Fußgänger plattmachen - Die Botschaften des Sony-Konzerns

von Bericht: Ute Jurkovics

Anmoderation:

PATRICIA SCHLESINGER:

Sony-Spielkonsole © ARD/Panorama Foto: Screenshot

An virtuelle Haustiere, die die ganze Familie beschäftigen oder auch terrorisieren, haben wir uns schon gewöhnt, mit Bildschirmspaß werden Milliardengewinne erzielt, und das Erfolgsmotto der Spielhöllen zieht auch hier. Je mehr Gewalt, desto mehr Gewinn. Digitale Kampfszenarien können gar nicht destruktiv genug sein. Mit einem ganz besonders feinsinnigen Marketing macht da die Firma Sony Computer Entertainment für ihre "Meisterwerke der Gewalt" auf sich aufmerksam.

Ute Jurkovics meint, Erziehung zur Gewaltlosigkeit können Eltern getrost vergessen.

Sony Playstation: Die Botschaften des Sony-Konzerns
Ein Bericht von 1997 über Gewaltverherrlichung in den Werbeprospekten und Videospielen der Firma Sony.

0-Ton

SONY PLAYSTATION:

"Das wird hier gespielt, CD-Rom-Technologie, über 200 Spiele, Sony Playstation jetzt zum Kampfpreis von 299 Mark, unverbindliche Preisempfehlung. Schlagt zu."

KOMMENTAR:

Preiskampf auf dem Markt der Videospiele. Es geht um die Köpfe der Kids, um einen Markt von jährlich 30 Milliarden Mark. Der Herausforderer: Nintendo mit einer neuen 64-Bit Konsole. Schärfstes Konkurrenzprodukt: die Playstation des Marktführers Sony. Der reagiert mit Dumping-Preisen und einer gnadenlosen Werbekampagne.

0-Ton

JÜRGEN KRENZ-GÖLLINGER:

(Sony Computer Entertainment)

"Es geht nicht darum, daß wir damit in irgendeiner Form eine Gewaltdarstellung haben. Unsere Werbung ist, wenn Sie sich unser komplettes Werbeportfolio anschauen, clean, wie man sagt, das heißt, es gibt keine Aussagen, die moralische Grenzen übertreten würden."

SONY PLAYSTATION:

"Schlag zu!"

JÜRGEN KRENZ-GÖLLINGER:

"Es sind immer Menschen dabei, die bestimmte Aussagen anders verstehen."

SONY PLAYSTATION:

"Schlag zu!"

JÜRGEN KRENZ-GÖLLINGER:

"Aber in der Regel - und das bestätigt uns jede Kampagne - treffen wir den Nerv...."

SONY PLAYSTATION:

"Schlag zu!"

JÜRGEN KRENZ-GÖLLINGER:

"... treffen wir den Nerv der Generation der 14- bis 29jährigen."

KOMMENTAR:

Bravo-Leser sind jünger, 12 bis 14 durchschnittlich. Kinder, Zielgruppe einer Bravo-Prospektbeilage von Sony mit Werbung für ein Crash-Spiel, das erst frei ab 16 ist. Die Botschaft:

"Vergiß die Kotflügel, ramm ihn. Fahr deine Gegner zu Schrott."

0-Ton

INTERVIEWERIN:

"Was empfinden Sie, wenn Sie Sprüche hören wie 'Fahr deine Gegner zu Schrott'?"

MANN:

"Abscheu, ganz eindeutig Abscheu. Ich denke, auch hier müssen wir mit den Jugendlichen ins Gespräch kommen, sei es in Discos, sei es auf der Straße. Nur dann kann man einen Dialog aufbauen und dagegen wirken."

KOMMENTAR:

Sony hat eine andere Botschaft:

"Fußgänger sind kein Hindernis. Fahr platt, was dir in den Weg kommt. Alle Extremsportarten für coole Säue, die keine Limits kennen."

0-Ton

JÜRGEN KRENZ-GÖLLINGER:

(Computer Playstation)

"Wir fordern nicht zu irgendeiner Gewalt auf, wir fordern zum Spaß am interaktiven Home-Entertainment auf."

KOMMENTAR:

Wohnzimmerunterhaltung. Sony weiß, was Schulkinder nachmittags brauchen: Twisted Metal, Entspannung vorm Bildschirm, Action per Knopfdruck am Joystick, Fußgänger überfahren inklusive. "Beide tot" - Verkehrserziehung am Bildschirm.

Das gibt es in der Schule noch nicht. Hier mühen sich die Verkehrslehrer der Polizei damit ab, Kinder in die Regeln des Straßenverkehrs und den Umgang mit Fußgängern einzuweisen.

0-Ton

VERKEHRSLEHRER:

"Und wenn da jetzt eine alte Oma gehen würde, was machen wir dann?"

KIND:

"Anhalten."

VERKEHRSLEHRER:

"Anhalten, ja, aber wir wollen ja fahren."

KIND:

"Klingeln."

VERKEHRSLEHRER:

"Klingeln, dann fällt die Oma um und ist tot, das wollen wir doch nicht."

KOMMENTAR:

Gute Vorsätze, nach der Schule vergessen. Fußgänger überfahren - Kick am Nachmittag.

0-Ton

VERKEHRSLEHRER:

"Wie können wir nun an dieser Oma vorbeikommen, ohne daß sie sich erschrickt?"

KIND:

"Schieben."

VERKEHRSLEHRER:

"Schieben, ja, aber wir wollen ja fahren, was machen wir dann wohl?"

KIND:

"Warten, bis sie weg ist."

VERKEHRSLEHRER:

"Wir sprechen die Oma an. Und wenn ihr dann an ihr vorbeifahrt, was sagt ihr dann noch vielleicht?"

KIND:

"Danke."

VERKEHRSLEHRER:

"Ja, ich bin begeistert, natürlich. Und das kommt natürlich auch gut an."

KOMMENTAR:

Twisted Metal kommt besser. Sony zeigt, wie man Kinder begeistert: mit einem Rennspiel, das auf Aggression, auf Zerstörung, auf die Lust am Töten setzt.

0-Ton

JÜRGEN KRENZ-GÖLLINGER:

(Computer Entertainment)

"Wir wollen heute niemandem vorschreiben, der über 18 Jahre alt ist, welches Spiel er sehen kann. Wir kontrollieren aber, und das betone ich hier, die Altersfreigaben bei unseren Spielen."

0-Ton

JUNGE:

"Bei einigen Händlern schaut man gar nicht auf die Altersangaben, die Händler selbst, die schauen gar nicht drauf und verkaufen das einfach."

0-Ton

JÜRGEN KRENZ-GÖLLINGER:

"Ein Unternehmen wie Computer Entertainment kann nicht in jeder Wohnung von Garmisch bis Flensburg aufpassen, was den Kindern erlaubt wird und was nicht."

0-Ton

SONY PLAYSTATION:

"Schlag zu!"

Abmoderation:

PATRICIA SCHLESINGER:

Realität und virtuelle Realität - die Grenzen verschwimmen offensichtlich, und diese Firma macht sich ohne Skrupel genau das zunutze.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 26.06.1997 | 21:00 Uhr