Stand: 12.01.23 06:00 Uhr

FAQ: Wer verursacht wie viele Treibhausgase?

Ist das Klimaziel noch zu schaffen? Wie viel müssen wir dafür einsparen? Warum könnte eine persönliche Obergrenze helfen? Fragen und Antworten zu dem Thema "Das Klima und die Reichen".

Welche Menge an Treibhausgasen verursachen wir derzeit?

Jeder einzelne in Deutschland lebende Mensch verursacht derzeit knapp 11 Tonnen Treibhausgase pro Jahr. Das ist der sogenannte CO2-Fußabdruck. Er wird zwar "CO2-Fußabdruck" genannt, tatsächlich werden aber auch andere Treibhausgase wie Methan eingerechnet.

Beim "CO2-Fußabdruck" wird berechnet, was jeder einzelne Mensch etwa durch Heizen oder Autofahren ausstößt. Außerdem werden die Mengen an Treibhausgasen hinzugerechnet, die jeder einzelne durch seinen Konsum verursacht, etwa für Essen, Kleidung oder technische Geräte. Die Treibhausgase, die bei der Produktion entstehen, werden also dem Käufer zugerechnet - egal, wo das Produkt hergestellt worden ist. So auch etwa für ein Handy, das in China produziert wurde.

Wie groß die Menge ist, die alle in Deutschland lebenden Menschen zusammen verursachen, kann man etwa beim Statistischen Bundesamt nachschauen.

Bei einer anderen Berechnungs-Methode wird dagegen darauf geschaut, welche Menge an Treibhausgasen tatsächlich in dem jeweiligen Land entstehen. Hier werden die Treibhausgase für ein Handy aus China nicht dem deutschen Käufer zugerechnet, sondern China. So kommt man dann auf eine Gesamt-Menge an Emissionen für das jeweilige Land. In Deutschland wurden im Jahr 2021 insgesamt 762 Millionen Tonnen Treibhausgase ausgestoßen.

Wenn man die gesamte Menge an Emissionen, die in Deutschland entstehen, durch alle Menschen teilt, die hier leben, landet man bei einer etwas geringeren Zahl pro Kopf, nämlich bei etwa 9 Tonnen. In manchen Berichten wird diese Größe angeführt.

Wenn man aber zeigen will, wie viel jeder einzelne Mensch verursacht, ist es natürlich aussagekräftiger, dessen Konsum einzuberechnen - unabhängig davon, wo das Produkt hergestellt worden ist. Denn für die Atmosphäre ist es egal, ob beispielsweise das neue Auto aus Stuttgart oder Singapur stammt.

Außer CO2 gibt es noch andere Treibhausgase. Werden die auch mit einberechnet?

Ja, in den meisten veröffentlichten Statistiken und Berichten ist zwar die Rede von CO2, tatsächlich gemeint sind aber sogenannte CO2-Äquivalente - so auch beim "CO2-Fußabdruck". Denn nicht nur Kohlendioxid (CO2) führt dazu, dass sich die Erde erhitzt, sondern auch andere Treibhausgase wie Methan (CH4) oder das sogenannte Lachgas (Distickstoffoxid, N2O). Jeder dieser Stoffe hat Auswirkungen auf das Klima, die unterschiedlich stark sind. Deshalb wurde eine Methode entwickelt, um sie vergleichen zu können. Dafür wird die Menge an Methan oder Lachgas in sogenannte CO2-Äquivalente umgerechnet - und das fließt in die Klimabilanz ein.

Bei der Berechnung wird auch berücksichtigt, wie lange die jeweiligen Gase in der Atmosphäre verbleiben. Innerhalb von 20 Jahren wirkt beispielsweise Methan etwa 80-mal so klimaschädlich wie CO2. Aber für die meisten Berechnungen wird ein längerer Zeitraum angenommen, nämlich 100 Jahre. Weil Methan deutlich schneller aus der Atmosphäre verschwindet als Kohlendioxid, fällt die rechnerische Klimawirkung von Methan dementsprechend geringer aus. Der Weltklimarat schätzt laut seinem aktuellen Bericht (S. 1017), dass über 100 Jahre betrachtet eine Tonne Methan dem Ausstoß von knapp 30 Tonnen Kohlendioxid entspricht.

Aber klar ist: CO2 hat den mit Abstand größten Anteil am Treibhauseffekt - in Deutschland lag er nach Angaben des Umweltbundesamts im Jahr 2021 bei knapp 89 Prozent, Methan bei 6 Prozent, das "Lachgas" bei 4 Prozent und die übrigen, sogenannten F-Gase bei etwa 1 Prozent.

