Stand: 22.03.17 17:16 Uhr

Staat im Staate: Türkische Beamte in deutschen Moscheen

von Robert Bongen, Jörg Hilbert & Erkan Pehlivan

Ist der größte deutsche Moscheeverband DITIB eine unabhängige Religionsgemeinschaft  oder eher der verlängerte Arm der türkischen Regierung? Diese und andere Fragen stellt man sich spätestens seit dem vergangenen Winter. Damals wurden Vorwürfe bekannt, wonach DITIB-Imame ihre Landsleute bespitzelt haben sollen. Mindestens fünf von ihnen wurden deswegen in die Türkei zurückgeschickt.

Staat im Staate: Türkische Beamte in deutschen Moscheen
Hat die türkische Regierung direkten Einfluss auf den größten deutschen Moscheeverband DITIB? Der Verband sagt, er sei überparteilich und politische neutral. Daran gibt es Zweifel.

Hassbotschaften auch gegen Christen und Juden

Die Skandale um den derzeit umstrittenen Moscheeverband nehmen jedoch auch seitdem  kein Ende. Nach Panorama-Recherchen haben DITIB-Imame auch Hassbotschaften im Internet verbreitet. Darin wird das Wertesystem der westlichen Welt abgelehnt und angefeindet.

Der ehemalige Imam Mustafa E. aus Braunschweig etwa postete auf Facebook Hassbotschaften gegen Christen und Juden. Auf einem Bild sieht man eine Gruppe von Männern, die mit Knüppeln warten. Dazu die Botschaft - in Türkisch: "Wir warten auf den Nikolaus." Auf einem anderen Bild feiert man die Terrororganisation Hamas, die 30 israelische Soldaten getötet habe.

Politische Direktiven aus Ankara

Prof. Susanne Schröter, Leiterin des Forschungszentrums Globaler Islam (FFGI)

DITIB untersteht der türkischen Religionsbehörde, sagt die Islam-Expertin Susanne Schröter.

Nach Einschätzung der Islamexpertin Susanne Schröter vom "Forschungszentrum Globaler Islam" ist der Moscheeverband DITIB eine Organisation, die der türkischen Religionsbehörde Diyanet und damit der türkischen Regierung untersteht. Auch über die DITIB versuche Erdogan, in Deutschland Politik zu machen, sagt die Expertin. Politische Direktiven aus Ankara würden über die DITIB-Zentrale in Köln bis in die Ortsgemeinden heruntergereicht. Auch finanziell ist DITIB abhängig von der Türkei. So sind die Imame aus Ankara bezahlte Staatsbeamte. DITIB möchte vor der Kamera keine Stellung nehmen, betont aber schriftlich man sei überparteilich und unabhängig.

Säuberungen bei DITIB

Offenbar waren bis 2016 nicht alle DITIB-Mitarbeiter auf Ankaras Linie. Seit dem Putschversuch vom 15. Juli wurden rund 50 Imame in die Türkei zurückberufen. Gegen mehrere von ihnen laufen dort Verfahren, unter anderem wegen der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation. Auch in den Vorständen der deutschen Moschee-Vereine will die türkische Religionsbehörde nun treue Anhänger der türkischen Regierung sehen. So wurde in der bedeutenden Berliner Sehitlik-Moschee der dialogfreundliche Vorstand überraschend ausgewechselt. Noch 2014 wurden Schwule, Lesben und Transgender in das Berliner Gotteshaus zumindest eingeladen. Die Einladung musste aber wegen des Drucks zurückgenommen werden.

Wofür steht DITIB?

DITIB steht für "Diyanet İşleri Türk İslam Birliği", auf Deutsch: "Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion". Der größte islamische Dachverband bundesweit hat seinen Sitz in Köln und umfasst knapp 850 Moscheegemeinden und rund 150.000 Mitglieder.
Seit dem Putschversuch in der Türkei steht DITIB zunehmend in der Kritik. Dem Verband wird vorgeworfen eine zu große Nähe zum türkischen Staat sowie der regierenden AKP von Präsident Erdogan zu haben und der türkischen Religionsbehörde zu unterstehen.

Nach Panorama-Recherchen brodelt es in dem größten deutschen Moscheeverband. Auf der einen Seite gibt es immer noch Vertreter, die mehr Unabhängigkeit von Ankara einfordern, auf der anderen diejenigen, die weiterhin eng mit der Religionsbehörde Diyanet arbeiten möchten.

Ein hochrangiger Funktionär spricht von einem gnadenlosen Kampf um die Macht bei der DITIB. Vor allem die Religionsattachés und DITIB-Vorstände wie Bekir Alboga machten es den Unabhängigkeitsbefürwortern sehr schwer. Ziel dieser Leute sei es, die DITIB für politische Zwecke zu instrumentalisieren. Und damit ist die Linie von Präsident Erdogan gemeint.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 23.03.2017 | 21:45 Uhr