Gebührenerhöhung Kabelfernsehen - Unwirksam wegen falscher Begründung?

von Bericht: Christoph Mestmacher

Anmoderation:

PATRICIA SCHLESINGER:

In diesen Tagen bekamen viele von uns Post, Post von der Telekom, mit schlechten Nachrichten: Der Kabelanschluß wird teurer, und zwar deutlich. Rund 15 Prozent mehr sollen wir nun bezahlen. Doch da gibt es noch ein paar schwerwiegende Bedenken - der frühere Monopolist hat wohl noch Schwierigkeiten mit der Marktwirtschaft, so einfach sind wir nicht zu schröpfen. Bevor Sie klaglos zahlen, schauen Sie sich den Film meines Kollegen Christoph Mestmacher an: eine preiswerte Entscheidungshilfe.

Gebührenerhöhung für Kabelfernsehen
Die Preiserhöhung für den Kabelanschluss der Telekom AG ist laut Medienrechtlern mit dem Gesetz nicht vereinbar.

Bilder WERBESPOT TELEKOM

KOMMENTAR:

Ein Spitzenunternehmen will es sein, neue Wege beschreiten, Aufbruch in die Marktwirtschaft, den Behördenmief endlich ablegen. Die schöne Werbewelt der Telekom suggeriert: es ist geschafft.

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WERBESPOT TELEKOM:

"Ein eingespieltes Team. Ein überlegenes Konzept."

KOMMENTAR:

Die Telekom-Euphorie, ausgelöst durch Jan Ulrich & Co. der Tour de France Sieg. Als im Auftrag des T nach unten getreten wurde, war die Telekom ihren Kunden so nah wie nie zuvor. Und das gelbe Trikot der leeren Versprechungen trug Telekom-Chef Ron Sommer.

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RON SOMMER:

(Telekom-Chef, April '97)

"Es ist schon seit vielen Jahren schöner, besser und billiger geworden, und dieser Trend wird sich nicht aufhalten lassen, wir werden ihn ganz sicherlich beschleunigen."

KOMMENTAR:

Doch irgendwie kam's anders. Die Telekom schrieb jetzt ihren Kabelkunden und teilte lapidar mit, der Kunde müsse mehr bezahlen, zum 1. November sei eine Preisanpassung unumgänglich. Fünfzehn Prozent mehr soll der Konsument für den Kabelanschluß berappen. Doch so einfach, wie es sich die Telekom macht, geht es nicht, so das Fazit des Medienrechtsexperten Christoph Wagner.

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CHRISTOPH WAGNER:

(Medienrechtler)

"Es ist meines Erachtens ein Versuch der Telekom, einseitig höhere Preise durchzusetzen, der mit den gesetzlichen Vorschriften nicht vereinbar ist."

KOMMENTAR:

Der Kabelkunde, moniert Wagner in seinem Gutachten, erhält eine Gebührenerhöhung, der jede rechtliche Grundlage fehlt. Zudem berufe sich die Telekom auf eine unzulässige Preisanhebungsklausel in ihren Geschäftsbedingungen.

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CHRISTOPH WAGNER:

"Das Problem besteht darin, daß die Telekom in dieser Preisanpassungsklausel nicht festgelegt hat, unter welchen Bedingungen die Preise erhöht werden dürfen. Sie hat die sogenannten Preisbemessungsfaktoren dort nicht genannt, und sie hat keinen Rahmen vorgegeben, der für die Preisanhebung gilt. Nach dieser Klausel könnte die Telekom auch eine Preiserhöhung auf vierzig Mark rechtfertigen."

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WERBESPOT TELEKOM:

"Das ist Höchstleistung im Zeichen des T."

KOMMENTAR:

Die Telekom, mit den Vorwürfen des Gutachtens konfrontiert, reagiert scheinbar mit Gelassenheit.

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STEPHAN ALTHOFF:

(Pressesprecher Telekom)

"Es ist unter Juristen nichts Unübliches, daß es unterschiedliche Auffassungen gibt. Wir wissen, daß diese Änderungsklausel konform ist auch mit der neuesten BGH-Rechtsprechung und sehen dem insofern sehr gelassen entgegen."

KOMMENTAR:

Doch das Gutachten sorgt jetzt für Brisanz. Seit heute ist die Gebührenerhöhung gefährdet, denn die Verbraucherschützer schreiten zur Tat.

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TOBIAS BRÖNNEKE:

(Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände)

"Das Gutachten ist nach meinem Eindruck tatsächlich sehr fundiert ausgearbeitet worden, und wir wollen dies aufgreifen und erwägen, nunmehr Klage zu erheben gegen die allgemeinen Geschäftsbedingungen. Das wollen wir über den Verbraucherschutzverein in Berlin tun."

KOMMENTAR:

Die betroffenen Kunden der Telekom sollten die Preiserhöhung nicht klaglos hinnehmen, empfehlen die Verbraucherschützer. Das Risiko sei gering, wichtig aber sei, gegen die Gebührenerhöhung zu protestieren, schriftlich und dies möglichst schnell.

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TOBIAS BRÖNNEKE:

"Ich würde denken, daß die Kunden hier einen Brief schreiben sollten, in dem sie sagen: Wir akzeptieren die Erhöhung nicht, wir wollen nichtsdestotrotz den Vertrag aufrechterhalten wissen, und wir zahlen nur unter Vorbehalt die erhöhten Preise."

KOMMENTAR:

Nur wer unter Vorbehalt die Gebührenerhöhung hinnehme, erhält im Fall der Fälle sein Geld vom Azubi in Sachen freier Marktwirtschaft zurück. Die Chancen seien gut, meinen die Experten - schlecht für die Telekom.

Abmoderation:

PATRICIA SCHLESINGER:

Der Vorstandschef der Deutschen Telekom, Ron Sommer, sieht es so - ich zitiere: "Die Kostenstrukturen der Deutschen Telekom sind natürlich nicht von Volksschülern nachvollziehbar." Der Kabelkunde, also wir, sollen - ob wir es verstehen oder nicht - einfach brav mehr zahlen und in die Röhre gucken.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 09.10.1997 | 21:15 Uhr