gegen die Berufsarmee, noch gibt der Minister solche Spots in Auftrag. Doch seine Rüstungsfreude ist politisch riskant. Auch intern wird Rühe bereits gewarnt: Wer zu viele Milliarden langfristig in die Rüstung steckt, der verspielt die Wehrpflicht.

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BERNHARD GERTZ:

(Vors. Deutscher Bundeswehrverband)

"Wenn die Enge der Haushalte sich so fortsetzt, wie wir es in den letzten Jahren hatten, wird es bei einer solchen Festlegung für Ersatzbeschaffungen schwierig werden, die Bundeswehr als Wehrpflichtarmee insgesamt ausreichend und solide zu finanzieren."

Abmoderation:

PATRICIA SCHLESINGER:

Bundesverteidigungsminister und Wehrpflichtanhänger Volker Rühe torpediert da unter Umständen seine eigenen Ziele.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 18.09.1997 | 23:00 Uhr