Wir trauern um Gerhard Bott

Unser ehemaliger Kollege Gerhard Bott ist gestorben. Als Autor und dann Leiter von Panorama (1975-1977) ist er uns in Erinnerung geblieben. Seine Themen wirken so aktuell, als wären sie von heute.

Bott legte sich Strauß und der Union an

Bemerkenswert ist etwa ein Beitrag von ihm aus dem Jahr 1969. Die Studentenunruhen waren überall in Deutschland in vollem Gange. In Bamberg hatte ein "Go-In" von protestierenden Studenten stattgefunden. Und das verurteilte Franz Josef Strauß in seiner unnachahmlichen Art: "Diese Personen (...) benehmen sich wie Tiere, für die die Anwendung der für Menschen gemachten Gesetze nicht möglich ist".

Diese Aussage fand Panorama damals ungeheuerlich. Man dürfe es keinem Politiker durchgehen lassen, dass er seinem Gegenüber die Menschlichkeit abspräche. Gerhard Bott machte also am 11.8.1969 einen kurzen, harten, polemischen Bericht, der mit den Worten begann: "Meine Geschichte beginnt mit Franz Josef Strauß. Ich erzähle sie, weil es an der Zeit ist, Alarm zu schlagen, wenn politische Gegner als Tiere bezeichnet werden."

Panorama - die ganze Sendung
50 Jahre Panorama: Das Video der Jubiläumssendung vom 26.05.2011.

"Gegendarstellung" der CDU lehnt der NDR ab

Bezeichnenderweise wird der Beitrag im Panorama-Archiv unter dem Titel "NPD im Wahlkampf" geführt. Was daher rührt, dass Bott in seinem Beitrag vor allem die Nähe der CDU zur NPD untersuchte. Strauß‘ Aussagen wurden mit denen von Himmler und Hitler verglichen, die von Untermenschen gesprochen hatten, wenn es darum ging, sogenannte Minderwertige von den Gesetzen auszunehmen. Bott stellte eindrücklich dar, wie die Union am rechten Rand fischte und wie sehr sie dafür Applaus aus den Reihen der NPD bekam. Kanzler Kiesinger wurde gleich mitangegriffen, weil er behauptet hatte, die NPD sei keine neonazistische Partei. Der Beitrag endete mit den Worten: "Die NPD kann mit der CDU zufrieden sein." Was wenige Wochen vor der Bundestagswahl am 28.9.1969 für die CDU doch recht harter Tobak war. Immerhin wurde diese Sendung laut infratest in jedem dritten deutschen Fernsehhaushalt eingeschaltet und war von 75% der Zuschauer als sehr gut oder gut bewertet worden.

Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU verlangte unverzüglich eine Gegendarstellung "in Bild und Ton". Dafür ließ die Union in Eigenregie einen etwa siebenminütigen Film zusammenschneiden. Darin gaben Bundestagspräsident von Hassel und Bundeskanzler Kiesinger ihre Meinung zum Thema Rechtsradikalimus zum besten. Diesen Film sollte der NDR ausstrahlen. Das lehnte der NDR mit der Begründung ab, dass es sich um einen reinen Meinungsbeitrag handele und nichts mit einer Gegendarstellung im juristischen Sinn zu tun habe.  

Bott löste große Welle aus

Ein Affront. Die Konservativen versuchten daraufhin die Existenz des gesamten NDR in Frage zu stellen. Sowohl Landesregierung als auch der CDU Landesvorstand in Schleswig-Holstein, sowie der niedersächsische Kulturminister drohten, gegebenenfalls "Staatsaufsichtsmaßnahmen" einzuleiten und den Staatsvertrag mit dem NDR zu kündigen.

Die Auseinandersetzungen waren derart massiv, dass der NDR am 27.8.1969 eine Sondersendung mit dem Titel "Streit um Panorama" ins Programm hob. Zur Hauptsendezeit, direkt im Anschluß an die Tagesschau. Eine einstündige, äußerst spannende Diskussionsrunde, die sich um die Verwendung rechtsradikaler Emotionen von CDU/CSU Politkern im Wahlkampf und tendenziöse Meinungsbeiträge im Fernsehen drehte. Leiter dieser Diskussion war der Herausgeber der Zeit, Theo Sommer. Auf der einen Seite drei Vertreter der CDU/CSU, auf der anderen die Journalisten Günter Gaus, Hans Heigert und Peter Merseburger.

Eine große Welle, die Gerhard Bott ausgelöst hatte. Panorama hat den Sturm überstanden und kritisiert bis heute Entgleisungen von Politikern, rechts wie links. Ohne den Mut und die Haltung von Menschen wie Gerhard Bott gäbe es das heutige Panorama nicht. Deshalb erinnern wir uns an ihn sehr gern!

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 11.08.1969 | 21:15 Uhr