Nummernkonto in Basel - Ausländische Banken helfen bei Steuerhinterziehung

von Bericht: Silvia Hoffmann und Jörg Heimbrecht
Das Frankfurter Bankenviertel aus der Luft. © picture-alliance / KPA/Euroluftbild Foto: KPA/Euroluftbild

Seit drei Jahren gehen Staatsanwälte und Steuerfahnder bei den feinsten Adressen der deutschen Bankenwelt ein und aus: bei der Dresdner Bank zum Beispiel, der Commerzbank und einem halben Dutzend kleiner Geldinstitute. Sie alle stehen im Verdacht, Steuersündern beim Schwarzgeld- Transfer nach Luxemburg geholfen und dabei den deutschen Fiskus um über eine Milliarde Mark geprellt zu haben. Diese riesige Welle von Strafverfahren müßte eigentlich alle Banken nachhaltig abschrecken. Ein Irrtum, wie Silvia Hoffmann und Jörg Heimbrecht festgestellt haben.

Ausländische Banken helfen bei Steuerhinterziehung
Einige Banken legen hinterzogenes Geld für Kunden im Ausland auf ein Konto unter falschen Namen an.

KOMMENTAR:

Düsseldorf, Januar 1994. Steuerfahnder durchsuchen die Filiale der Dresdner Bank und beschlagnahmen Dutzende von Kisten mit Beweismaterial. Leitende Angestellte der Bank sollen, so die Ermittler, Steuerhinterziehern geholfen haben, Geld ins Ausland zu schmuggeln. Gegen ein halbes Dutzend andere Kreditinstitute wird inzwischen wegen des gleichen Verdachts ermittelt. Die Banken bestreiten jede Schuld.

Wir sind gespannt, ob das stimmt und was hinter solchen Werbeprospekten steckt, die nicht nur Schweizer Banken verschicken. Wir, das sind die Journalisten Silvia Hoffmann und Jörg Heimbrecht. Von einer offenen Nachfrage erwarten wir kein Ergebnis, deshalb machen wir telefonisch mit verschiedenen Banken Beratungstermine aus, unter falscher Flagge:

"Ja, guten Tag, hier ist Heimbrecht. Ich bin Kunsthändler und hab' einiges an Geld, was ich nicht versteuert hab', was ich also der Steuer hinterzogen habe, und das wollte ich gerne bei Ihnen anlegen. Könnten Sie mich da mal beraten?"

Der erste Versuch endet mit einer glatten Abfuhr, keine Beratung. Die Bank verhält sich korrekt. "Da müssen Sie schon selber nach Liechtenstein fahren", sagt der Mitarbeiter der Frankfurter Filiale der Bank in Liechtenstein, "schließlich wollen wir ja nicht gegen deutsche Gesetze verstoßen."

Unser zweiter Versuch. Wir sind auf dem Weg zur Frankfurter Filiale der Bank Austria, der größten österreichischen Bank. Wir haben uns feingemacht, Nadelstreifenanzug und Kostüm. Angeblich wollen wir eine Million Mark, die wir der Steuer hinterzogen hätten, in Österreich in Sicherheit bringen. Freundlicher Empfang, ausführliche Beratung für die angeblichen Steuerhinterzieher. Wir drehen mit verdeckter Kamera.

Der Banker empfiehlt ein Nummernkonto bei seiner Zentrale in Österreich. Da hat das Bankgeheimnis Verfassungsrang. Zwar kann es bei Straftaten wie Steuerbetrug von einem österreichischen Gericht aufgehoben werden, aber praktisch funktioniert das nie, sagt er. Es gibt so gut wie keine Anfragen von der deutschen Finanzfahndung. Die Million, empfiehlt er, sollen wir bar, im Aktenkoffer, nach Wien bringen, um alle Spuren zu verwischen. Geld, das wir in Zukunft hinterziehen wollen, können wir unter falschem Namen von Deutschland aus auf unser Nummernkonto in Wien einbezahlen. Nur in bar, sagt er, immer bei einer anderen Bank und immer etwas weniger als 20.000 Mark, "dann brauchen Sie Ihren Paß nicht vorzulegen, und tragen Sie nie Ihren richtigen Namen als Absender ein. So wird Siedie Steuerfahndung nie erwischen."

Wir sind nach Wien geflogen. Den Termin in der Zentrale der Bank Austria hat der Frankfurter Banker ausgemacht. Das Geld, haben wir erzählt, wollten wir erst in paar Wochen vorbeibringen

Wir werden erwartet. Wie in Frankfurt besprochen, ist alles vorbereitet.

Jetzt habe ich ein Nummernkonto und kann Geld unter dem Falschen Namen Dr. Seefelder von Deutschland aus darauf einzahlen, ohne daß das Finanzamt was merkt. Im Formular der Bank steht: Name des Kontoinhabers Jörg Heimbrecht, Zusatzbezeichnung Dr. Seefelder.

Nächste Station: die Nürnberger Tochtergesellschaft der größten Schweizer Bank, der Credit Suisse. Auch hier freundliche Begrüßung und umfassende Beratung für Steuerhinterzieher. Auch auf ein Schweizer Nummernkonto sind Bareinzahlungen aus Deutschland unter falschem Namen möglich, erfahren wir, und lassen uns telefonisch einen Termin in der Schweiz besorgen. Da müssen wir nur einmal hin, denn der Banker, bei dem wir das Konto eröffnen wollen, kommt regelmäßig nach Deutschland, um mit seinen Kunden zu beraten, wie sie ihr hinterzogenes Geld profitabel anlegen können.

Drei Tage später, unsere letzte Station, Basel. Neben Zürich ein Hauptanlaufpunkt für deutsche Steuerkriminelle. Letzter Kameracheck vor dem Fahrstuhlspiegel. Dann geht's zum Termin beim stellvertretenden Direktor der Credit Suisse, Fides. Er bestätigt, was wir in Nürnberg erfahren haben. Früher hat man hier den Kunden sogar falsche Rechnungen besorgt, erzählt uns der Banker. So konnten sie die Gelder, die sie der Steuer hinterzogen haben, als Betriebsausgaben getarnt auf ihr Konto einzahlen und auch noch von der Steuer absetzen. Heute müssen wir uns für solche Betrügereien selber einen Notar suchen. Auch in der Schweiz kann - zum Beispiel bei Steuerbetrug das Bankgeheimnis aufgehoben werden.

Aber, so erfahren wir, bei dieser Bank hat es seit 1979 nicht eine einzige Anfrage über ein Rechtshilfebegehren gegeben. Trotzdem warnt uns der Banker: "Nehmen Sie sich vor den deutschen Steuerfahndern in acht, die sind nicht blöd. Aber," fährt er fort, "zum Glück gibt es ja zu wenige davon."

Unser Bankentest ist zuende. Drei Beispiele von vielen. Kein Wunder, daß dem Staat durch Steuerhinterziehung jedes Jahr 130 Milliarden Mark verlorengehen, wie die Deutsche Steuergewerkschaft errechnet hat.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 04.07.1996 | 21:00 Uhr