Stand: 21.07.22 06:00 Uhr

Fußballerinnen: Sexismus und dumme Sprüche

von Lena Gürtler, Elena Kuch, Hendrik Maaßen

Während das deutsche Team bei der Fußball-Europameisterschaft derzeit bejubelt wird, sehen sich viele Fußballerinnen sonst regelmäßig mit sexistischen und herabwürdigen Kommentaren konfrontiert. Im Gespräch mit den Reporterinnen und Reportern von Panorama berichten zahlreiche Spielerinnen offen von ihren Erfahrungen, sowohl im Amateurbereich als auch in der Bundesliga.

Fußballerinnen: Sexismus und dumme Sprüche
Bei der EM werden sie gefeiert. Doch im Alltag erleben Spielerinnen immer wieder Ungleichbehandlungen und Sexismus.

Almuth Schult, Nationaltorhüterin © NDR Foto: NDR

"Es geht schlicht um Gleichberechtigung und Chancengleichheit" -Nationaltorhüterin Almuth Schult wünscht sich, dass aus dem Kampf ein positiver Austausch werde.

So hat Ex-Nationalspielerin Tabea Kemme erst vor kurzem ein Gespräch über eine Spielerin erlebt, in der der Satz fiel: "Die ist auch richtig heiß, ne? Die würde ich auch mal wegbügeln wollen." Saskia Matheis, Bundesligaspielerin bei Werder Bremen, blieb vor allem dieser Spruch eines Mannes in Erinnerung: "Frauenfußball ist wie Pferderennen. Nur auf Eseln." Und Nationaltorhüterin Almuth Schult wurde von einem Journalisten gefragt: "Wie fühlt sich das an, wenn man als eine der wenigen in der Mannschaft einen Mann liebt und keine Frau?" Er hatte damit das Vorurteil angedeutet, dass nur lesbische Frauen Fußball spielen.

Ignoriert, belächelt, objektifiziert

Derartiger Sexismus und auch Ungleichbehandlung in den Vereinen gehörten bis heute zum Alltag von Fußballerinnen. Dabei geht es um anzügliche Bemerkungen, sexistische Vorurteile und das Absprechen von Kompetenz. Viele Spielerinnen fühlten sich ignoriert, belächelt, objektifiziert. Es sind Beispiele wie eine Hand auf dem Po bei Fotos mit Fans, es sind erniedrigende Äußerungen von Zuschauern oder sogar vom eigenen Trainer und Betreuerteam.

Steht im Fußball die Zeit still?

Franziska Bielfeld, Kreisligaspielerin © NDR Foto: NDR

"Wir haben alle gelernt wegzuhören", berichtet Kreisligaspielerin Franziska Bielfeld.

Für die Kreisligaspielerin Franziska Bielfeld scheint es so, als ob das für viele in ihrem Club einfach normal sei: "Wir haben alle gelernt wegzuhören", sagt sie. Sie nennt Beispiele für abwertende Kommentare von Zuschauern und männlichen Spielern - wie "Mannsweib" oder "Trikotwechsel". Und auch dies: "Die mit den kurzen Haaren sollte bei uns spielen. Ist das überhaupt eine Frau oder nicht? Naja, Gottseidank hat sie ja Brüste." Als sie sich im Namen ihres Teams bei einer Mitgliederversammlung beschwert, hätten viele mit einem Lachen reagiert. Im Anschluss sei sie sogar bedroht worden. Vom betroffenen Verein heißt es dazu: "Leider war den Verursachern wohl nicht bewusst, was sie mit ihren Äußerungen bewirkt haben."

Metoo-Debatten mögen andere Teile der Gesellschaft verändert haben, im Fußball steht die Zeit offenbar vielerorts nahezu still. "Ich glaube, dass es ein Trugschluss ist, dass man weiter ist", sagt Franziska Bielfeld. "Wenn ich das Spielfeld betrete als Frau, dann werde ich als allererstes in Frage gestellt."

  • "Wie fühlt sich das an, wenn man als eine der wenigen in der Mannschaft einen Mann liebt und keine Frau?" (wurde Almuth Schult von einem Journalisten gefragt)

  • "Frauenfußball ist wie Pferderennen. Nur auf Eseln." (gehört von Saskia Matheis, Werder Bremen)

  • "Wer von euch ist alles homosexuell?" (Frage eines neuen Trainers, als er sich seinem Team vorstellt. Gehört von Anna Hoppe, Gruppenliga-Spielerin)

  • "Wäre es nicht besser, wenn wir das Tor bei euch kleiner machen würden?" (gehört von Almuth Schult)

  • "Das ist ja toll für euch Frauen?!" (Journalist über die Aufmerksamkeit bei großen Turnieren zu Almuth Schult)

  • "Mensch also, ich habe mir gedacht, das wird unansehnlicher." (Schiedsrichter über ein Spiel von Fußballerinnen, gehört von Franziska Bielfeld)

  • "Die ist auch richtig heiß, ne? Die würde ich auch mal wegbügeln wollen." (gehört von Tabea Kemme, Ex-Nationalspielerin)

  • "Ich weiß gar nicht, warum ihr Frauen Geld haben wollt, ihr spielt ja sowieso nichts ein. Ihr seid ja im Gegensatz zu den Männern halt einfach nur da und verdient nichts auf diesem Markt." (gehört von Almuth Schult)

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Sexismus "ein gesellschaftliches Thema"

Heike Ullrich, Generalsekretärin des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) © picture alliance/dpa | Arne Dedert Foto: Arne Dedert

Sieht Sexismus als gesellschaftliches Thema: Heike Ullrich, Generalsekretärin des DFB.

