Kommentar

Stand: 14.08.17 10:07 Uhr

"Enthüllungsbuch": Maschmeyer rehabilitiert?

Kommentar von Kristopher Sell

Am Wochenende veröffentlichten Zeitungen Auszüge aus einem Buch des ehemaligen AWD-Mitarbeiters Stefan Schabirosky. Demnach soll er vor Jahren zahlreiche Redaktionen mit Insider-Informationen aus dem AWD versorgt haben, darunter auch Journalisten von Panorama - die Reporter, "Stern", "SZ" und "Spiegel". Der Whistleblower sei im Gegenzug von der DVAG, einem damaligen Konkurrenten des AWD, mit mehreren tausend Euro monatlich honoriert worden. Ziel der Aktion sei es gewesen, Carsten Maschmeyer zu schaden. Offensichtlich soll der Eindruck erweckt werden, als hätten sich verschiedene Redaktionen, darunter auch Panorama,  gegen Maschmeyer und dessen AWD instrumentalisieren lassen und ungerechtfertigte Beschuldigungen verbreitet. Dem kann und muss entschieden widersprochen werden.

Der Drückerkönig und die Politik
Die Karriere von AWD-Gründer Carsten Maschmeyer ist eine schillernde. Sehen Sie einen exklusiven Film der Panorama-Redaktion über Macht und Einfluss eines umtriebigen Managers.

Tausende Menschen ins Unglück gestürzt

Eindeutig ist festzuhalten, dass die Kernaussagen unserer Berichte über Maschmeyer und seinen AWD nicht widerlegt werden: Nämlich dass der "Drückerkönig" und sein Finanzdienst u.a. mit dem Verkauf kreditfinanzierter geschlossener Fonds tausende Menschen ins Unglück gestürzt haben. Eine zentrale Bedeutung hatte damals der berüchtigte "Drei-Länder-Fonds", der von Maschmeyer und dem AWD besonders aggressiv in den Markt gedrückt wurde. Das hat uns damals nicht der "Whistleblower" Stefan Schabirosky (und erst recht nicht wahrheitswidrig) gesteckt, sondern das haben uns Opfer, Beteiligte und Anwälte in die Kamera bestätigt und detailliert belegt.

Es trifft zu, dass auch Stefan Schabirosky seinerzeit zu Autoren von Panorama - die Reporter Kontakt hatte. Er war aber nur  einer und keinesfalls der Wichtigste von zahlreichen ehemaligen AWD-Mitarbeitern, die sich seit Beginn der Recherchen über den umstrittenen Finanzdienstleister aus Hannover im Jahre 2008 bei uns gemeldet hatten und aus dem Innenleben des Unternehmens von Carsten Maschmeyer berichteten. Und wie bei anderen konnte auch bei diesem Informanten nicht restlos geklärt werden, aus welchen Motiven er sich an die Redaktion gewandt hatte. Das spielte auch keine Rolle, solange die Informationen unseren akribischen Überprüfungen und Recherchen standhielten.

Alle Informationen geprüft

Wie bei sämtlichen Quellen wurden auch Informationen von Schabirosky sorgfältig geprüft und gegengecheckt. Genau wie die Vorwürfe zahlreicher weiterer Informanten und Quellen wurden sie eingeordnet durch weitere Insider, unabhängige Experten etwa von Finanztest, Verbraucherzentralen oder von sachkundigen Fachanwälten. Vor Veröffentlichungen wurden der AWD und Maschmeyer selbst immer wieder zu strittigen Punkten um Stellungnahmen gebeten. Maschmeyer lehnte jede Bitte um ein Interview ab.

Von AWD-Konkurrenten bezahlt

Dass Stefan Schabirosky offenbar von einem AWD-Konkurrenten bezahlt wurde, war der Redaktion damals nicht bekannt. Informationen, die auf Verrat aus niedrigen Motiven beruhen, sind allerdings nichts Ungewöhnliches. Es ändert auch nichts am Wahrheitsgehalt der von uns veröffentlichten Beiträge. Sie waren das Ergebnis eines sorgfältigen und zum Teil jahrelangen Zusammentragens verschiedenster Informationen aus den unterschiedlichsten Quellen. Niemals verließen wir uns nur auf die Aussagen einer einzigen Person.

Nun von einer "überraschenden Wende" zugunsten Maschmeyers zu schreiben, wie es das Handelsblatt tut, ist nicht angebracht. Laut Berichterstattung entstand das Buch, nachdem sich Schabirosky Maschmeyer offenbart hatte. Und es dürfte dem schillernden Unternehmensgründer gefallen.

Um Ersparnisse gebracht

So oder so: Das Buch kann nicht von den noch immer real existierenden Opfern des Systems AWD ablenken: Tausenden Menschen, die von Carsten Maschmeyer und seinen Verkäufern um ihre Ersparnisse, teilweise um ihre Altersversorgung gebracht und damit ins Unglück gestürzt worden sind.

Wenn der Herausgeber der "Welt“, Stefan Aust, von "schweren Vorwürfen ... auch gegen die beteiligten Journalisten" schreibt, kann und muss sich Panorama nicht getroffen fühlen.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 12.01.2011 | 21:45 Uhr