Steuerverschwendung bei der Frauenforschung

von Bericht: Tilo Knops

JOACHIM WAGNER:

Mehrere 100 D-Mark-Scheine und weitere Münzen liegen in zwei Händen. © dpa / picture-alliance

Nach Jahrhunderten Männerforschung war es sicher legitim, ein paar Jahre Frauenforschung finanziell besonders zu fördern. Berlin stellte sich an die Spitze der Bewegung. 3,5 Millionen Mark jährlich hat die Stadt sieben Jahre lang ausgegeben, um männliche Dominanz und Blindheit in Universitäten und wissenschaftlichen Projekten zu korrigieren. Was einst vernünftig begann, hat sich nach Auffassung des Landesrechnungshofes jedoch inzwischen im Abseits-Exotischen verloren.

Tilo Knops hat einige Auswüchse der Berliner Frauenforschung aufgespießt.

KOMMENTAR:

Ab und zu wird der Brunnen vor der Gedächtniskirche abgestellt. Berlin muß sparen. Nicht gespart wird bisher bei der Frauenforschung. Hier leistet sich der Senat zum Beispiel die Unterstützung einer Untersuchung mit 200.000 Mark, Thema: "Möglichkeiten und Grenzen des Arbeitseinsatzes von Eseln in kleinbäuerlichen Betrieben unter besonderer Berücksichtigung des Arbeitseinsatzes der Frauen am Beispiel zweier Regionen in Marokko".

Auch die Analyse der "sprechenden Tücher der Swahilifrauen in Ostafrika" wurde von der Frauensenatorin mit einer vergleichbaren Summe bedacht. Und 111.000 Mark kostet die Klärung der Frage: "Gewalt gegen Frauen in Korea unter besonderer Berücksichtigung der Überprüfung der Übertragbarkeit der Konzeption eines Frauenhauses in Berlin auf Pusan in Korea".

Für insgesamt 800 Studien gibt es jährlich rund dreieinhalb Millionen Mark. Doch jetzt hat der Rechnungshof von Berlin die Resultate nüchtern betrachtet.

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PETER ZIMMERMANN:

(Rechnungshof Berlin)

"Hier fragt sich der Rechnungshof, wo der Bezug ist zu Berliner Verhältnissen. Und insoweit scheint uns das mehr in den Bereich Entwicklungshilfe zu gehen und nicht Frauenforschung."

KOMMENTAR:

In der Senatsverwaltung wird das mit weiblichem Blick gesehen. Berlinbezüge lassen sich schon erkennen, wenn frau nur will:

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CAROLA SACHSE:

(Senatsverwaltung für Arbeit und Frauen, Berlin)

"Dieses Programm ist nicht so konstruiert, daß jedes Forschungsprojekt als solches einen Berlin-Bezug aufweisen muß. Die Berlin-Dienlichkeit dieses Programms liegt, wie ich eingangs sagte, in den zentralen Zielstellungen, die wir verfolgen, als Wissenschaftspolitik, als Frauenpolitik, als Berlin-Politik zur Förderung des Wissenschaftsstandortes und auch als Gleichstellungspolitik."

KOMMENTAR:

Wege aus der Arbeitslosigkeit schaffen sollte das Programm. In Wirklichkeit standen viele geförderte Frauen unkündbar in Lohn und Brot.

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PETER ZIMMERMANN:

"Da haben wir also drei Fälle gefunden, die also dieser Zielsetzung widersprochen haben. Das sind also Fälle, wo Frauen in gesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen zum Zuge gekommen sind. So hat eine Berliner Lehrerin sich unter Wegfall der Dienstbezüge vom Dienst beurlauben lassen, für 21 Monate ein Stipendium aus diesen Fördermitteln erhalten von knapp 50.000 Mark."

KOMMENTAR:

Eine schöne Abwechslung vom öden Schulalltag. Eine andere geförderte Lehrerin hatte nur eine Postanschrift in Berlin. Und was ist bei den Forschungen herausgekommen, zum Beispiel zur Gewalt gegen Frauen in Korea?

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CAROLA SACHSE:

(Senatsverwaltung für Arbeit und Frauen, Berlin)

"Also ich würde Ihnen vorschlagen, daß Sie dort also mit den Frauen vom Frauenhaus reden, die dieses Projekt auch dann ja von der Praxis her begleitet haben. Die können Ihnen da fachlich sicherlich noch mehr zu sagen."

KOMMENTAR:

Zwei Mitarbeiterinnen des Frauenhauses Berlin erklären den Forschungstitel:

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MITARBEITERIN FRAUENHAUS:

"Also der Titel der Studie ist 'Gewalt gegen Frauen in der Familie in Korea', mit dem Untertitel 'Tief in der Scheide wird das Schwert geschärft'. Und er ist insofern wichtig, daß es zum einen die Situation in Korea, die Situation der Frauen in Korea analysiert, Gemeinsamkeiten aufzeigt, die zu Gewalt überall auf der Welt, auch hier in Deutschland, und neue Wege beschreibt für Korea."

KOMMENTAR:

Klare Worte: geschärfte Schwerter in Korea für 111.000 Mark.

Die Forschungsergebnisse zu lesen, wird leider nicht erlaubt.

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MITARBEITERIN FRAUENHAUS:

"Also dieses Okay werden Sie auch nicht bekommen. Das hab' ich mit ihr sowie schon abgesprochen."

INTERVIEWER:

"Warum nicht?"

MITARBEITERIN FRAUENHAUS:

"Weil sie ihren unveröffentlichten Forschungsbericht nicht der Presse vorstellen möchte. Die Möglichkeit hat sie doch."

KOMMENTAR:

Der Rechnungshof kennt die Ergebnisse allerdings.

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PETER ZIMMERMANN:

(Rechnungshof Berlin)

"Meines Wissens liegt dazu nur ein wenige Seiten umfassender, mit Reisebericht überschriebener Bericht vor:"

KOMMENTAR:

Der Logik des Rechnungshofs erschließt sich das 200.000 Mark teure Ergebnis offenbar nicht. Deshalb hat er in seinem Bericht den Berliner Abgeordneten jetzt empfohlen, die Frauenforschung nach sieben Jahren einzustellen.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 01.08.1996 | 21:00 Uhr