Für Heike Ullrich, Generalsekretärin des Deutschen Fußballs Bundes (DFB), zeigt der Fall, dass die Präventionsarbeit des Verbandes noch nicht in allen Vereinen angekommen sei: "Jeder Fall der auch wahrgenommenen Grenzüberschreitungen ist einer zu viel. Das muss angesprochen werden." Sie nimmt Sexismus weniger als ein spezifisches Problem im Fußball wahr, sondern als ein gesellschaftliches Thema: "Es ist unser aller Aufgabe, nicht nur die des Fußballs, des Sports, sondern unserer Gesellschaft auf diese Grenzüberschreitungen aufmerksam zu machen. Egal ob Junge oder Mädchen, Mann oder Frau, zu sagen: Ich fand das nicht gut, was du gerade gesagt hast."

Degradierung und Ungleichbehandlung auch in Bundesligavereinen

Zu sexistischen Ausfällen kommt es offenbar auch in Bundesligavereinen. Eine Spielerin spricht bei Panorama anonym über Vorfälle, die sie mit dem Trainer ihres Teams erlebt hat: "Er hat immer wieder Kommentare zu dem Hintern einer Mitspielerin gemacht", berichtet sie. Eine andere Spielerin habe er gemustert und angemerkt, wie sexy sie sei. Mitspielerinnen und Betreuer bestätigen die sexistischen Sprüche des Trainers. "Du wirst nicht als professionelle Athletin gesehen", so die Spielerin weiter. Der Trainer habe in Kabinenansprachen und beim Training die Leistung mit der der Männer verglichen: "Wir würden eh nie das Niveau der Männer erreichen." Der Verein habe im Frühjahr von Unzufriedenheiten unter den Spielerinnen erfahren. Verein und Trainer haben sich mittlerweile einvernehmlich getrennt. 

Fußballerin anonymisiert © NDR Foto: NDR

Der Trainer eines Bundesliga-Teams habe immer wieder sexistische Sprüche gemacht, berichtet eine Spielerin, die anonym bleiben möchte.

Im Vergleich zu früher gebe es für Fußballerinnen in Deutschland zwar mehr Anerkennung und Akzeptanz, oft auch bessere Bedingungen, doch gehöre eine regelmäßige Ungleichbehandlung noch lange nicht der Vergangenheit an, berichten viele Spielerinnen gegenüber NDR und "Süddeutscher Zeitung". So würden männliche Jugendmannschaften für Trainingszeiten nicht selten vorgezogen, so dass viele Frauen nur zu Randzeiten trainieren dürften. Das passiere nicht nur bei Amateuren, sondern auch in Profivereinen, sagt Nationaltorhüterin Almuth Schult. In vielen Vereinen würden den Männern und der männlichen Jugend die Trainingskleidung gewaschen werden. Den Frauen aber nicht. "Unser Gym ist nicht so groß wie bei den Männern. Wir haben keine Becken, keine Sauna", sagt Schult über ihren langjährigen Club. Beim siebenfachen deutschen Meister VfL Wolfsburg seien die Bedingungen im Vergleich zu anderen Vereinen noch sehr gut.  Doch es sei beispielsweise nicht erwünscht, dass die Frauen Geräte und Räume der Männermannschaft mitbenutzten.

Der VfL Wolfsburg antwortet auf Anfrage, dass sich die Trainingsbereiche auf unterschiedlichen Geländen befänden und sich diese deshalb "gegenseitig nicht pragmatisch nutzen ließen“. "Gebäudebedingt" komme es "naturgemäß zu Abweichungen einzelner Flächen", für den Frauenbereich sei jedoch 2019 ein neuer Kabinentrakt inklusive Fitnessraum entstanden, eine Sauna werde "in Kürze" neu installiert.

"Es geht um Gleichberechtigung und Chancengleichheit"

Als Fußballerin faire Bedingungen und angemessene Behandlung einzufordern, das sei ein Kampf, so Schult, und das sei oft frustrierend: "Wenn man selbst das Gefühl hat, man gibt immer schon alles und trotzdem ändert sich nichts." Sie wünscht sich, dass aus dem Kampf ein positiver Austausch werde. "Es ist gerade das Momentum dafür, einen Wandel hervorzurufen. Es geht schlicht um Gleichberechtigung und Chancengleichheit."

NDR Info sendet ein Hörfunk-Feature zum Thema am Sonntag um 13:33 Uhr und am Montag, um 20:33 Uhr.

Das NDR Ressort Investigation recherchiert zu Sexismus, MeToo und sexualisierter Gewalt im Sport. Sie erreichen die Redaktion unter investigation@ndr.de

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 21.07.2022 | 23:15 Uhr