Allerdings sieht das in den einzelnen Wirtschaftsbereichen sehr unterschiedlich aus. In der Landwirtschaft spielen zum Beispiel Methan und Distickstoffoxid eine viel größere Rolle. Auch beim Flugverkehr macht das Kohlendioxid, das beim Verbrennen des Kerosins in die Atmosphäre gelangt, nur einen kleinen Teil der gesamten Auswirkung auf das Klima aus. Zusätzlich tragen beispielsweise auch Ruß und der Wasserdampf, der zu einer Wolkenbildung führt, zur Erderhitzung bei. All das macht die Berechnungen kompliziert. Deshalb werden die Werte auch immer wieder überarbeitet und angepasst.

Wie viel Treibhausgase stoßen Reiche aus?

Wer mehr Geld hat, kann sich auch mehr kaufen - etwa Autos oder Häuser – und reist in der Regel viel mehr. Und wenn jemand mehrere Häuser hat, viel fliegt oder eine Yacht besitzt, macht sich das in der persönlichen CO2-Bilanz deutlich bemerkbar. Eine Reise von Frankfurt nach Los Angeles in der Business Class verursacht etwa 9,5 Tonnen Treibhausgase (Hin- und Rückflug zusammen), also fast so viel wie ein Mensch durchschnittlich in Deutschland im gesamten Jahr verursacht. Noch größer ist etwa der Ausstoß von großen Yachten, die allein auf Tausende Tonnen im Jahr kommen.

Hinzu kommt, dass reiche Menschen auch ein Vermögen haben, das sie irgendwie anlegen, etwa in Aktien von Unternehmen, die teils große Mengen klimaschädlicher Emissionen verursachen. Als Aktionäre sind sie dann Mit-Eigentümer von solchen Firmen und damit auch in Teilen verantwortlich für die Treibhausgase.

All dieses Aspekte haben Wissenschaftler:innen am World Inequality Lab (WIL) in Paris berechnet. Das Institut ist eine renommierte Einrichtung – und wird unter anderem von der EU und den Vereinten Nationen finanziert.

Nach den Berechnungen des WIL verursachen reiche Menschen pro Kopf wesentlich mehr Treibhausgase als ärmere. Und obwohl es nur wenige Menschen gibt, die viel besitzen, sind sie für einen großen Teil aller Emissionen verantwortlich.

Das reichste 1 Prozent der Welt - das sind etwa 80 Millionen Menschen, die ein Vermögen von mindestens einer knappen Millionen Dollar haben - verursacht etwa 17 Prozent aller Treibhausgase.

Die reichsten 10 Prozent der Menschen sind insgesamt für fast die Hälfte der Emissionen verantwortlich.

Die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung - also vier Milliarden Menschen - kommen zusammen auf nur 12 Prozent der Emissionen. Die übrigen 40 Prozent der Treibhausgase werden von denjenigen verursacht, die im weitesten Sinn zur weltweiten Mittelschicht gehören.

Laut den Daten des WIL verursacht jeder Mensch weltweit im Schnitt etwa 6 Tonnen Treibhausgase, in Deutschland liegt der Durchschnitt bei 11 Tonnen. Die reichsten 10 Prozent in Deutschland kommen auf mehr als 30 Tonnen pro Jahr.

Menschen, die zu den reichsten ein Prozent der Welt gehören - das sind alle, die ein Vermögen von mindestens einer knappe Millionen Euro besitzen - verursachen im Schnitt mehr als 100 Tonnen pro Jahr. Superreiche, die 0,01 Prozent mit dem größten Vermögen weltweit, kommen sogar auf mehr als 2.300 Tonnen. Diese 800.000 Menschen verursachen also pro Kopf mit ihrem Lebensstil und ihrem investierten Vermögen eine Menge an Treibhausgasen, die mehr als 200-mal so groß ist, wie die des Durchschnitts in Deutschland.

Die Emissionen der reichsten Menschen sind in den vergangenen Jahren sogar deutlich gestiegen. Sie haben sich seit 1990 fast verdoppelt. Dagegen gab es in der weltweiten Mittelschicht einen Rückgang. Das ist das Ergebnis einer Studie des WIL.

Eine andere aktuelle Studie, die die Daten des World Inequality Lab als Basis genommen hat, kommt zu dem Ergebnis, dass allein die kleine Gruppe der Millionäre in den kommenden Jahrzehnten so viel CO2 verursachen wird, dass die Klimaziele kaum mehr zu halten sein werden – sollte sich nicht wirklich etwas ändern.

Der Klimaforscher Prof. Schellnhuber schlägt ein individuelles CO2-Budget von 3 Tonnen vor. Wie kommt diese Zahl zustande?

Die Grundlage für diese Berechnung ist das im Pariser Klimaabkommen 2015 vereinbarte Ziel, die Erderwärmung auf "deutlich unter 2 Grad" zu begrenzen. Dieses Ziel wurde völkerrechtlich verbindlich vereinbart, auch von Deutschland.

Um dieses Ziel zu erreichen, darf insgesamt nur noch eine sehr begrenzte Menge CO2 in die Atmosphäre gelangen. Denn alles, was sich jetzt dort anreichert, macht sich auch noch in Jahrhunderten bemerkbar. Das Kohlendioxid baut sich nur sehr langsam ab. Nach eintausend Jahren ist immer noch was übrig.

Der Weltklimarat (IPCC) berechnet immer wieder mit aktuellen Daten, wie groß diese Restmenge noch ist. Ganz genau kann man das nicht sagen. Deshalb gibt der IPCC immer Wahrscheinlichkeiten an. Der aktuelle Bericht des IPCC wurde 2021 veröffentlicht.

Prof. Hans Joachim Schellnhuber ist der Gründer und ehemalige Direktor vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung und hat beim IPCC mitgearbeitet. Er hat für seine Berechnung zumindest das Minimalziel des Pariser Klimaabkommens ("unter 2 Grad") als Maßstab genommen.

Um das zu erreichen, dürfen laut dem IPCC-Bericht von nun an nicht mehr als 730 Milliarden Tonnen CO2 in die Atmosphäre gelangen. Mit einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit könnte die Erderhitzung dann bei etwa 1,7 Grad gestoppt werden. Zu etwa 90 Prozent würde sie unter 2 Grad bleiben.

Diese Zahl erscheint zunächst sehr abstrakt. Es wird aber deutlicher, wie viel beziehungsweise wie wenig das ist, wenn man diese 730 Milliarden Tonnen für jeden einzelnen Menschen pro Jahr herunterrechnet.

Dafür muss man sich zunächst überlegen, mit welchem Zeitraum man rechnet, also wie lange überhaupt noch zusätzliches CO2 in die Atmosphäre gelangen darf. Viele Politiker:innen haben das Ziel formuliert, dass die Welt ab Mitte des Jahrhunderts "klimaneutral" sein soll. Demnach bleiben jetzt noch 27 Jahre (von Anfang 2023 bis Ende 2049).

Nun muss man noch berücksichtigen, wie viele Menschen in diesem Jahren jeweils auf der Erde leben. Dafür liefert die UN mit ihrer Bevölkerungsprognose Daten. Demnach werden es in dieser Zeit - von 2023 bis 2049 - voraussichtlich knapp 8,9 Milliarden Menschen sein.

Also: In den 27 Jahren bis 2049 leben jeweils knapp 8,9 Milliarden Menschen auf der Welt, macht insgesamt knapp 240 Milliarden Menschenjahre (=  8,881 Milliarden Menschen * 27 Jahre).

Teilt man nun diese 730 Milliarden Tonnen CO2 durch die knapp 240 Milliarden Menschenjahre, bleiben noch ziemlich genau 3 Tonnen pro Kopf und Jahr übrig. Mehr dürfte jeder einzelne im Schnitt über die kommenden 27 Jahre hinweg nicht verursachen. Der Ausstoß müsste also sehr schnell sinken, um diesen Durchschnitt erreichen zu können.

Denn derzeit verursacht jeder Mensch auf der Welt etwa 5 Tonnen CO2 pro Jahr (6 Tonnen Treibhausgase insgesamt, aber für die Berechnungen des verbleibenden Budgets wird in der Regel nur das Kohlendioxid betrachtet).

Für eine "klimagerechte" Welt müssten also Reiche ihren CO2-Ausstoß extrem senken.

Wie viel CO2 darf jeder Mensch noch für das 1,5-Grad-Ziel verursachen?

In dem aktuellen Bericht des IPCC schreiben die Autor:innen, dass mit einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit die Erderwärmung unter 1,5 Grad bleibt, wenn nur noch höchstens 500 Milliarden Tonnen CO2 in die Atmosphäre gelangen. Sie haben das allerdings ab dem Zeitraum von Anfang 2020 berechnet.

Seitdem sind aber jedes Jahr – also 2020, 2021 und 2022 – jeweils 40 Milliarden Tonnen ausgestoßen worden. Es bleiben also Anfang 2023 nur noch etwa 380 Milliarden Rest-Budget für eine 50:50-Chance übrig. Für eine 67-prozentige Wahrscheinlichkeit unter 1,5-Grad zu bleiben, dürften weniger als 280 Milliarden Tonnen in die Atmosphäre gelangen.

Teilt man nun die verbleibenden 380 Milliarden Tonnen CO2 für einen 50:50-Chance auf das 1,5-Grad-Ziel durch die 240 Milliarden Menschenjahre bis 2049, kommt eine Menge von etwa 1,6 Tonnen CO2 pro Mensch und Jahr heraus. Für eine 67-prozentige Wahrscheinlichkeit, noch unter 1,5 Grad zu bleiben, sind es weniger als 1,2 Tonnen.

Viele Wissenschaftler gehen folglich davon aus, dass das 1,5-Grad-Ziel nicht mehr zu halten ist. Wahrscheinlich wird schon in den kommenden Jahren diese Grenze erstmals überschritten, hat die Weltmeteorologie-Organisation (WMO) berechnet.

Welche Ziele hat die Bundesregierung?

Die Bundesregierung hat ein Klimaschutzgesetz verabschiedet. Darin formuliert sie das Ziel, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral werden soll. Das bedeutet, dass von da an nicht mehr Treibhausgase ausgestoßen werden, als der Luft wieder entzogen werden, etwa durch Anpflanzungen.

Als Zwischenziel hat sich die Regierung vorgenommen, bis 2030 die Treibhausgase, die in Deutschland ausgestoßen werden, um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Damals lag die Menge bei knapp 1,2 Milliarden Tonnen. Das heißt, im Jahr 2030 soll sie auf unter 440 Millionen Tonnen gesunken sein.

Das Problem ist allerdings: Vom Jahr 2010 bis einschließlich 2017 sind die Emissionen kaum gesunken. Sie lagen 2017 noch immer bei mehr als 900 Millionen Tonnen. Seitdem sind sie zwar schneller zurückgegangen, aber das Tempo ist immer noch zu langsam, um das Klimaziel zu erreichen. Bis 2021 sanken die Emissionen um etwa 32 Millionen Tonnen pro Jahr, auf knapp 760 Millionen Tonnen. Doch im vergangenen Jahr gab es keinen weiteren Rückgang. Nach ersten Schätzungen hat Deutschland erneut etwa 760 Millionen Tonnen Treibhausgase verursacht. Von jetzt an müssten die Emissionen also jedes Jahr um 40 Tonnen sinken.

Hält Deutschland seine Klimaversprechen?

Die Bundesregierung hat einen eigenen Expertenrat eingesetzt, der regelmäßig überprüfen soll, wie Deutschland auf dem im Klimaschutzgesetz formulierten Weg vorankommt. Alle zwei Jahre soll der Rat ein Gutachten veröffentlichen. Das erste kam jetzt im November 2022. Darin heißt es: Die Ziele des Klimaschutzgesetzes für das Jahr 2030 würden signifikant verfehlt, wenn sich der Rückgang der Emissionen nicht deutlich beschleunige.

Unabhängig davon ist dieses Ziel auch nicht ehrgeizig genug, wenn man wirklich das immer wieder formulierte 1,5-Grad-Ziel ernst nimmt. Dann dürfte Deutschland nach Berechnungen des Sachverständigenrats für Umweltfragen insgesamt in den kommenden Jahrzehnten noch höchstens 2,4 Milliarden Tonnen CO2 verursachen. Dieses Budget ist vorrausichtlich bis 2026 aufgebraucht, selbst wenn die Minderungs-Ziele des Klimaschutzgesetzes geschafft werden.

Selbst die rechnerischen Vorgaben für das 2-Grad-Ziel sind mit dem von der Bundesregierung angestrebten Tempo kaum zu halten. Damit die Erderwärmung mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit unter dieser Grenze bleibt, dürften von Anfang 2023 an nur noch etwa 730 Milliarden Tonnen CO2 in die Atmosphäre gelangen. Für einen angemessen Beitrag dürften die Menschen in Deutschland davon nur noch höchstens 7 Milliarden verursachen. Der im Klimaschutzgesetz beschriebene Minderungspfad würde aber bis 2045 auf mehr als 7,5 Milliarden Tonnen hinauslaufen. Es scheint also derzeit sehr fraglich, ob Deutschland die Ziele des Pariser Klimaabkommens erfüllen wird.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 12.01.2023 | 21:45 Uhr